Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 8. bis 14. März 2016

Lage in der Zone der Antiterroroperation (ATO-Zone)

Die illegalen Militärverbände verstoßen im Donbass gegen die Minsker Vereinbarungen, indem sie schwere Waffen gegen die ukrainischen Streitkräfte einsetzen. Die ukrainische Seite des Gemeinsamen Zentrums zur Koordinierung und Kontrolle der Waffenruhe stellte vom 4. bis 12. März fest, dass Söldner 189 Mal (1.260 Granaten und Minen) schwere Waffen gegen die ukrainischen Truppen einsetzten. Am häufigsten wurden die ukrainischen Streitkräfte bei Awdijiwka beschossen. Sie setzten weiter schwere Waffen bei Krasnohoriwka, Marijinka, Pisky, Newelske, Luhanske, Saizewe und Schyrokine ein. (Nachricht auf Englisch).

Gestern wurden die ukrainischen Checkpoints am Donezker Frontabschnitt beschossen, insbesondere bei den Siedlungen Awdijiwka und Saizewe (mit 120 Millimeter Kaliber Mörsern), Troizke, Marijinka und Majorske (mit schweren Maschinengewehren) (Bericht über die Situation in der ATO-Zone vom 13. März auf Englisch).

In der vergangenen Woche wurden ukrainische Checkpoints 383 mal beschossen. Infolge der Kampfhandlungen wurden in der ATO-Zone 4 ukrainische Soldaten getötet und 21 weitere verletzt.

Das ukrainische Außenministerium ist über die Verschärfung der Sicherheitslage in den von der Ukraine nicht kontrollierten Teilen der Gebiete von Donezk und Luhansk tief besorgt. Das Ministerium ist überzeugt, dass die von Russland unterstützen Militärverbände weitere Gebiete (vor allem in der grauen Zone) besetzen möchten. Die ukrainische Seite verwies darauf, dass die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) immer noch keinen vollen Zugang zu den von der Ukraine nicht kontrollierten Grenzabschnitten mit Russland hat (Erklärung des Ministeriums).

Russland hat neuste Waffensysteme, die ausschließlich von der russischen Armee eingesetzt werden, nach Horliwka verlegt. Laut den Angaben der ukrainischen Militäraufklärung obliegt die Kommandoführung und Organisation des 1. und 2. Armeekorpses in den besetzten Gebieten ausschließlich militärischem Führungspersonal der russischen Streitkräfte. So wird der erste Armeekorps von General-Major Walerij Asapov, dem Kommandeur des 68. Armeekorpses des östlichen Militärbezirks der russischen Streitkräfte geführt, während das zweite Armeekorps General-Major  Ewgenij Nikiforow anführt, der seines Zeichens der stellvertretende Kommandeur der 58. Armee des südlichen Militärbezirks der russischen Streitkräfte ist (Pressemitteilung auf Deutsch).

Politische Häftlinge aus der Ukraine in Russland. Der Fall Sawtschenko

Dass die ukrainische Pilotin und Parlamentsabgeordnete Nadija Sawtschenko immer noch in russischer Haft sitzt, ist ein Verstoß gegen die Minsker Vereinbarungen. Sawtschenko wird bereits seit 600 Tagen illegal festgehalten. Dies steht in einer Erklärung der ständigen UN-Botschafterin der USA, Samantha Power. „Wenn Russland Sawtschenko weiterhin festhält, zeigt das Land damit eine empörende Nichtbeachtung seiner Verpflichtungen gegenüber den Minsker Vereinbarungen. Sawtschenko und alle Ukrainer, die von den Separatisten und Russland illegal festgehalten werden, müssen entlassen werden“, erklärte Samantha Power.

Am 10. März beendete Nadija Sawtschenko ihren trockenen Hungerstreik, den sie am 3. März aus Protest gegen ihre illegale Inhaftierung in Russland begann (Reportage von KyivPost). Aber sie wird ihren Hungerstreik fortsetzen und die Nahrungsaufnahme verweigern. Sawtschenko weigert sich, sich von russischen Ärzten untersuchen zu lassen; der Gefängnisarzt misst ihr zweimal täglich die Temperatur und den Blutdruck. Die Ukraine bestand darauf, dass sie von ukrainischen Ärzten untersucht wird. Dabei ist anzumerken, dass eine ukrainische Ärztekommission von den russischen Behörden keine Erlaubnis erhielt, Nadija Sawtschenko zu besuchen und zu untersuchen (Meldung in Englisch).

Das ukrainische Justizministerium wandte sich mit einer Anfrage an Russland, die Inhaftierten Oleg Senzow, Jurij Soloschenko, Olexander Koltschenko und Hennadij Afanasiew an die Ukraine auszuliefern. Sie wurden von Russland illegal verurteilt. Die Ukraine erwartet, dass sich Russland an die Konvention über die Auslieferung von verurteilten Personen hält. Das russische Justizministerium will diese Anfrage innerhalb der nächsten 30 Tage betrachten. Eine endgültige Entscheidung über die Auslieferung wird per Gericht getroffen (Meldung in Englisch).

Nach Meinung des Botschafters für besondere Angelegenheiten beim ukrainischen Außenministerium, Dmitrij Kuleba, wird auf Russland systematisch Druck ausgeübt. Diese Methode wird während aller Verhandlungsprozesse angewandt, wodurch Sawtschenko und andere ukrainische Gefangene freibekommen werden sollen.

Menschenrechtsverstöße

Ukrainische Staatsbürger reichten über 700 Klagen in Bezug auf den Schutz ihrer Rechte aufgrund der Kampfhandlungen im Donbass ein, sowie aufgrund der Annexion der Krim durch Russland. Dies teilte der Berater des ukrainischen Innenministers, Iwan Wartschenko, mit. (Meldung in Englisch).

Der Vorsitzende der Medschilis der Krimtataren, Refat Tschubarow, erklärte, dass auf der Krim die Repressalien gegen die Krimtataren andauern, da sie die Okkupationsbehörden nicht unterstützen. Aber die Weltgemeinschaft kann sie nicht vor solchen Repressalien schützen.

Politische Krise

Der ukrainische Ministerpräsident, Arsenij Jazenjuk, schlug drei Möglichkeiten vor, die Regierungskrise zu lösen. Die erste Variante beinhaltet, die Tätigkeit der Koalition zu erneuern, das Ministerkabinett umzubilden und weiter Reformen durchzuführen; die zweite Variante geht darüber, dass wenn der ukrainische Präsident und seine Fraktion (Block Petro Poroschenko) die Verantwortung über die Zusammenstellung eines neuen Ministerkabinetts übernimmt, dass dann den Ukrainern ein neues Programm und eine neue Koalition vorgestellt wird. Die dritte Variante besteht aus vorgezogenen Neuwahlen. (Meldung in Englisch).

Nach seinen Angaben wurde die politische Krise in der Ukraine künstlich geschaffen und eine Lösung soll nicht durch einen Personalwechsel erfolgen, sondern durch eine Konsolidierung der Kräfte und Stärkung des politischen Willens. Die internationalen Partner bleiben der Meinung, dass es in der Ukraine ein politisches Problem gibt, das sich im Fehlen der Verantwortung äußert. Nach Meinung des Ministerpräsidenten ist die ukrainische Bevölkerung mit der Regierung aufgrund der unpopulären Reformen unzufrieden.

Nach dieser Erklärung sagte der Fraktionschef des Blocks Petro Poroschenko, Jurij Luzenko, dass die Regierung den ukrainischen Präsidenten zu diskreditieren versucht und dafür verantwortlich machen will, dass keine Reformen durchgeführt werden.

Der Vorsitzende der Werchowna Rada, Wolodymyr Grojsman, teilte mit, dass nach dreiwöchentlicher Beratung unter Politikern verschiedener Niveaus kein Konsens erreicht wurde, wie eine Lösung der politischen Krise erreicht werden kann.

Die Koalition „Europäische Ukraine“ besteht derzeit aus 237 Parlamentsabgeordneten, sagte der Vorsitzende der Werchowna Rada, Wolodymyr Grojsman. Die Koalition verliert den Status der parlamentarischen Mehrheit, wenn sie aus weniger als 226 Abgeordneten besteht.

Ukrainische Medien besprechen mögliche Kandidaten für den Posten des Ministerpräsidenten: Analyse von KyivPost.

Korruptionsbekämpfung

Aktivisten deckten im Rahmen eines gemeinsamen ukrainisch-britischen Antikorruptionsprojekts in staatlichen Institutionen verschiedener Ebenen Missbräuche mit über 63 Millionen Hryvna auf. Die Untersuchung der Aktivisten fand in sieben Regionen der Ukraine statt und betraf Ausschreibungsverfahren und illegale Grundstücksvergaben. Im Rahmen des Projekts „Antikorruptionsportal der zivilen Untersuchung“ werden die Aktivisten auch Korruption auf niedrigeren staatlichen Niveaus prüfen, wo zirka 98 Prozent der Korruptionsfälle stattfinden.

Die Sonderantikkorruptionsstaatsanwaltschaft prüft zirka 20 Fälle, die mit Korruption im ukrainischen Ministerkabinett verbunden sind. Dies teilte der Chef der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft, Nasar Cholodnizkij, in einem Interview mit der Deutschen Welle mit (Interview auf Russisch).

Umfrage

Im vergangenen Jahr verringerte sich die Anzahl der Befürworter für die Idee der europäischen Integration unter den Ukrainern von 62,2 auf 55,2 Prozent. Dies zeigt die gesamtukrainische Umfrage, die vom Institut Gorschenin vom 8. bis 17. Februar 2016 durchgeführt wurde. Demnach nahm die Anzahl jener zu, die gegen die Integration sind – sowohl in die Europäische Union, als auch in die Zollunion mit Russland (von 14,2 auf 23,3 Prozent). Für eine Zusammenarbeit mit der Zollunion sind 12,7 Prozent. Nach Meinung der Experten des Instituts sagt diese Tendenz weniger etwas über eine Enttäuschung mit der Integrationsidee in die EU aus, sondern zeigt eher, dass die Ukrainer immer weniger an eine europäische Integrationsperspektive des Landes glauben.

Wirtschaft

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist mit dem Privatisierungsprozess in der Ukraine unzufrieden. Dies teilte der Direktor der EBRD für Osteuropa und den Kaukasus, Francis Malige, mit. Nach seinen Angaben wird in staatlichen Unternehmen die höchste Korruption beobachtet.

Die unabhängige Analysegruppe „VoxUkraine“ veröffentlichte zwei neue Untersuchungen: „Zwei Jahre nach dem Maidan. Was sich in der Ukraine wirklich änderte?“ Die Zeit von 2005 bis 2015 kann für die ukrainische Wirtschaft als verlorenes Jahrzehnt gesehen werden. In dieser Zeit änderte sich das BIP (in US-Dollar gemessen) praktisch nicht. In den vergangenen 2 Jahren ging das BIP in der Ukraine um 18 Prozent zurück, der Hryvna wertete um 66 Prozent ab und die Reallöhne der Bevölkerung hatten sich fast halbiert. Die strukturellen Probleme in der ukrainischen Wirtschaft sind hauptsächlich durch den übergroßen Anteil der Staatsausgaben gegenüber dem BIP (zirka 50 Prozent) verursacht, sowie der Budgetdisziplinlosigkeit der ukrainischen Regierungen. Seit 2008 stiegen die allgemeinen Staatsschulden der Ukraine in Hryvna gemessen um fast das 20-fache. Die derzeitige Leitung des Finanzministeriums führt unter der Kontrolle des IWF eine relativ harte Haushaltspolitik durch. Nach ihren Prognosen soll der Anteil der Staatsausgaben gegenüber dem BIP 2016 um fast 10 Prozentpunkte fallen – von 53 auf 43 Prozent.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Exklusive Reportage von Hromadske International über das Gerichtsverfahren der ukrainische Pilotin Nadija Sawtschenko, die illegal nach Russland entführt wurde. Interview mit ihrem Anwalt Illja Nowikow und der Abgeordneten des Europäischen Parlaments, Rebecca Harms.

Liste von Sawtschenko: Abgeordneten des Europäischen Parlaments fordern, personale Sanktionen gegen russische Politiker einzusetzen, die an der Entführung von Sawtschenko beteiligt waren: Reportage von Ukraine Today.

Diese Sanktionsliste kann in den USA für Sawtschenko vorbereitet werden: Reportage von Ukraine Today.

Die ehemalige US-Staatssekretärin Condoleezza Rice besuchte die Ukraine: Artikel von KyivPost.

Der ehemaliger US-Botschafter meint, dass die Finanzministerin Natalija Jaresko als Ministerpräsidentin ernennt werden kann – Artikel von Ukraine Today. Natalija Jaresko gab keine Kommentare dazu, weil das Gerüchte sind.

Die russische Online-Initiative „Last-200“ veröffentlichte eine Namenliste von 2.000 russischen Soldaten, die in der Ostukraine starben: Artikel von Ukraine Today.

Reportage von Hromadske International: Ein Jahr nach der tragischen Einkesselung der ukrainischen Truppen in Siedlung Debalzewe.

Interviews

Ergebnisse der ukrainischen Woche in Brüssel: Interview von Ukraine Today mit Jan Tombinski, EU-Botschafter in der Ukraine.

Die ukrainische Vize-Parlamentschefin, Oksana Syroid, besuchte während der ukrainischen Woche Brüssel. Welche Gesetze soll das Parlament verabschieden, um die Reformen zu beschleunigen. Interview von Ukraien Today.

Der ukrainische Künstler Roman Minin beschreibt das Leben in den vorübergehend besetzten Gebieten in der Ostukraine. Interview von Ukraine Today.

Analyse

Der Generalstaatsanwaltschaft blockiert die Arbeit des Nationalen Antikorruptionsbüros (NAB), weil sie dem NAB notwendige Untersuchungsmaterialien nicht übergibt. Analyse von Kyivpost.

Analyse von StopFake: in der vergangenen Woche verbreiteten russische Medien folgende Fakes: ukrainische Medien schweigen über Binnenflüchtlinge. Die Ukraine fordert von der Mongolei, die Mongolische Invasion in die Kiewer Rus (1240) zu entschädigen. Bulgarien gedachte dem Befreiungstag von dem Osmanischen Reich, dabei wurde der Präsident der Türkei, Recep Tayyip Erdoğan, anstatt des russischen Präsidenten Vladimir Putin eingeladen. Ukrainische Medien berichteten nicht über einen furchtbaren Autounfall, den es nie gab.

Pressemitteilungen von UCMC (auf Deutsch)

Stalins Donbass-Industrialisierung nur ein Mythos. Noch immer hält sich der sowjetische Mythos, wonach das ostukrainische Industrierevier Donbass erst unter Stalin aufgebaut wurde. Eine Ausstellung in Kiew zeigt nun, wer in Wirklichkeit dort zuerst investierte. Im Ukraine Crisis Media Center ist am Donnerstag (10.3.) die  Ausstellung “Ausländische Investitionen in der Ukraine – Die Entwicklung der östlichen Landesteile Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts” eröffnet worden. Mit der Ausstellung soll vor allem der Mythos zerstört werden, die Sowjetunion habe die Industrie in der ukrainischen Donbass-Region aufgebaut. Die heutigen ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Dnipropetrowsk entwickelten sich dank Investitionen aus Belgien, Frankreich, England, der Schweiz, den Niederlanden und Deutschland Ende des 19. Jahrhunderts. Das damals neue Industrierevier Donbass hätten in Wirklichkeit Europäer aufgebaut.

„Ich möchte, dass die Europäer den Maidan verstehen“, französischer Dokumentarfilmer. In der vergangenen Woche sind in Kiew die Filme „Ukrainische Tagebücher“ und „Sascha Ch. – Flügel auf dem Maidan“ des französischen Dokumentarfilmers Emmanuel Graff vorgestellt worden. Der erste Film berichtet über das Leben der Ukrainer in Frankreich und der Schweiz, darüber, wie sie die Ereignisse auf dem Maidan miterlebt haben, sowie über die wenig bekannte Geschichte ukrainischer Gefangener in Frankreich während des Zweiten Weltkrieges. Der zweite Film „Sascha Ch. – Flügel auf dem Maidan“ erzählt die persönliche Geschichte von Sascha Chrapatschenko, eines Helden der Himmlischen Hundertschaft, der am 20. Februar 2014 auf dem Maidan erschossen wurde.