Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 5. bis 11 Juli 2016

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation spitzt sich zu. Die prorussischen Militärverbände haben ihre Angriffe entlang der ganzen Kontaktlinie verstärkt.

Die ukrainischen Checkpoints im Frontabschnitt Donezk wurden am häufigsten beschossen. Dem Generalstab zufolge setzten gestern die von Russland unterstützen Militärverbände schwere Artillerie mit einem Kaliber von 152 Millimetern (bei Nowhorodske) und Selbstfahrlafetten mit einem Kaliber von 122 Millimetern (bei Mykolaiwka Druha) ein. Es wurden auch schwere Mörser mit einem Kaliber von 122 und 82 Millimetern bei Majorske, Pisky, Awdijiwka, Nowhorodske, Troizke (Frontabschnitt Donezk) und Schyrokine, Krasnohoriwka, Hnutowe, Marijinka, Wodjane, Talakiwka (Frontabschnitt Mariupol) eingesetzt.

In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Streitkräfte 454 Mal beschossen. Infolge der Kampfhandlungen und durch Sprengfallen kamen 14 ukrainische Soldaten ums Leben und 70 weitere wurden verletzt.

Die Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) stellten eine hohe Kampfbereitschaft der beiden Konfliktseiten im Donbass fest. Das teilte der erste stellvertretende Leiter der OSZE-Sonderbeobachtungsmission, Alexander Hug, mit. So würden die beiden Konfliktparteien Waffen einsetzen, die in jener Zone von den Minsker Vereinbarungen verboten seien. Die Beobachter hätten 77 Waffengattungen festgestellt, die hätten abgezogen werden müssen. Der Beschuss in der Zone der Anti-Terror-Operation habe sich in der vergangenen Woche im Vergleich zur Vorwoche verdreifacht, so Hug. Am häufigsten wurde das sogenannte Dreieck Awdijiwka-Jasinuwata-Donezker Flughafen beschossen.

Am 11. Juli versuchte ein Sabotagetrupp aus 20 Personen den ukrainischen Streitkräften unbemerkt in den Rücken zu fallen.

Die ukrainischen Soldaten wehrten den Angriff ab. Dabei erlag der Angehörige des Sabotagetrupps, der russische Staatsangehörige und Soldat Natan Zakirow aus Omsk, seinen Verletzungen. Der Stab der ukrainischen Streitkräfte veröffentlichte Zarikows Ausweise. Zwei weitere russische Soldaten wurden festgenommen, darunter ein Kompaniechef und Zugführer der russischen Besatzungstruppen.

Politische Vereinbarungen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat erklärt, dass die G5 (USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien) zusammen mit der Ukraine eine Roadmap zur Gewährleistung von Sicherheit in der Ostukraine erarbeiten werden. Am 11. Juli sind erste Gespräche der außenpolitischen Berater mit dem ukrainischen Außenminister Pawlo Klimkin vorgesehen. Die Roadmap soll für einen freien Zugang der OSZE sorgen, aber auch eine vollständige Waffenruhe seitens beider Konfliktparteien und einen sicheren Abzug von Waffen regeln.

Der Ständige OSZE-Rat hat die Sonderbeobachtungsmission an der russisch-ukrainischen Grenze in der Ostukraine für drei Monate verlängert. Somit wird die Mission die Sicherheitslage an den Grenzübergangsstellen Gulkovo und Donezk weiterhin beobachten.

NATO-Gipfel: Auswirkungen auf die Ukraine

Die Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedsländer wollen die Unterstützung für die  Ukraine und Georgien erweitern (vollständige Erklärung in deutscher Sprache). Ein umfassendes Hilfspaket der NATO für die Ukraine enthält mehr als 40 Bereiche, in denen die Nordatlantische Allianz die ukrainische Regierung bei der Umsetzung ihrer Reformen unterstützen wird. Dies teilte die für die europäische Integration der Ukraine zuständige Vize-Premierminister Iwanna Klympusch-Zinzadse mit.

Die praktische Hilfe seitens der NATO schließt die Fortführung alter und die Schaffung neuer Treuhandfonds ein, die eine vielseitige Unterstützung der Ukraine gewährleisten. So wird ein neuer Treuhandfonds dafür zuständig sein, die Finanzierung der Minenräumung im Donbass zu unterstützen. Teil des Hilfspakets ist auch der Kauf von Ausrüstung, um den Cyber-Schutz und die Ausbildung in dem Bereich zu verbessern.

Die Staats- und Regierungschefs der NATO haben geschlossen erklärt, die Souveränität, Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine zu unterstützen. Die Teilnehmer der NATO-Ukraine-Kommission erörterten eine Verstärkung der Zusammenarbeit im Rahmen der Charta über eine besondere Partnerschaft. Während der Sitzung wurden die Reformen in der Ukraine und die Fortschritte bei deren Umsetzung diskutiert. Gebilligt wurde ein umfassendes Hilfspaket für die Ukraine. Es fand ein Meinungsaustausch über die Lage im Sicherheitsbereich der Ukraine statt.

Auch forderten die Staats- und Regierungschefs der NATO und der Ukraine Russland auf, auf die pro-russischen Milizen Einfluss zu nehmen und seine Verpflichtungen im Rahmen der Minsker Vereinbarungen zu erfüllen. Dies wurde nach dem Treffen der NATO-Ukraine-Kommission auf höchster Ebene in einer gemeinsamen Erklärung festgehalten. Ferner wird in der Erklärung die Verstärkung des russischen Militärs auf der besetzten Krim verurteilt, denn dies wirke sich auf die Stabilität in der Schwarzmeer-Region aus.

Krim: Resolution der Parlamentarischen Versammlung der OSZE

Die Parlamentarische Versammlung der OSZE hat Russland aufgefordert, die Annexion der Krim zu beenden. Eine entsprechende Resolution wurde auf ihrer Sitzung in Georgien verabschiedet.

Eine Resolution der Parlamentarischen Versammlung der OSZE bestätigt erneut die bewaffnete Aggression Russlands gegen die Ukraine und verurteilt entschieden die Annexion der Krim-Halbinsel und die Verletzung der grundlegenden Menschenrechte in der vom russischen Staat besetzten Krim”, heißt es in einer Erklärung des Außenministeriums der Ukraine. Das Außenamt begrüßt die Annahme einer gemeinsamen Entschließung des Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung der OSZE für politische Angelegenheiten und Sicherheit, in der die russische bewaffnete Aggression gegen die Ukraine verurteilt wird.

Umfrage: Skepsis mit Hoffnungsschimmer

Eine Studie der Soziologischen Gruppe ”Rating”, die im Auftrag des International Republican Institute durchgeführt wurde, zeigt, dass Skepsis, ohne die Hoffnung zu verlieren, die vorherrschende Stimmung unter den Ukrainern ist.

Derzeit glauben 71 Prozent der Ukrainer, dass die Dinge im Land insgesamt in die falsche Richtung gehen – im April 2014 waren es 48 Prozent und im September 2014 51 Prozent. 78 Prozent der Befragten sagen, dass sich in den letzten zwölf Monaten die finanzielle Situation ihrer Familie verschlechtert habe. 81 Prozent sind mit der Arbeit des Parlaments nicht zufrieden, nur neun Prozent sind es. Größere Unterstützung genießt die Regierung von Wolodymyr Hrojsman: 20 Prozent befürworten die Regierung, während 59 Prozent sie missbilligen. Die Liste der beliebtesten Persönlichkeiten führt derzeit Nadija Sawtschenko an, die von 45 Prozent der Bürger unterstützt wird, gefolgt von Micheil Saakaschwili mit 28 Prozent und Präsident Petro Poroschenko mit 19 Prozent. Die Umfrage wurde vom 28. Mai bis 14. Juni 2016 in der gesamten Ukraine (mit Ausnahme der besetzten Gebiete im Donbass und der Krim) durchgeführt. Insgesamt wurden für die Studie 2400 wahlberechtigte Einwohner der Ukraine im Alter ab 18 Jahren befragt.

47 Prozent der Befragten wollen keine vorgezogenen Parlamentswahlen. Genauer gesagt, 25 Prozent wollen ganz klar keine Wahlen, 22 Prozent eher keine. 17 Prozent wollen auf jeden Fall vorgezogene Parlamentswahlen, 21 Prozent sind eher für als gegen vorgezogene Parlamentswahlen und 16 Prozent sind unentschlossen.

Wenn jetzt in der Ukraine ein Referendum über den Beitritt des Landes zur NATO stattfinden würde, würden 78 Prozent derjenigen, die an dem Referendum teilnehmen würden, mit Ja stimmen. Teilnehmen würden an einem solchen Referendum 58 Prozent der Ukrainer. Das geht aus einer Umfrage der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” hervor. Insgesamt sind nur 43 Prozent der Bürger für einen NATO-Beitritt. “Vor dem Hintergrund zunehmender Sympathien für die NATO sinkt der Glaube an einen blockfreien Status”, betont die Politologin Maria Solkina. Im Jahr 2013 waren noch 42 Prozent der Ukrainer für eine Blockfreiheit, jetzt sind es nur noch 25 Prozent. (Umfrage in englischer Sprache).

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Video

Die Ukraine erfüllt die Minsker Vereinbarungen und die USA leisten humanitäre Hilfe. US-Staatssekretär John Kerry besuchte Kiew, Video von Hromadske International.

Reportage

Wie Korruption in der Ukraine bekämpft wird. Reportage von Hromadske Inetrnational.

Russlands hybrider Krieg: Ein russischer Forscher stellt ein Buch über die russische Aggression vor. Reportage von Ukraine Today.

Die NATO ist mit der Ukraine solidarisch und verurteilt die russische Aggression: Gipfeltreffen in Warschau. Reportage von KyivPost.

John Kerry: Die Sanktionen gegen Russland werden verlängert, falls Russland eine Lösung für die Krim und den Donbass ablehnt. Reportage von Ukraine Today.

“Ich-habe-keine-Angst-zu-reden”: Ukrainerinnen haben mit einem Flashmob über sexualisierte Gewalt begonnen. Reportage von KyivPost.

Die ukrainische Polizei feiert ihren ersten Jahrestag. Reportage von Ukraine Today.

Interviews

Ergebnisse des NATO-Gipfels für die Ukraine. Interview von Hromadske International mit der Journalistin Schanna Bespjattschuk.

Die Chefin der nationalen Polizei, Hatia Dekanoidze, berichtet über Ergebnisse der Reform. Interview von Hromadske International.

Analyse

Welche Hilfe die USA und die NATO der Ukraine leisten. Analyse von KyivPost.

Flashmob “Ich-habe-keine-Angst-zu-reden”. Analyse von Hromadske International.

Das Vertrauen in die ukrainische Regierung ist noch gering, aber es steigt unter dem Premier Hrojsman. Analyse von KyivPost.

StopFake: Vergangene Woche verbreiteten russische Medien wieder Fakes, wonach der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor ein UN-Tribunal kommen könnte, es Streit um eine nationale Autonomie für die bulgarische Minderheit gebe, es zunehmend Versuche gebe, die die russische Annexion der Krim anzuerkennen, und dass die Krimtataren die Türkei bitten, die Krim als Teil Russlands anzuerkennen.

Kultur

In der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig wird in Zusammenarbeit mit dem Filmfestival DOK Leipzig die Ausstellung “Senzows Kamera” stattfinden, in deren Mittelpunkt der ukrainische Filmemacher Oleh Senzow steht. Er wurde in Russland zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt. Der Vorwurf des Terrorismus gegen ihn ist erfunden. In dem Projekt wird visuelle Kunst, aber auch Dokumentarfilme von Künstlern aus der Ukraine, Polen, Deutschland und Russland vorgestellt. Das Projekt hat die Annexion der Krim, ukrainische Gefangene in Russland sowie Militärkonflikte und Isolation allgemein zum Thema. Die Ausstellung läuft vom 15. Juli bis zum 6. November 2016.

Der Park der Himmlischen Hundertschaft ist beim “European Prize for Urban Public Space” ausgezeichnet worden. Der Wettbewerb ist eine Initiative des Zentrums für zeitgenössische Kultur in Barcelona. Der Kiewer Park war einer von 25 Finalisten, die aus 276 Bewerbern ausgewählt wurden. Dieser Ort stand im Mittelpunkt der Ereignisse rund um den Euromaidan 2013-2014. Freiwillige schufen dort später einen öffentlichen Park. Der portugiesische Künstler Alexandre Fartu bemalte dort eine Hauswand mit dem Portrait des erschossenen Euromaidan-Aktivisten Serhij Nigojan.