Die Venedig-Kommission erkannte das Recht der Ukraine an, eine Dekommunisierung durchzuführen und Propaganda für totalitäre Regime unter Strafe zu stellen – Experten und Politiker

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Kiew, 21. Dezember 2015 – Die Venedig-Kommission erkannte das Recht der Ukraine an, die Nutzung konkreter Symbole und Propaganda für totalitäre Regime zu verbieten oder unter Strafe zu stellen. Die Kommission veröffentlichte diese Einschätzung zur Analyse eines der vier Dekommunisierungsgesetze – dem Gesetz „Über die Verurteilung kommunistischer und Nationalsozialistischer (nazistischer) totalitärer Regime in der Ukraine und das Verbot von Propagierung derer Symbole“. In dem Dokument geht es unter anderem auch über die Notwendigkeit, den Begriff „Propaganda“ zu präzisieren und die Strafzeit bei Vergehen zu revidieren, die für eine Negierung des Dekommunisierungsprozesses verhängt werden kann.

„Wir werden die Empfehlungen unserer Kollegen berücksichtigen und sind bereit, diese Aspekte sorgfältig einzuarbeiten“, berichtete Wolodymyr Wjatrowitsch, der Vorsitzende des ukrainischen Instituts für Nationalandenken, während einer Pressekonferenz im Ukrainischen Crisis Media Center.

Nach Meinung der Kommission kann eine unklare Definition des Begriffs „Propaganda“ die Meinungsfreiheit und den freien akademischen Diskurs bedrohen. Allerdings sind die Experten davon überzeugt, dass das Gesetz im Gegenteil dazu dient, Regimes zu verurteilen, die faktisch gegen die Menschenrechte verstoßen.

Was die harten Strafmaßnahmen betrifft, so die Meinung von Wolodymyr Wjatrowitsch, hängen sie von zwei Aspekten ab. Zum einen werden sie gegen aktive Kräfte angewandt, die kommunistische Symbole gegen den ukrainischen Staat anwenden. Zum anderen nutzten die Autoren des Gesetzes die Erfahrungen von Deutschland bei der Entnazifizierung: dort machte die Staatsführung erst nach sieben Jahren nach der Entnazifierung Zugeständnisse und verringerte die Strafzeiten.

Igor Roskladaj, Jurist am Institut für Medienrecht und Experte des Reanimationspakets für Reformen, merkte an, dass es vielleicht richtig und sinnvoll ist, die Strafmaßnahmen für die Negierung von Verbrechen des kommunistischen Regimes und für die einmalige Nutzung entsprechender Symbole zu diversifizieren.

Nach Meinung des ersten stellvertretenden Vorsitzenden der Werchowna Rada, Andrij Parubij, erlitt kein anderer Staat auf der Welt so hohe Verluste durch das kommunistische Regime wie die Ukraine.

„Daher appellieren wir heute an Europa, einen vergleichbaren Prozess wie in Nürnberg zur NSDAP für die Kommunistischen Partei durchzuführen“, erklärte Andrij Parubij.

Er betonte auch, dass die Ukraine immer zu allen Präzisierungen und Erörterungen bereit ist, um mit europäischen Experten völlig offen zu diskutieren.

Hanna Hopko, ukrainische Parlamentsabgeordnete und Vorsitzende des Komitees für ausländische Angelegenheiten bei der Werchowna Rada, die an dem Gesetz mitarbeitete, ergänzte, dass die internationale Gemeinschaft das Ausmaß dieser Tragödie kaum versteht, die es in der Ukraine durch das kommunistische Regime gab. Sie merkte an, dass es heute wichtig ist, internationalen Partnern die Besonderheit des Dekommunisierungsprozesses in der Ukraine zu erklären.

In diesem Zusammenhang betonte Igor Roskladaj, dass die Hauptaufgabe darin besteht, zu erklären, dass Verbrechen bestraft werden müssen: „Ungesühnte Verbrechen führen nur zu noch größeren Verbrechen.“

Bei der Pressekonferenz war auch der ukrainische Justizminister Pawel Petrenko anwesend und berichtete, dass ein Gericht am 16. Dezember den Antrag des Ministeriums zum Verbot der Kommunistischen Partei der Ukraine (KPU) vollständig befriedigte. Nach seiner Meinung war dies der logische Abschluss des Dekommunisierungsprozesses, der vor fast zwei Jahren mit einer entsprechenden Entscheidung der Werchowna Rada begann. Die Ergebnisse der Wahlen, sowohl der nationalen, als auch der lokalen, bestätigten seitens der Bevölkerung, dass der eingeschlagene Weg richtig ist.

Nach Meinung von Wolodymyr Wjatrowitsch war die KPU inhaltlich keine kommunistische Partei, sondern nahm faktisch nur illegitim eine Nische im linken Parteienspektrum ein. Heute kann dieser Platz von einer echten „linken“ Partei eingenommen werden, die versuchen kann, einen Teil der Ukrainer für ihre Positionen zu gewinnen.