Die Zeit der Oligarchen ist vorbei – Warum ukrainische Fußballklubs schließen

Mitte Mai 2016 fand die letzte Runde der Saison in der ukrainischen Premier League statt. Von den 14 Mannschaften, die an ihr teilnahmen, werden vier künftig nicht mehr dabei sein. Das Ukraine Crisis Media Center erläutert, wie es um den Fußball in der Ukraine steht.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion herrschte in den 1990er Jahren im ukrainischen Fußball Stagnation. Eine Erholung setzte nach dem Jahr 2000 ein und in den 2010er Jahren erreichte der Fußball seinen bisherigen Höhepunkt. So nahmen ukrainische Klubs an europäischen Playoff-Turnieren teil und deren Besitzer kauften ausländische Spieler ein.

Dieses “goldene Zeitalter” war auch eine Zeit der Oligarchen, vor allem aus der einstigen regierenden “Partei der Regionen”, die zwischen Februar 2010 und Februar 2014 mit Wiktor Janukowytsch den Präsidenten der Ukraine stellte.

Veränderungen nach dem Euromaidan

Aber fast alle Besitzer der ukrainischen Klubs sind Oligarchen oder Politiker, die mit ihnen in Verbindung gebracht werden. Fußball war für sie nie ein Geschäft, eher ein Hobby oder eine Art moderner Gladiatorenkampf. Bislang konnten sie sich das gut leisten.

Doch der Euromaidan, die Revolution der Würde Ende 2013 und Anfang 2014, veränderte die Kräfteverteilung im Land. Die Vertreter der “Partei der Regionen” verloren ihre Positionen in der Politik. Einige von ihnen erlitten große Verluste bei ihren Geschäften. Andere verließen das Land und stehen auf einer Sanktionsliste. Einige Oligarchen verloren einfach nur das Interesse am Fußball.

Geflüchteter Fußballklub-Besitzer

Einer der ältesten ukrainischen Fußballklubs ist “Metallist” in Charkiw. Er wird wohl bald aufhören zu existieren. Aufgebaut hatte ihn der Geschäftsmann Oleksandr Jaroslawskyj. Er verkaufte den Klub an Serhij Kurtschenko, der zum Klan des damaligen Präsidenten Janukowytsch gehörte. Wie Jaroslawskyj später zugab, wurde er dazu gezwungen. Im Februar 2014 flüchtete Kurtschenko nach Russland. Von der Ukraine wurde er zur Fahndung ausgeschrieben und steht auf einer Sanktionsliste. Seine Konten sind eingefroren. Damit endete auch die Finanzierung der Mannschaft.

Inzwischen ist der Klub zusammengebrochen: Der Cheftrainer ist zurückgetreten, die Spieler bekommen nur verspätet ihr Geld, im Hauptquartier sind Strom und Wasser abgestellt und das Eigentum des Klubs ist vom Gericht beschlagnahmt. Derzeit belaufen sich die Schulden des Klubs auf über 25 Millionen US-Dollar.

Keine Interesse mehr am Fußball

Auch die Fußballklubs “Hoverla” (Uschhorod) und “Metallurg” (Saporischschja) sind ihren jeweiligen Besitzern, den ehemaligen Mitgliedern der “Partei der Regionen”, Nestor Schufrytsch und Wjatscheslaw Bohuslajew, zur Last geworden. Die Geschichte der Mannschaften ist ähnlich: die beiden Parlamentsabgeordneten übertrugen das Management der Klubs an ihre Söhne. Doch deren Interesse an den Klubs schwand. Eine klare Entwicklungsstrategie fehlte.

Als sich dann im Zuge der Revolution der Würde die Finanzlage der Besitzer zunehmend verschlechterte, musste “Metallurg” mitten in der Saison Ende 2015 aufhören. Der Klub hat Schulden in Höhe von 20 Millionen Hrywnja. “Metallurg” spielt unterdessen in der Amateur-Liga weiter. “Hoverla” hat ebenfalls Schulden und konnte sich nicht für die nächste Saison qualifizieren. Derzeit prüft der Klub, ob er Konkurs anmeldet.

Ihor Kolomojskyjs Einflussbereich

Trotz ihrer starken Position, hatten die Vertreter der “Partei der Regionen” im Fußball aber kein Monopol. Mehrere Mannschaften, darunter “Wolyn” (Luzk), “Krywbas” (Krywyj Rih), “Arsenal” (Kiew) und “Dnipro” (Stadt Dnipro) standen unter dem Einfluss des Oligarchen Ihor Kolomojskyj, des ehemaligen Gouverneurs des Gebiets Dnipropetrowsk.

Der offizielle Besitzer des Klubs “Wolyn”, der Parlamentsabgeordnete und Ex-Gouverneur von Odessa, Ihor Palyzja, der eng mit Kolomojskyj “Privat”-Gruppe verbunden ist, hat das Interesse am Fußball offenbar auch verloren. Die nächste Saison wird die Mannschaft in der Amateur-Liga bestreiten. Da die Spieler kein Geld mehr bekommen, geht man davon aus, dass der Klub geschlossen wird. Bereits “Kryvbas” und “Arsenal” ist es so ergangen, nachdem Kolomojskyj sein Interesse an den Klubs verloren hatte.

Der Fußball muss gerettet werden

Vor noch nicht allzu langer Zeit konnten die Fußballklubs riesige Summen ausgeben. Die Besitzer, die Oligarchen, glichen die Bilanzen aus und zahlen einfach alles. Aber heute ist klar: Der ukrainische Fußball lebt über seine Verhältnisse. Die Geldbeutel der Oligarchen sind kleiner geworden. Auch im Sport sind Reformen nötig.

Die Klubs müssen lernen, Geld zu verdienen. Wie in ganz Europa müssen sie künftig auch von Werbung, dem Verkauf von Übertragungsrechten, Eintrittskarten und Markenprodukten sowie von vielem mehr leben. Einen anderen Weg gibt es nicht. Das “goldene Zeitalter” der Oligarchen, die Fußballklubs als ihr privates Hobby betrachteten, ist Vergangenheit.

Bild Quelle: 1927.kiev.ua, Footballtransfer