Rede von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier bei Pressekonferenz in Kiew

Ja, vielen Dank, lieber Pawlo, vielen Dank, dass wir gemeinsam hier sein dürfen.

Das hat ja schon eine gewisse Tradition, dass ein französischer Außenminister und ein deutscher Außenminister hier in Kiew sind. Und ich erinnere mich an die Zeit, ziemlich genau vor 2 Jahren, in einer dramatischen Situation, als wir gemeinsam mit dem polnischen Außenminister hier waren und es waren die Tage und die Nächte, an denen auf dem Maidan viele Menschen gestorben sind. Und dem letzten Tag vor dem Beginn der Verhandlungen damals, mehr als 70, wenn ich mich recht erinnere und ich glaube sie haben in diesen 2 Jahren, die jetzt folgten gesehen, dass Deutschland und Frankreich, beide bemüht sind, die Ukraine auf ihren Weg zu unterstützen.

Wir sind hier zu einer Zeit, in der die politische Großwetterlage innerhalb der Ukraine gerade mal wieder stürmisch ist. Es geht windig zu in Kiew, auch wenn das Frühlingswetter etwas anderes zeigt an diesem heutigen Tage. Jedenfalls sind wir dankbar, gerade nach der letzten Woche, vollen von innenpolitischen Turbulenzen, dass wir heute und gestern hier sein konnten und eine ganze Reihe von politischen Gesprächen führen konnten. Dazu das Gespräch natürlich mit dem Präsidenten, mit dem Ministerpräsidenten, gestern Abend mit drei Ministern, mit Frau Jaresko, Herrn Pawlenko und Herrn Piwowarskij. Das sind wichtige Eindrücke, die wir von hier aus mitnehmen und wir nehmen wahr, so Marc Ayrault und ich, wir nehmen wahr, dass es ein Ringen gibt um den richtigen politischen Kurs hier in der Ukraine. Und natürlich verfolgen wir dieses Ringen mit Aufmerksamkeit, aber wie andere in Europa auch mit einiger Sorge, weil wir natürlich wissen, dass dieses Land nach wie vor vor großen Herausforderungen steht. Und ich will vorab sagen, dass wir das, was an Reformen auf den Weg gebracht worden ist in den letzten Monaten und auch noch in der letzten Woche, in der es diese politischen Turbulenzen gab, dass wir dieses mit Respekt verfolgen.

Aber Sie wissen hier in der Ukraine auch, wie immer Ringen um den richtigen politischen Kurs ausgeht. Das hat Folgen nicht nur intern für die Ukraine, sondern das strahlt aus auf die Nachbarschaft und deshalb darf es Sie nicht überraschen, dass Europa in diesen Tagen mit besonderen Aufmerksamkeit hierher schaut.

Und warum schaut Europa hierher, weil wir alle der Meinung sind, dass die Reformbemühungen jetzt nicht erlahmen dürfen und dass die Reformen nicht auf halber Strecke zum Stillstand kommen dürfen.

Ich glaube, und das war auch meine Botschaft, die sich gestern in den Gesprächen ergeben hat, das würde nicht nur die politische Stabilität und den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reformprozess berührend, sondern das macht auch die anstehenden politischen Lösungen in der Ostukraine noch schwieriger.

Wir haben gestern Gespräche mit Regierungsvertreter und dem Präsidenten geführt. Wir werden heute nach dieser Pressekonferenz Gelegenheit haben, mit dem Präsidenten des Parlaments, mit den wichtigen Vorsitzenden der parlamentarischen Gruppierungen sprechen. Und sie alle tragen Verantwortung dafür, dass es hier in der Ukraine weiter geht, dass der Reformprozess weiter geführt werden kann.

Für Deutschland und Frankreich dürfen wir sagen, wir wünschen uns eine freie und unabhängige, eine stabile und auch wirtschaftlich prosperierende demokratische Ukraine und dafür werden wir weiterhin mit Unterstützung auch zur Verfügung stehen. Und wir erwarten im Gegenzug das klare Bekenntnis jedenfalls der maßgeblichen politischen Kräfte hier im Land den Reformkurs weiter fortzusetzen und ihn nicht aufzugeben wegen einiger politischer Grabenkämpfe, die es ganz offenbar gibt.

Es gibt keine Zeit zu verlieren, das ist unsere wesentliche Botschaft, gerade mit Blick auf die anstehende Beratungen beim Internationalen Währungsfond. Die Wirtschaftsreformen müssen vorangetrieben werden auf Grundlage der ja vereinbarten Verabredungen mit dem IWF.

Und es muss eine Politik geben, die getrieben ist von dem Grundsatz null Toleranz für Korruption, diese muss entschieden bekämpft werden.

Deshalb hoffe ich, dass wie immer das Ringen um den richtigen Kurs hier ausgeht, dass diese die Grundsätze sind, die weiterhin Beachtung finden in der ukrainischen Politik.

Unser Kollege, Pawlo Klimkin, hat eben über die anstehenden Bemühungen bei der Implementation des Minsk Prozesses weiter zu kommen gesprochen. Ich glaube auch da stehen wir, vor entscheidenden Schritten.

Wir werden uns am 3. März, so Marc Ayrault hat uns eingeladen nach Paris, wir werden uns am 3. März in Paris treffen. Und nicht nur die drei Außenminister, sondern die Menschen in der Ukraine, auch die in Europa und die Welt wartet darauf, dass es Forschritte geben wird. Forschritte im Bereich der Sicherheit. Wir können nicht hinnehmen, dass der vereinbarte Waffenstillstand immer wieder gebrochen wird. Und wir können es auch nicht bei dem Zustand belassen, dass wir über anstehende Umsetzungsschritte, wie etwa die Verabredung eines Wahlgesetzes für Lokalwahlen in der Ostukraine, dass wir darüber weiter reden, sondern wir müssen tatsächlich das Zusammentreffen in Paris dafür nutzen, zu den notwendigen Kompromissen zu kommen, um die Gräben dieser unterschiedlichen Positionen, was das Wahlgesetz angeht, diese Gräben zu überbrücken.

Wir haben uns am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz dazu kurz auch mit dem russischen Außenminister gesprochen. Wir haben dieselbe Botschaften auch an Russland gegeben. Und ich hoffe dass wir die jetzt noch wenigen Tage, die wir haben bis zum 3. März, dass wir sie so nutzen können, dass es dann bei dem Zusammentreffen in Paris zu Fortschritten kommt. Wir brauchen diese Forschritte für die Menschen in der Ukraine, aber wir brauchen diese Fortschritte auch zur Glaubwürdigkeit des Minsk-Prozesses selbst. Vielen Dank!

Michael Tuman, Die Zeit: Meine erste Frage geht an Minister Steinmeier. Wir haben es ja auch zu tun mit einer Vertrauenskrise in den Eliten, einer Vertrauenskrise auch zwischen dem Präsident und Ministerpräsident. Was haben Sie mitgebracht aus den Gesprächen mit beiden. Was lässt sich konkret hoffen, dass es in den nächsten Monaten, in den 6 Monaten mit Ministerpräsident Jazenjuk noch zu Reformen kommen kann. Und eine zweite Frage an Außenminister Klimkin. Die Regierung hat in dieser Zeit keine Mehrheit und es gehen Spekulationen darüber, wer die Regierung verstärken kann, darunter auch nationalistische Gruppen, wie die von Ljaschko. Was lässt Sie unter diesen Bedingung annehmen, dass Sie in Fragen des Minsker Abkommens nötige Gesetzesänderung auf den Weg bringen können und in wie weit können Sie da in dieser Lage überhaupt etwas versprechen, wenn Sie wo möglich Verstärkung von nationalistischer Seite noch?

Frank-Walter Steimeier: Lieber Pawlo, ich habe da sagen, ich habe in den Gesprächen in großer Offenheit darauf hingewiesen, dass die Turbulenzen in der letzten Wochen hier in Kiew Rückwirkungen gehabt haben, auf die Wahrnehmung im Rest Europas. Und die Rückwirkungen gibt es auch, obwohl der Rücktritt des Ministerpräsidenten und der Regierung am Ende nicht stattgefunden hat oder abgewendet worden ist, insofern, erwarten wir jetzt Signale der Stabilisierung, auch des Reformwillens innerhalb der Ukraine. Wenn ich von Rückwirkungen sprach, glaube ich, sind die nicht beschränkt auf das Ausland. Wenn ich die Gespräche richtig wahrgenommen habe gestern, dann sind solche Rückwirkungen auch sichtbar hier im innenpolitischen Verhältnis. Ich glaube, viele haben gespürt, dass die irritierenden Signale, die in die Welt gegeben werden müssen, korrigiert werden müssen und das heißt auch, dass es nicht um persönliche Befindlichkeiten oder Konkurrenzen gehen kann, sondern, dass die gewählten Mitglieder von Regierung und ein gewählter Präsident miteinander so umgehen müssen, dass der Reformweg innerhalb der Ukraine fortgesetzt werden kann. Ich hoffe auch, dass das im Parlament bei den Gesprächen, die wir jetzt vor uns haben, in ähnlicher Weise gesehen wird. Denn wenn ich es recht sehe, dann hat die Regierung auch in den letzten Monaten noch eine Reihe von Reformgesetzen verabschiedet, die jetzt der Abstimmung im Parlament nach bevorsteht. Ja, Minsk hat eine sehr klare Roadmap entworfen, die Formulierung und Sequenz in der wir an die Umsetzungsschritte gehen, eigentlich nichts offen lässt.