Nach der Annexion der Krim durch die Russische Föderation erhielt die Halbinsel praktisch keine humanitäre Hilfe mehr – Experten

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Kiew, 23. Juli 2015 – Seit der Annexion der Krim durch Russland vor eineinhalb Jahren kommen weder internationale unabhängige Experten auf die Halbinsel, noch humanitäre Hilfe. Nach der UN-Resolution, die bestätigt, dass die Krim zur Ukraine gehört, und dass alle Aktionen der Russischen Föderation zur Aneignung der Halbinsel illegal waren, sollen im nächsten Schritt Vertreter von internationalen unabhängigen Beobachterkommissionen auf die Halbinsel entsandt werden, um Rechtsverletzungen seitens Russlands zu bestätigen. „Die Krim ist besetztes Gebiet. Laut der ukrainischen Gesetzgebung brauchen internationale Experten oder Freiwillige, um auf die Krim zu fahren, eine Sondergenehmigung, die vom Staatlichen Migrationsdienst der Ukraine ausgesellt wird. Allerdings, nur vorbehaltlich, wenn die internationalen Experten auf der Krim leben oder Verwandte starben, oder ihnen Immobilien auf der Halbinsel gehören. In der Regel haben Freiwillige aber keine Verwandten oder Eigentum auf der Krim“, erklärte der Chef der „Internationalen Kommission für Menschenrechte“ in der Region von Europa, Großbritannien, den GUS-Ländern und im Nahen Osten, Konstantin Solotarewskij, während einer Diskussion, die in Partnerschaft mit dem Projekt „Free Crimea“ im Ukrainischen Crisis Media Center organisiert wurde.

Die Tätigkeit von Wohltätigkeitsorganisationen wird auch auf der Halbinsel durch zahlreiche Beschränkungen erschwert und in manchen Fällen völlig untersagt. Die Russische Föderation, die auf den ersten Blick an einer umfassenden Hilfe für die annektierte Krim am stärksten interessiert sein sollte, ist nicht in der Lage, die entsprechende humanitäre Hilfe aus eigener Kraft zu gewährleisten.

Tamila Taschewa, die Koordinatorin der Zivilinitiative „Krim SOS“, teilte mit, dass derzeit gewisse Probleme bei der Reisefreiheit der Bürger bestehen: allein um ein Ticket für einen Inlandsflug zu kaufen, braucht man dafür einen russischen Pass. Das heißt, wer sich weigert, einen solchen anzunehmen, ist mit bedeutenden Schwierigkeiten konfrontiert. Was Zivilorganisationen betrifft, wurden die meisten von ihnen bereits vor den Ereignissen 2014 registriert, und nach der Annexion wurden sie zur Umregistrierung gezwungen, damit sie ihre Arbeit weiterhin ausführen können. Außerdem hat „Krim SOS“ Informationen, dass auf der Krim humanitäre Hilfe für Bewohner der Gebiete gesammelt wird, die unter der Kontrolle der LVR/DVR stehen, wobei noch keine weiteren Einzelheiten bekannt sind.

Tamila Taschewa betonte, dass fast keine humanitäre Hilfe auf der Krim ankommt. Der Hauptgrund dafür ist, dass die Halbinsel den Status eines besetzten Gebiets hat. Teilweise geben Organisationen aus der EU und den USA Hilfen – hauptsächlich für Flüchtlinge, dies aber in geringen Umfängen. „Die Krim ist terra incognita. Leider hat sogar die OSZE kein Mandat, um in diesem Gebiet tätig zu werden, ganz zu schweigen von anderen internationalen Organisationen“, berichtete Konstantin Solotarewskij. Nach seinen Angaben entstand auf der Halbinsel ein „Rechtsvakuum“, das die Tätigkeit von humanitären Organisationen lähmt: man kann sich nicht mit den russischen Behörden auf ein Recht über ihre Tätigkeiten einigen, da dies gegen ukrainische Gesetze verstößt, während die Kontaktaufnahme mit ukrainischen Behörden dazu führen kann, seitens der Russischen Föderation des Separatismus beschuldigt zu werden, da dies laut russischer Gesetzgebung verboten ist.

Konstantin Solotarewskij äußerte die Befürchtung, dass, sollte ein Präzedenzfall geschaffen werden, auf dessen Basis die Institutionen der Besatzungsmächte auf der Krim legalisiert werden, kann sich diese Situation auch im Donbass wiederholen. „Herr Sawgorodnyj, der Direktor von Ukrsalisnyzja, nahm Verhandlungen über die Wiederherstellung des Zugverkehrs mit der Halbinsel auf. Allerdings verweist die Resolution der UN-Generalversammlung vom 14. März 2014 auf die Anerkennung der territorialen Integrität der Ukraine, womit alle Handlungen, die zur Anerkennung des neuen Status von der Krim und der Stadt Sewastopol führen können, durch Sanktionen bestraft werden sollen. Wir verfolgen Schiffe, die in den Häfen der Halbinsel einlaufen, verfolgen Fluggesellschaften, die weiterhin die Halbinsel anfliegen – das wird bestraft,“ erklärte Konstantin Solotarewskij. Das heißt, wenn Ukrsalisnyzja die Zugverbindungen wieder aufnimmt, müsste das Unternehmen laut der ukrainischen und internationalen Gesetzgebung auch sanktioniert werden. Nach Meinung von Solotarewskij sollen die Grenzen geschlossen bleiben und der Handel mit den besetzten Gebieten unterbunden werden. Fragen zu diesen Gebieten sollen von internationalen Organisationen mit einem entsprechenden Mandat geklärt werden, doch dafür brauchen sie ein Feingefühl für die Menschen, die zu Geiseln der Situation wurden. „Alle Bürger der Krim und des Donbasses sind ukrainische Staatsbürger. Ihre Rechte dürfen unter keinen Umständen verletzt werden. Dies muss unsere Position sein. Und in dieser Frage üben wir Druck auf die Behörden aus“, betonte er.

Maxim Dozenko, der Abteilungsleiter für humanitäre Hilfe am ukrainischen Ministerium für Sozialpolitik, teilte mit, dass seit 16. März 2014 die Krim von dem Ministerium keine humanitären Hilfsgüter mehr erhielt.

Laut Daten des Sozialministeriums mit Stand vom 31. Dezember 2013 waren unter den Geberländern für die Krim: Deutschland, Litauen, die Türkei, die USA, Schweden und die Niederlande. Die Gesamtmenge der humanitären Hilfe betrug zirka 200 Tonnen. Nach der Annexion hörte die aktive Tätigkeit aller Organisationen auf. Maxim Dozenko teilte mit, dass es 2014/2015 zu bedeutenden Änderungen in der humanitären Politik der Ukraine kam. „Viele Prozeduren wurden vereinfacht. Es wäre zu wünschen, dass sie auch von der Krim genutzt werden könnten“, sagte er.

Die Experten teilten mit, dass auf die Krim hauptsächlich Kleidung, Schuhe und Medikamente als humanitäre Hilfe an Personen geliefert werden, die sie auch wirklich brauchen. Die Situation ist schwierig und zeigt eine Tendenz zur Verschlechterung: es mangelt an Importwaren, einschließlich Medikamenten; teilweise führt der Mangel an notwendigen Mittel in Krankenhäusern dazu, dass Operationen nicht durchgeführt werden können. Laut inoffiziellen Angaben starben 60 Personen, die Methadon-abhängig waren: laut russischer Gesetzgebung ist dieses Mittel verboten. Unter den schlechten Nachrichten ist auch die Schließung der einzigen Unterkunft für Obdachlose, Eigentum einer ukrainischen Organisation, die vom russischen Roten Kreuz ohne Entschädigung beschlagnahmt wurde, was ein wirklicher Skandal ist.

Nach Meinung der Experten muss man das Mandat der Zivilorganisationen, die auf der Krim tätig sind, ausweiten und ihre Anzahl erhöhen, einschließlich der Beteiligung von Amnesty International, Human Rights Watch und der OSZE, um auf Basis ihrer Tätigkeit die Menschenrechtslage auf der Halbinsel zu beobachten und um entsprechend auf bestehende Verstöße reagieren zu können.