Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 7. bis 13. Juni 2016

Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation ist angespannt. Insgesamt wurden die ukrainischen Streitkräfte 292 Mal beschossen. Infolge von Kampfhandlungen und durch Sprengfallen wurden vier ukrainische Soldaten getötet und 49 weitere verletzt. Es wurde auch offiziell bestätigt, dass vier ukrainische Kämpfer des Rechten Sektors am 12. Juni beim Bergwerk Butowka (in der Nähe von Donezk) getötet wurden.

In der vergangenen Woche war in der Ostukraine die Lage am schwierigsten bei Donezk (Awdijiwka). Am 12. Juni wurden die ukrainischen Streitkräfte im Frontabschnitt Donezk bei Awdijiwka, Leninske, Nowhorodske, Troizke beschossen. Dabei setzten die russischen Militärverbände Schützenpanzer und Fliegerabwehrlafetten vom Typ SU-23-2 ein. Im Frontabschnitt Mariupol wurden die ukrainischen Checkpoints bei Krasnohoriwka, Wodjane, Marijinka und Talakiwka mit großkalibrigen Mörsern und Granatwerfern beschossen.

Die von Russland unterstützten Militärverbände setzten auch schwere Artillerie mit einem Kaliber von 152 Millimetern ein und beschossen die Wohnbezirke der ukrainischen Siedlung Torezk. In der Nacht vom 12. auf den 13. Juni wurde die ukrainische Siedlung Artemowe (in der Nähe von Torezk) beschossen. Dabei wurde eine Zivilistin getötet und ein ukrainischer Soldat verletzt.

Iryna Heraschtschenko, erste stellvertretende Vorsitzende des ukrainischen Parlaments und Vertreterin der Ukraine in der Minsker Kontaktgruppe zu humanitären Fragen, erklärte, dass sich die Lage im Donbass verschlechtert. Die Anzahl der Opfer an der Front habe sich in den letzten vier Wochen deutlich erhöht. (Meldung auf Englisch).

Die russischen Invasionskräfte verlegen ihre reaktiven Mehrfachraketenwerfersysteme zurück an die Frontlinie. Im Wochenverlauf haben die ukrainischen Aufklärer 48 Fälle von Verstößen gegen die Minsker Vereinbarungen in Bezug auf den Abzug von Bewaffnung und Militärtechnik festgestellt. Vollständiger Bericht der Militäraufklärung auf Deutsch.

In der vergangenen Woche hat die Sonderbeobachtermission (SMM) der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im Vergleich zur Vorwoche eine Zunahme der Verletzungen des Waffenstillstands um zehn Prozent verzeichnet. Schon in der Vorwoche war die Anzahl der Verstöße um 50 Prozent im Vergleich zu der Woche davor gestiegen. Drei Viertel aller Verstöße in der vergangenen Woche wurden aus dem Gebiet um Awdijiwka, Jasynuwata und den Flughafen Donezk gemeldet. Vollständiger Bericht auf Deutsch.

Polizeimission der OSZE

Die Frage, wie die Polizeiarbeit in den besetzten Gebieten organisiert werden soll, befindet sich im Zentrum der politischen Diskussion. Außer der Einführung einer bewaffneten internationalen Polizeimission wird das Problem über die Bildung von “Volksmilizen” in diesen Gebieten besprochen.

Die Entsendung einer Polizeimission in den Donbass wird auf verschiedenen Ebenen diskutiert, doch bisher wurde nichts entschieden, teilte der Sonderbeauftragte der deutschen Bundesregierung für den OSZE-Vorsitz 2016 und Koordinator für die Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der östlichen Partnerschaft, Gernot Erler, mit.

Die Diskussionen gehen hauptsächlich darüber, wie eine solche Polizeimission praktisch organisiert werden kann: aus wie vielen Personen soll sie bestehen? Wie soll ihre Verbindung zur normalen Polizei vor Ort sein? Zu diesen Fragen besteht keine Einigkeit, sagte Gernot Erler.

Zwischenzeitlich wurde in Donezk, das von (pro)russischen Militärverbänden kontrolliert wird, gegen eine bewaffnete OSZE-Mission protestiert. Die Aktion fand am 10. Juni statt und wurde von der Führungsriege der sogenannten “Donezker Volksrepublik” organisiert. Die Einführung einer bewaffneten OSZE-Mission würde ein “völliges und bedingungsloses Scheitern” der Minsker Vereinbarungen bedeuten. “Wir sagen “nein” zu einer bewaffneten OSZE-Mission im Donbass”, erklärte der Vertreter der Gruppe, Denis Puschilin, der bei der Aktion auftrat. Die Protestierenden wurden mit Bussen ins Stadtzentrum von Donezk gebracht, berichteten Journalisten.

Marsch für Gleichstellung

Am 12. Juni hat in Kiew der “Marsch für Gleichstellung – KyivPride 2016” stattgefunden. Laut Veranstalter hatten sich zu der diesjährigen Veranstaltung mehr als 1500 Personen angemeldet, so viele nie zuvor. Die Teilnehmer trugen ukrainische Flaggen sowie Regenbogenfahnen. Besucht wurde die Veranstaltung von Politikern und Diplomaten sowie Mitgliedern des Europäischen Parlaments, darunter von Rebecca Harms. Auch die Sicherheitsmaßnahmen waren diesmal so streng wie nie zuvor. Insgesamt waren 6500 Polizeibeamte im Einsatz. Um in den Bereich zu gelangen, der für den Marsch vorgesehen war, mussten die Teilnehmer Metalldetektoren passieren (Foto). Radikale Gruppen hatten mehrfach versucht, in diesen Bereich vorzudringen. Keiner der Teilnehmer kam dabei zu Schaden. Doch später wurden mehrere Teilnehmer in der U-Bahn angegriffen (Bericht auf Ukrainisch).

Insgesamt wurden in Kiew während des “Marsches für Gleichstellung” 57 Personen wegen Gesetzesverstoßes festgenommen, teilte die Chefin der nationalen Polizei, Chatia Dekanoidse, mit.

Erklärung der Menschenrechtsgruppe Charkiw anlässlich des “Marsches für Gleichstellung” (auf Englisch).

Menschenrechte: Politische Gefangene des Kreml

Der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko schließt nicht aus, dass die beiden russischen Staatsbürger Jewgenij Mefedow und Maksim Sakauow gegen die in Russland inhaftierten ukrainischen Staatsbürger Jurij Afanasjew und Hennadij Soloschenko ausgetauscht werden. Voraussetzung sei politischer Wille. Die beiden Russen werden verdächtigt, an den Ereignissen des 2. Mai 2014 in Odessa beteiligt gewesen zu sein.

Der Euromaidan-Aktivist Andriji Kolomijez ist auf der Krim insgesamt zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Das teilte sein Anwalt Mychajlo Kuschpel mit. Das Gericht verurteilte ihn erst zu sechs Jahren Haft, weil er Angehörige der Sondereinheit “Berkut” während der Ereignisse auf dem Maidan in Kiew angegriffen haben soll. Da bei ihm angeblich Drogen gefunden wurden, wurde Kolomijez zu weiteren vier Jahren Haft verurteilt. (Ein Bericht der Menschenrechtsgruppe Charkiw zu diesem Fall in englischer Sprache).

Umfrage

Die Bürger der Ukraine sprechen immer öfter Ukrainisch, sowohl zu Hause als auch auf der Arbeit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Kiewer Rasumkow-Zentrums, die zwischen dem 11. und 23. Dezember 2015 in allen Regionen der Ukraine mit Ausnahme der Krim und den besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk durchgeführt wurde.

So betrachtet die Mehrheit (60 Prozent) der Bürger Ukrainisch, 15 Prozent Russisch und 22 Prozent sowohl Ukrainisch als auch Russisch als ihre Muttersprache. Zwei Prozent der Befragten gaben eine andere Sprache an. Im Jahr 2006 hatten 52 Prozent Ukrainisch als Muttersprache angegeben, Russisch 31 Prozent, Ukrainisch und Russisch gleichermaßen 16 Prozent, andere Sprachen ein Prozent.

Im Westen und im Zentrum des Landes ist für die meisten Menschen Ukrainisch die Muttersprache (93 bzw. 78 Prozent). Im Süden und Osten der Ukraine liegt die Anzahl der Befragten, die Ukrainisch als Muttersprache angeben, und die Anzahl derjenigen, die sowohl Ukrainisch als auch Russisch als Muttersprache angeben, fast gleichauf. (35 Prozent bzw. 38 Prozent und 37 Prozent bzw. 34 Prozent). Im Donbass betrachten 40 Prozent der Befragten Russisch als Muttersprache, 34 Prozent sowohl Ukrainisch als auch Russisch, und 20 Prozent nur Ukrainisch. Insgesamt ist landesweit der Anteil der Bürger, die nur Ukrainisch als Muttersprache angeben, und derjenigen, die Ukrainisch und Russisch als Muttersprache betrachten, gestiegen. Der Anteil der Bürger, die nur Russisch als Muttersprache angeben, ist zurückgegangen.

Wirtschaft

Die internationale Ratingagentur Standard&Poor’s Global Ratings bestätigte das kurz- und langfristige Rating der Ukraine mit “B-/B”, heißt es in einer Meldung der Agentur. “Die neue ukrainische Regierung führt Reformen durch, einschließlich der Festlegung von Gaspreisen durch den Markt. Dabei verbesserte sich auch das schwierige makrowirtschaftliche Bild gegenüber 2015. Das Land kehrt zu Wirtschaftswachstum zurück, sowie zu einer kontrollierten Inflation.“

Die Handelsbeschränkungen, die von Russland eingeführt wurden, werden den ukrainischen Export in diesem Jahr um 1,3 Milliarden US-Dollar mindern. Dies steht im Bericht der Regulierungsbehörde für die Finanzstabilität. Die Nationalbank erinnerte daran, dass Russland die Verträge über die Freihandelszone mit der Ukraine am Jahresbeginn bis auf weiteres verschoben hatte und einen Importstopp für Lebensmittel aus der Ukraine einführte, was den Transit von ukrainischen Waren in die Länder von Zentral- und Ostasien behindert.

Der Fond für Staatseigentum kündigte heute die Ausschreibung zum Verkauf des “Hafen-Werks Odessa” (Chemiefabrik) an. Der Verkauf soll am 26. Juli stattfinden, teilte der Behördenchef, Ihor Bilous, gegenüber Journalisten mit. Die Gebote für den Verkauf werden bis zum 18. Juli angenommen. Das Aktienpaket, das zum Verkauf vorgesehen ist, beträgt 99,567 Prozent des Satzungskapitals.

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Dokumentarfilm

”Tango.Rehabilitation”: Eine Dokumentation von Hromadske-TV über die Reha mit Kunst für Soldaten, die in der ATO-Zone gekämpft haben.

Reportage

Der Beschuss seitens der prorussischen Militärverbände im Donbass nimmt zu. Reportage von Ukraine Today.

Ein russischer OSZE-Vertreter war in das illegale Referendum auf der Krim verwickelt. Reportage von KyivPost.

Der Krim geht das Geld aus. Reportage von Ukraine Today.

Fast die Hälfte der Soldaten sind im Donbass nicht bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Reportage von KyivPost.

Die vor kurzem freigelassene Nadija Sawtschenko hat die Zone der Anti-Terror-Operation besucht. Reportage von Ukraine Today.

Der russische Präsident Wladimir Putin und der Präsident der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, werden wahrscheinlich nächste Woche über die Pipeline Nord-Stream-2 sprechen. Reportage von Ukraine Today.

Warum die Visumfreiheit zwischen der Europäischen Union und der Ukraine verschoben wurde. Reportage von Ukraine Today.

Interviews

Pro-Kreml-Netzwerk in Europa. Interview von Ukraine Today mit dem Publizisten Witalij Portnikow.

Der Chef des Nationalen Anti-Korruptions-Büros in der Ukraine, Artem Sytnyk: Dem Büro fehlen Mittel. Interview von KyivPost.

Wie Korruption Wahlen in der Ukraine beeinflusst. Interview von Hromadske International mit Eric Herron, West Virginia Universität

Von einer Soldatin zur Abgeordneten: Nadija Sawtschenkos erste Arbeitswoche im Parlament. Interview von Ukraine Today mit der Abgeordneten der Partei “Vaterland”, Olena Schkrum.

Analyse

Wie verlief der “KyivPride” (Marsch für Gleichstellung) und was bedeutet er für die Ukraine. Reportage von Hromadske International.

Wie ist die Lage der Binnenvertriebenen in der Ukraine? Hromadske International sprach über dieses Thema mit Experten.

Studie: Das russische Fernsehen dominiert nicht in der Ostukraine. Analyse von KyivPost.

Bei der Dekommunisierung werden kommunistische Methoden angewandt. Analyse der Menschenrechtsgruppe Charkiw.