Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 03.11.2015 bis 09.11.2015

Lage in der ATO-Zone

In der vergangenen Woche erhöhten sich die Verstöße gegen die Waffenruhe in der ATO-Zone. Wie die ATO-Pressestelle berichtete, wurden diese Verstöße meistens in Richtung von Donezk festgestellt. Insgesamt wurde in der vergangenen Woche 137 Mal ein Beschuss seitens der pro-russischen Rebellen festgestellt. In der vergangenen Woche kam infolge des Beschusses seitens der Milizionäre, sowie des Unfalls bei Kurachowe und durch Sprengfallen ein ukrainischer Soldat ums Leben, 17 weitere wurden verletzt.

Die ATO-Pressestelle teilte heute mit, dass die ukrainischen Streitkräfte gestern von pro-russischen Rebellen aus allen Richtungen beschossen wurden. Nach Angaben des Stabs setzten die Milizionäre Granatenwerfer, schwere Maschinengewehr und Schützenwaffen gegen die ukrainischen Soldaten bei Majorske, Saizewe, Schumy ein. In Luhansker Richtung wurden die Checkpoints bei Stschastja beschossen und in Richtung Mariupol – bei Schyrokine. Die Rebellen versuchten auch, zum ersten mal seit 2 Monaten, den Checkpoint bei Majorske zu stürmen.

Die Rebellen beschossen auch Wohnbezirke in Krasnohoriwka (Gebiet von Donezk) mit Granatenwerfer mit einem Kaliber von 82 Millimeter, teilte die ATO-Pressestelle mit. Niemand wurde verletzt.

Die ATO-Kräfte beendeten den Abzug von Waffen mit einem Kaliber von 100 Millimeter, berichtete die ATO-Pressestelle (Nachricht auf Englisch).

In der vergangenen Woche beschuldigten die Rebellen der „DVR“ ukrainische Soldaten, dass sie das Zentrum von Donezk mit dem Raketensystem „GRAD“ beschossen. Die ukrainische Seite dementierte diese Anklage, das die ukrainischen Streitkräften solche Waffen bereits abgezogen hatten.

Der ukrainische Vertreter des Gemeinsamen Zentrums zur Kontrolle und Koordinierung der Waffenruhe (GZKK), Borys Kremenezkyj, berichtete, dass Russland den Rebellen weiter Waffen liefert. Er teilte mit, dass sich die Lage entlang der Demarkationslinie seit dem 18. Oktober verschärfte. Dies passierte, nachdem die zweite Etappe des Waffenabzugs begonnen hatte. Nach seinen Angaben stellte das GZKK 26 Verstöße gegen die Waffenruhe fest. Dabei wurden die ATO-Kräfte 361 mal mit dem Ziel beschossen, damit die ukrainischen Streitkräfte das Feuer erwidern (Nachricht auf Englisch).

Militärexperten meinen, dass der Konflikt in Donbass eingefroren werden kann. Die ukrainischen Streitkräften werden an der Frontlinie ständig zum Gegenfeuer provoziert. Falls es den Rebellen gelingt, werden sie versuchen, Kiew eigene Bedingungen zu diktieren. Nach Meinung des ukrainischen Verteidigungsministers, Poltorak, kann man noch nicht über „einen eingefroren Konflikt“ sprechen. Der ehemalige Chef des Generalstabs bei den ukrainischen Streitkräften, Ihor Romanenko, meint, dass die pro-russischen Rebellen die Situation weiter angespannt halten werden, um politische Ziele zu erreichen. Aber derzeit kann man keine Offensive erwarten.

Die Hauptaufklärungsverwaltung teilte mit, dass die Rebellen ihre vorderen Stellungen (Checkpoints) in Richtung von Slowjansk verstärken. Dabei tarnen sie die Militärtechnik und verstoßen damit gegen die Minsker Vereinbarungen.

Krim

Am Freitag organisierten die Vertreter der Madschlis zusammen mit Vertretern von Krimtatarischen Organisationen eine Mahnwache unter dem Motto „Halbinsel der Angst“ vor der russischen Botschaft in Kiew. Die Organisatoren erklärten, dass sich die Aktion „gegen die Repressionen russischer Behörden auf der Krim in Bezug auf die Krimtataren und ukrainische Bürger“ richtet. Mehrere Teilnehmer der Aktion bildeten eine Menschenkette aus Nationalsymbolen. Die Demonstranten und der Vorsitzende der Madschlis, Refat Tschubarow, forderten die UNO auf, eine internationale UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim zu gründen. Nach Meinung von Tschubarow wäre dies ein erster Schritt zur Deokkupation der Krim.

Es sei daran erinnert, dass die Okkupationsbehörden am 2. November Mitarbeiter des Fernsehsender ATR der Krimtataren durchsuchten. Das ukrainische Außenministerium betonte, dass diese Aktion eine Repression sei und ein Verstoß gegen die Menschenrechte und die Pressefreiheit (Artikel auf Englisch).

Am 7. November fand in Sewastopol ein Marsch zum Gedenken an die Sowjetparade von 1941 auf dem Roten Platz statt. Die Teilnehmer der Aktion trugen Transparente der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, sowie Leninportraits und andere Sowjetsymbole. Eine ähnliche Parade fand auch in Moskau statt.

Umfrage

Das Institut für Weltpolitik veröffentlichte am 4. November die Ergebnisse einer Umfrage, wie die Bürger aus 8 EU-Mitgliedsstaaten den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland sehen. Die Umfrage wurde in Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien, Polen, Schweden und den Niederlanden durchgeführt. Die Zahlen sind aufschlussreich: von allen EU-Mitgliedsstaaten, die durch die Umfrage erfasst wurden, sind die Niederländer am skeptischsten gegenüber der Ukraine eingestellt. Die Top-3-Assoziationen der Holländer mit der Ukraine sind: Konflikt/Krieg (34 Prozent), der Flug von MH17, der von Amsterdam startete (33 Prozent), und Russland (23 Prozent). Fast die Hälfte der Repräsentanten (47 Prozent) konnte keine Antwort auf die Frage geben, weshalb die Ukraine in der EU sein sollte. Dies ist ein Rekord unter den 8 Kern-EU-Mitgliedsstaaten. Die Argumente gegen einen EU-Beitritt der Ukraine waren laut dem Institut für Weltpolitik: über ein Drittel der Holländer (35 Prozent) meint, die Ukraine muss zuerst die Korruption überwinden; 27 Prozent sind davon überzeugt, dass ein Beitritt der Ukraine für die EU eine wirtschaftliche Belastung wäre, und 22 Prozent meinen, dass die Ukraine ihre Loyalität gegenüber den europäischen Werten erst noch beweisen muss. Nur ein Prozent der Niederländer meint, dass der Krieg mit Russland die Beitrittsperspektive der Ukraine zur EU stört. Das gesamte Umfrageergebnis auf Englisch.

Reformen

In dieser Woche wurde die Abstimmung der Werchowna Rada zu mehreren Gesetzentwürfen für das sogenannte „Visafreie Paket“ ein Fiasko. Von 13 Gesetzentwürfen, die die Frage der Korruptionsbekämpfung regeln sollte, sowie die Reform des Arbeitsrechts und die Frage zur Arbeitsmigration, beschloss das Parlament nur einzelne Dokumente. Unter anderem durchliefen die Entwürfe des Arbeitsgesetzbuchs und zwei Gesetze, die die illegale Migration betreffen, die erste Lesung. Das Paket zur Antikorruptionsgesetzgebung (Gründung einer Nationalagentur zur Konfiszierung und Verwaltung von Aktiva, sowie der Einführung eines Instituts zur Sonderkonfiszierung), das im Fall einer Beschließung eine reale Gefahr des Wohlstands mancher Beamter darstellt, wurde vom Parlament nicht unterstützt. Außerdem versuchten die Parlamentsabgeordneten, die Entwürfe der genannten Gesetze trotz der Position der EU zu ändern.

Am 10. November wird das ukrainische Außenministerium in Brüssel über den Fortschritt bei der Erfüllung der Anforderungen zum Erhalt der Visafreiheit mit der EU berichten. Daher hat das Parlament noch etwas Zeit, seine Fehler zu korrigieren und die notwendigen Gesetze zu beschließen.

Nationale Polizei. Die Reform der Rechtsschutzorgane soll beschleunigt werden. Die nationale Polizei bekam eine neue Chefin: Khatia Dekanoidze, eine der Ideengeber der Reform beim Innenministerium. Sie verfügt über praktische Erfahrung bei der Durchführung von Reformen der Rechtsschutzorgane in Georgien, sowie im Bildungsbereich.

Ab 7. November stellte die Miliz de jure ihre Funktionen ein, die die neue Polizei übernehmen soll. Die Aufgabe der Chefin der Nationalen Polizei ist, einen effektiven und schnellen Transformationsprozess zu gewährleisten. Zu diesem Zweck werden auf Basis der Territorialorgane der ukrainischen Nationalen Polizei besondere Qualifikationskommissionen gegründet, die Personalausschreibungen für die Polizei durchführen werden. Dieser Prozess beginnt in Kiew und im Kiewer Gebiet. Die Bewerbung läuft in mehreren Etappen. Unter anderem wird die Auswahl für führende Ämter in Form einer besonderen Prüfung durchgeführt, sowie einem Einstellungsgespräch, einer Befragung mittels Lügendetektor, einer Prüfung zur Beachtung der Berufsethik und zur Loyalität. Kandidaten ranghoher Ämter müssen eine Berufsprüfung und ein Einstellungsgespräch durchlaufen.

Weiter waren folgende Reformen wichtige Themen: makrofinanzielle Stabilisierung, Reform des Gesundheitswesens, Personalerneuerung, Deregulierung. Hier finden Sie eine Zusammenfassung auf Deutsch zu den genannten Reformthemen.

Wirtschaft

Laut der vom Legatum Institut veröffentlichten Untersuchung befindet sich die Ukraine auf dem 70. Platz des Legatum Prosperity Index. Im vergangenen Jahr verlor die Ukraine damit 7 Plätze. Das beste Ergebnis erhielt die Ukraine im Bildungsbereich (37. Platz) und das schlechteste in der Geschäftsführung (127. Platz). (Studie auf Englisch).

Die Ukraine kam im Vermarktungsjahr 2015/2016 mit 36 Mio. Tonnen unter die Top-3 der Weltgetreideexporteure. Dies berichtete der Minister für Landwirtschaftspolitik in der Ukraine, Oleksij Pawlenko.

Im Januar-Oktober 2015 entfielen 39 Prozent am Gesamtvolumen des von der Ukraine importierten Erdgases auf Russland; 61 Prozent kamen aus Europa. Dies teilte die Pressestelle von „Ukrtransgaz“ mit. Laut diesen Angaben importierte die Ukraine in den ersten zehn Monaten dieses Jahres insgesamt 14,8 Mrd. Kubikmeter Gas.

Die NBU wiederrief für 62 von 180 Gewerbebanken in der Ukraine die Lizenz. Darüber berichtete die ukrainische Finanzministerin, Natalija Jaresko. Nach ihrer Meinung braucht die ukrainische Wirtschaft zuverlässige Banken. Aus diesem Grund wurden die Lizenzen von „gefährlichen Bankinstitutionen“ wiederrufen.

Die Ukraine in der Welt: Mahnmal für die Opfern des Holodomor in Washington

Am 7. November wurde in Washington ein Mahnmal für die Opfer des Holodomor von 1932-1933 eingeweiht. An diesem Tag kamen Tausende Ukrainer aus den USA und Kanada zum Zentralbahnhof, wo dieses Mahnmal feierlich eingeweiht wurde. Ehrengast war die Gattin des ukrainischen Präsidenten, Maryna Poroschenko, die eine Video-Botschaft von Petro Poroschenko überbrachte (auf Englisch).

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Ein Tag im Rollstuhl: soziales Experiment in Kiew“ – Reportage von Hromadske International.

Die Krimblockade zeigt das Misstrauen gegenüber der Regierung“ – Reportage von KyivPost.

„Die alte Miliz wird in der Ukraine vollständig durch die neue Polizei ersetzt“ – Reportage von KyivPost.

Die Lage in der ATO-Zone verschärft sich, nachdem Russland 44 humanitäre Konvois schickte“ – Reportage von KyivPost.

„Wie ukrainische Abgeordnete Gesetzte verabschiedeten, die für Visafreiheit notwendig sind“ – Reportage von Ukraine Today.

Interviews

In Kiew wird eine LGBT-Ausstellung eröffnet“ – Interview mit dem Künstler Carlos Motta.

Der Kampf für Menschenrechte ist in der Osteuropa am strengsten“ – Interview mit Außenminister von Lettland, avec Edgars Rinkēvičs.

Wie kann man die Macht der Oligarchen in Osteuropa brechen?“ – Interview mit Expertin aus Chatham House (London), Orysja Luzewytsch.

Warum ist die Ukraine-Krise von globaler Bedeutung“ – Interview mit Balázs Jarábik, Carnegie Endowment for International Peace.

Die Erfahrung des russisch-ukrainischen Kriegs“ – Interview mit dem Präsidenten von Estland, Toomas Hendrik Ilves.

Analyse

2. bis 8. November 2015: Was deutschsprachige Medien zur Ukraine berichteten und was davon bei Facebook diskutiert wurde (auf Deutsch).

Wöchentliche Zusammenfassung von StopFake. Die Zusammenfassung dieser Woche beinhaltet einen falschen Bericht über den US-Staatssekretär in Bezug auf eine „Niederlage“ in der Ukraine, einem ukrainischen Parlamentsvorschlag mit einer harten Gefängnisstrafe für Kritik und ein falsches Foto über die Durchsuchung der ukrainischen Bibliothek in Moskau. In einem echten Nachrichtenbeitrag wird StopFake in einem Kommentar vor den US-Senatsmitgliedern des Ausschusses für ausländische Angelegenheiten als Beispiel für eine starke zivilgesellschaftliche Initiative als Maßnahme gegen russische Propaganda aufgeführt.

Zwischen Homophobie und europäischer Integration“ – Analyse von KyivPost.

Homophobie herrscht: das ukrainische Parlament lehnte notwendige Antidiskriminierungsgesetze ab. Die Werchowna Rada unterstützte wesentliche Änderung im Arbeitsgesetzbuch nicht, die eine Diskriminierung von sexuellen Minderheiten verbieten. Das ist eine entscheidende Voraussetzung der EU, um auf die Visumpflicht zu verzichten. Aber diese Forderung reichte nicht aus, um den Widerstand der Abgeordneten zu brechen.

Die Ukraine läuft Gefahr, ein “Failed State” zu werden“: Analyse von Bloomberg.

„Wieder nicht auf den Europäischen Zug gekommen“: Analyse des Fonds „Demokratische Initiative namens I. Kutscheriw“. Übersicht der politischen Ereignisse der vergangenen Woche. Die Ereignisse der vergangenen Woche hatten gute Chancen, zu den letzten und erfolgreichen Schritten in Richtung des Beginns von Vorbereitungen der Europäischen Union zu werden, um der Ukraine eine positive Entscheidung für die Visafreiheit zu gewähren. Allerdings wurden mehrere wichtige Gesetzesvorschläge nicht durch das ukrainische Parlament in der Form genehmigt, wie sie für die Visafreiheit mit der EU benötigt werden. Was steht hinter dieser Politik?

Die Übersicht der Desinformation des Kremls: EU Task Force (StratCom East).

Pressekonferenzen in UCMC (auf Deutsch)

Die Welt braucht ein neues globales Sicherheitssystem. Die Einwilligung der Ukraine, ihre Nuklearwaffen abzugeben, half nicht dabei, die Welt sicherer zu machen. Die Geschichte der nuklearen Abrüstung in der Ukraine wurde zu einem anschaulichen Beweis dafür, dass in der heutigen Welt Abkommen nicht gelten und das globale Sicherheitssystem praktisch nicht funktioniert. Zu dieser Schlussfolgerung kamen die Teilnehmer der Diskussion zum Thema „Wurde die Welt sicherer, nachdem die Ukraine nuklear abrüstete? 21 Jahre nach dem Beitritt der Ukraine zum Atomwaffensperrvertrag“ im Ukrainischen Crisis Media Center.

Arbeitsplätze sind die beste Möglichkeit, Binnenflüchtlinge zu integrieren – Direktorin des Arbeitsamts im Gebiet von Donezk. Bisher wurden im Gebiet von Luhansk 232.500 Binnenflüchtlinge registriert, und im Gebiet von Donezk 595.000. Diese Statistik stellten die stellvertretende Chefin der Kriegszivilverwaltung im Gebiet von Luhansk, Olga Lischik, und die Direktorin des Arbeitsamts im Gebiet von Donezk, Valentina Rybalko, während einer Skype-Schaltung im Ukrainischen Crisis Media Center im Rahmen des Pilotprojekts „Sprecher für ein friedliches Leben“ vor.

Das Projekt „Frag eine Frau“ dient dazu, eine Genderquote in Behörden und Medien zu gewährleisten. Im September startete das Projekt „Frag eine Frau“ – eine Initiative, um weibliche Experten in einer Datenbank zu sammeln. Das Projekt, das im Rahmen dieser Initiative geschaffen wurde, richtet sich auf die Verbesserung des politischen Niveaus unter Beteiligung von Frauen und deren Sicht, sowohl im medialen Umfeld, als auch dort, wo wichtige politische Entscheidungen getroffen werden.

Viele Wohnhäuser und Sozialobjekte sind auf der Krim bis jetzt ohne Heizung. Die Heizsaison, die de facto laut der russischen Gesetzgebung auf der Halbinsel gilt, sollte bereits am 15. Oktober beginnen, aber bis heute sind viele Wohnhäuser und Sozialobjekte ohne Heizung.