Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 5. bis 11. April 2016

Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Checkpoints 501 Mal beschossen. Laut den Angaben der Sprecher der Präsidialverwaltung zu ATO-Fragen kamen in der Ostukraine drei ukrainische Soldaten ums Leben und 40 weitere wurden verletzt.

Am Wochenende wurden die ukrainischen Kräfte von den (pro-)russischen Militärverbänden häufiger unter Beschuss genommen. Dabei setzten die von Russland kontrollierten Militärverbände Panzer, Granatwerfer, schwere Waffen mit einem Kaliber von 120 und 82 Millimetern ein (Meldung auf Englisch). Die ukrainischen Vertreter des Gemeinsamen Zentrums zur Koordinierung und Kontrolle (GZKK) teilten mit, dass die ukrainischen Truppen bei der ukrainischen Siedlung Awdijiwka (Gebiet Donezk) am häufigsten beschossen wurden. Hier wurden die ukrainische Checkpoints 98 Mal (mit 584 Minen) im Laufe der Woche beschossen.

Gestern wurden die ukrainischen Checkpoints bei Opytne, Marijinka, Stanyzja Luhanske, Pawlopil, Saizewe, Nowotroizkem Pisky, Nowhorodske und Werchnjotorezke den ganzen Tag lang unter Beschuss genommen (Bericht über die Situation in der ATO-Zone am 10. April auf Englisch).

Der Chef der ukrainischen Special Monitoring Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), Ertuğrul Apakan, mahnte die beiden Konfliktparteien im Donbass an, die Waffenruhe zu halten (Meldung auf Englisch). Er sei wegen der Verstöße gegen die Waffenruhe besorgt. Beide Seiten hätten sich dazu verpflichtet, die Minsker Vereinbarungen einzuhalten.

Die OSZE-Beobachter wurden von den (pro-)russischen Militärverbänden während einer Streifenfahrt bei der von der Ukraine kontrollierten Siedlung Saizewe und bei der von (pro-)russischen Kräften besetzten Siedlung Snizhne beschossen (Bericht der OSZE-SMM auf Englisch). Außerdem drohten die bewaffneten Vertreter der Militärverbände der sogenannten „Luhansker Volksrepublik“ den OSZE-Beobachtern bei Smile (Gebiet Luhansk). Die ukrainischen Vertreter des GZKK wiesen darauf hin, dass die (pro-)russischen Militärverbände versuchen, die OSZE-Beobachter einzuschüchtern und sie nicht nach Awdijiwka zu lassen (Meldung auf Englisch).

Die Russische Föderation stellte der Führung der besetzten Gebiete in der Ostukraine 800 Millionen Rubel bereit. Dies teilte die Militäraufklärung des Verteidigungsministeriums der Ukraine mit. 775 Millionen Rubel wurden für Behörden und Militärverbände der sogenannten Volksrepubliken gewährt (Meldung auf Englisch).

Die ukrainische Militäraufklärung hat weitere Beweise dafür vorgelegt, dass Russland unmittelbar die (pro-)russischen Militärverbände im Donbass aufbaut, organisiert und steuert. Im Jahre 2014 oblag die Kommandoführung über die beiden gebildeten Armeekorps im Donbass (1. AK für das Gebiet Donezk, 2. AK für das Gebiet Luhansk) beim Oberbefehlshaber der 58. Armee des südrussischen Militärbezirks, Generalmajor Andrej Guruljow. Er leitete die Armeekorps über die 12. Kommandoführung der Reserve im südrussischen Militärbezirk. „Ein Gespräch zwischen Guruljow und Susko weist auf die direkte Beteiligung der russischen Militärführung bei der Organisation der sogenannten Wahlen in der sogenannten Donezker Volksrepublik (DVR) hin. Zur Abstimmung wurden Militärangehörige der russischen Streitkräfte und Söldner hinzugezogen, die aus Russland gekommen waren“. Der Mitschnitt wiederlegt die Erklärungen der russischen Führung, an den Vorgängen im Osten der Ukraine „nicht beteiligt” zu sein (Pressemitteilung auf Deutsch).

Unterhalb finden Sie eine tabellarische Auflistung mit den Verlusten von 26 Einheiten der russischen Armee, die aktiv im Donbass Kampfhandlungen geführt haben. Dabei handelt sich nur um Teilverluste, die dem SBU als gesicherte Informationen vorliegen.

Menschenrechte

Am 6. April hat die ukrainische Kampfpilotin und Abgeordnete des Parlaments, Nadija Sawtschenko, die rechtswidrig in Russland inhaftiert ist, erklärt, in einen trockenen Hungerstreik zu treten. Das Urteil gegen sie trat am 5. April in Kraft. Die Russische Föderation sei bereit, Nadija Sawtschenko auszutauschen, wenn die Ukraine das Urteil des russischen Gerichts anerkennt, erklärte Sawtschenkos Mutter.

In der von Russland annektierten Halbinsel Krim nehmen die Repressionen gegen die Krimtataren zu. Das erklärte der Anführer des krimtatarischen Volkes, Mustafa Dschemiljew: “Gegenwärtig befinden sich 13 Krimtataren im Gefängnis. Innerhalb von zwei Jahren gab es mehr als 200 Durchsuchungen, rund 95 Prozent von ihnen in Häusern, Schulen und Moscheen von Krimtataren”, sagte Dschemiljew. Ihm zufolge wurde dabei nach “Waffen oder verbotener Literatur” gesucht. Die Durchsuchungen fänden sogar unter Verletzung der russischen Gesetzgebung statt.

Auf der Krim dauert zudem ein Gerichtsverfahren an, bei dem es darum geht, den Medschlis der Krimtataren als extremistische Organisation einzustufen. Der Verteidigung des Medschlis zufolge ist die Organisation allerdings international, also nicht nur auf der Krim aktiv. Dies mache die Sache zu einem Fall für das Oberste Gericht der Russischen Föderation. Es sei daran erinnert, dass der Medschlis ein Vertretungsorgan des krimtatarischen Volkes ist. Die Anklage erklärte ferner, dass die Krimtataren nach der “Definition” des internationalen Rechts keine indigene Bevölkerungsgruppe darstellen würden.

Die politische Krise

Gestern hat Premierminister Arsenij Jazenjuk seinen Rücktritt angekündigt.

Der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, wird den Obersten Rat, das Parlament der Ukraine, auflösen, sollte in dieser Woche keine Koalition und kein neues Kabinett gebildet werden, sagte der Vertreter des Staatschefs im Parlament, Stepan Kubiw. Poroschenko erklärte, dass in dieser Sitzungswoche des Parlaments eine neue Koalition und Regierung stehen sollte, die sich auf Reformen und die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU sowie auf die Zusammenarbeit mit dem Internationalen Währungsfonds und die Bekämpfung der Korruption konzentriert.

Die Koalition, die von den Fraktionen des “Blocks Petro Poroschenko” und der “Volksfront” gebildet wird, hat bereits etwa 230 Abgeordnete. Das teilte der frischgebackene Abgeordnete vom “Block Petro Poroschenko”, Oleksandr Bryhynez, mit.

Die Fraktionen der Parteien “Selbsthilfe”, “Vaterland” und die “Radikale Partei” beabsichtigen nicht, Wolodymyr Hroisman als Premierminister zu unterstützen. Abgeordneten der “Vaterlandspartei” erklärten, dass noch keine endgültige Entscheidung getroffen sei. Aber bisher sei vereinbart worden, Hroisman nicht zu unterstützen.

Am Abend teilte Mustafa Najem, der Parlamentsabgeordnete der Fraktion “Block Petro Poroschenko” mit, dass Hrojsman den Vorschlag ablehnte, die ukrainische Regierung zu leiten. Laut den Angaben von Najem, seien die Bedingungen, die Hrojsman gestellt hätte, nicht erfüllt worden.

Der Kampf gegen die Korruption und die “Panama Papers”

Die Firma Prime Asset Partners Limited (BVI) auf den Britischen Jungferninseln ist dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zufolge hauptsächlich dafür gegründet worden, um eine Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle – SPV) zu schaffen, damit seine Unternehmen für die Dauer seiner Amtszeit an einen Treuhänder, an das Bankhaus Rothschild, übertragen werden konnten. Es sei nicht darum gegangen, Steuerzahlungen zu minimieren, wie es bei anderen Personen, die in den “Panama Papers” vorkämen, der Fall sei, betonte Poroschenko.

Unterdessen haben Journalisten der TV-Redaktion “Schemy” Nachforschungen über Poroschenkos Unternehmen angestellt, die er im Laufe von über 20 Jahren aufgebaut hat. Sie fanden heraus, dass Offshore-Unternehmen von Anfang an in der Geschäftsstruktur des jetzigen Präsidenten der Ukraine vorhanden waren. Darüber hinaus gelang es den Journalisten, Akten von Strafverfahren aus den Jahren 2003 und 2004 zu finden, aus denen hervorgeht, dass Poroschenko die Offshore-Unternehmen zur Steuerhinterziehung hätte nutzen können.

Nur ein Prozent der Ukrainer hat in den letzten zwölf Monaten der Generalstaatsanwaltschaft oder der Polizei Korruptionsfälle gemeldet. Dies geht aus Ergebnissen einer Umfrage von “PACT Inc.” hervor. So sind 16 Prozent der Menschen bereit, Anzeige zu erstatten, sechs Prozent wollen wissen, wie man dies macht. Die Gründe für diese Zurückhaltung wurden nicht untersucht. Sie könnten darauf zurückzuführen sein, dass die Menschen zu wenig über ihre Rechte wissen.

Präsident Petro Poroschenko hat erläutert, welche Schritte unternommen werden müssten, um die angekündigte Eindämmung der “Offshore-Geschäfte” durchzusetzen. Er beauftragte die Finanzbehörden des Landes, den Beitritt der Ukraine zum Internationalen Übereinkommen über den Zugang zu Konten von Nicht-Residenten zu gewährleisten. Danach würde die Ukraine automatisch Informationen über Konten erhalten, die ukrainische Staatsbürger in ausländischen Bänken weltweit hätten.

Das Referendum in den Niederlanden

Das Referendum in den Niederlanden über die Ratifizierung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU hat gezeigt, dass faktisch jeder dritte Teilnehmer der Volksbefragung die Ukraine in ihrer Bestrebung unterstützt, sich den Werten der EU anzuschließen. Allerdings hat die niedrige Wahlbeteiligung (etwas mehr als 30 Prozent) und die Anzahl derer, die mit “Nein” gestimmt haben, nun zu heftigen Diskussionen geführt. In ihnen geht es eher um die Zukunft der EU und weniger darum, ob sich die Ukraine der EU anschließen soll.

Mit der Sprache der Statistik gesprochen, war es ein Sieg der allgemeinen Gleichgültigkeit. Auch wenn die Gegner der EU und des Assoziierungsabkommens mit der Ukraine gewonnen haben, so darf nicht vergessen werden, dass 68 Prozent der Stimmberechtigten das Referendum aus unterschiedlichen Gründen ganz ignoriert haben. Rechnet man das Ergebnis auf alle Stimmberechtigten um, so haben 13 Prozent für die Ukraine und 19 Prozent gegen die Ukraine gestimmt (Anmerkung: auch wenn viele der Gegner gefühlt eher gegen „Brüssel“ gestimmt haben). Statistisch ist das Ergebnis nicht etwa ein Sieg der Gegner des Assoziierungsabkommens, sondern vielmehr ein Triumph der Gleichgültigkeit, apolitischen Einstellung und der Unkenntnis bezüglich des Assoziierungsabkommens bei der Mehrheit der niederländischen Bevölkerung. Die niederländischen Euroskeptiker konnten einen Erfolg vor allem deswegen einfahren, weil sie ein Referendumsthema gefunden hatten, das die liberal eingestellte Mehrheit der Bevölkerung nur wenig ansprach.

Gleichzeitig ist es ihnen gelungen, das gesamte Spektrum der Protestwähler in Bezug auf die pro-europäische Regierungskoalition und die EU zu mobilisieren. Der Hauptgrund für die „Nein-Sager“ war die Korruption (59 Prozent) und weiter die Befürchtung einer zukünftigen EU-Mitgliedschaft der Ukraine (31 Prozent). Diejenigen, die mit „Ja“ gestimmt haben, haben als Gründe angeführt: Die Verbesserung der Handelsbeziehungen mit der Ukraine (49 Prozent), Vorteile für die niederländische Wirtschaft  (41 Prozent) sowie die Stärkung der ukrainischen Position im Konflikt mit Russland (33 Prozent).

Der Misserfolg beim Referendum in den Niederladen wird für die Ukraine immer mehr zu einer roten Linie. Die Korruption in der Ukraine wird von der europäischen Politik immer weniger geduldet werden. Die Zeit der Vorschusslorbeeren und der Kompromisse, die es in der europäischen Politik seit dem Majdan gab, ist vorbei. Bei jeder Beteuerung, die Ukrainer würden für europäische Werte kämpfen, wird man Kiew auf die weitverbreitete Korruption und den fehlenden Fortschritt im Kampf gegen sie hinweisen. Ohne Fortschritte in diesem Bereich werden der Ukraine keine anderen Argumente mehr helfen.

Trotz der negativen (politischen) Folgen des Referendumsergebnisses für die Ukraine wird die Freihandelszone zwischen der EU und der Ukraine funktionieren, weil 90 Prozent des Inhalts des Assoziierungsabkommens in der Kompetenz der überstaatlichen EU-Institutionen liegt – bei der Europäischen Kommission, dem Europaparlament und dem Europäischen Rat – und nicht bei den einzelnen EU-Mitgliedsländern. Darunter auch alle Bestimmungen zur Freihandelszone zwischen der Ukraine und der EU.

Wirtschaft

Im März wurde die Militärausstellung Defexpo India 2016 durchgeführt, die für die ukrainische Militärindustrie sehr erfolgreich war. Das indische Verteidigungsministerium unterzeichnete mit der Ukraine 15 Memoranden, laut denen ukrainische Fachleute 500 Transportflugzeuge in Indien herstellen werden. Außerdem wird die Ukraine Gasturbinen für indische Militärschiffe liefern. Zuvor war ein gemeinsames Projekt eingefroren worden, das mit Russland durchgeführt werden sollte. Laut diesem Projekt sollten militärische Transportflugzeuge vom Typ „Multi-role Transport Aircraft“ hergestellt werden. Ukrainische Experten meinen, dass ukrainische Hersteller so Russland vom indischen Markt verdrängen (Meldung auf Englisch).

Reformen

In der vorigen Woche waren folgende Reformen wichtige Themen: europäische Integration, Makrofinanzielle Stabilisierung, Deregulierung, Privatisierung, Reform des öffentlichen Dienstes. Hier finden Sie eine Zusammenfassung auf Deutsch zu den genannten Reformthemen (auf Deutsch).

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Leben an der Frontlinie: Reportage von Ukraine Today.

Die Ergebnisse des niederländischen Referendums sind für die Ukraine kein strategisches Hindernis auf dem Weg nach Europa, so Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko. Reportage von Ukraine Today.

Wie lief die Abstimmung in Niederlanden ab? Reportage von Hromadske Inetrnational.

Wie reagierten die Ukrainer auf das niederländische Referendum. Reportage von Ukraine Today.

Die ukrainische Stadt Lwiw will zur IT-Hauptstadt Osteuropas werden. Reportage von Ukraine Today.

Die Beobachter der OSZE besuchten der (pro-)russischen Militärverbände. Reportage von Ukraine Today.

Interviews

Was bedeutet der Rücktritt des ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk für die Ukraine. Interview von Hromadske International mit dem Business-Ombudsmann, Taras Kachka.

Der Skandal um die “Panama Papers”, Gespräch mit Makar Pesenjuk, geschäftsführender Direktor von „Investment Capital Ukraine“, das Unternehmen von Petro Poroschenko leitet. Interview von Hromadske Inetrnational.

Analyse

Die bekanntesten Offshore-Inhaber in Osteuropa. Infografik von Ukraine Today.

Nutzte Petro Poroschenko Offshore-Firmen seit 15 Jahren? Analyse von Kyivpost.

Pressemitteilungen von UCMC (auf Deutsch)

Transparency International: So bestrafen ukrainische Gerichte korrupte Beamte. Transparency International hat gemeinsam mit Journalisten der Nachrichten-Webseite “Erste Instanz” eine Studie mit dem Titel “Die Richter im Visier” vorgelegt. Deren Ergebnisse wurden auf einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center bekanntgegeben. Durchgeführt wurde die Studie zwischen März 2014 und Februar 2016 mit Unterstützung der US-Botschaft in der Ukraine. In diesem Zeitraum prüften Experten rund 1000 Gerichtsurteile, in denen es um unerlaubte Vorteilsnahme geht. Auch wurden Gerichte verschiedener Instanzen auf Korruption hin untersucht, sagte Fedir Oryschtschuk von der “Ersten Instanz”. Trotz der erklärten Bekämpfung von Korruption ist sie in den vergangenen zwei Jahren gewachsen. Insgesamt flossen in die Taschen von Beamten im Jahr 2015 Schmiergelder in Höhe von 19 Millionen Hrywnja. Im Vorjahr waren es 16 Millionen. Die durchschnittliche Höhe der Schmiergelder stieg von 30.000 auf etwa 40.000 Hrywnja, wahrscheinlich aufgrund der starken Abwertung der Landeswährung.