Elektronische Einkommenserklärung für Beamte nun doch vollständig gestartet

Als die Ukraine am 15. August aufwachte, ahnte niemand, dass man begann, das Land ins Jahr 2013 zurück zu versetzen. Die Einführung der elektronischen Einkommenserklärung für Beamte war vorerst gescheitert. Das Ukraine Crisis Media Center erläutert, was die Staatsmacht in Kiew gezwungen hat, das Meldesystem nun doch vollständig zu starten.

Am 1. September um Mitternacht ist die elektronische Einkommens- und Vermögenserklärung für Staatsbedienstete, auch “E-Declaration” genannt, nun doch vollständig an den Start gegangen. Bereits vor zwei Wochen, in der Nacht zum 15. August, war das Meldesystem in Betrieb genommen worden, allerdings unvollständig.

Diskreditiert schien damals die Idee zu sein, wonach Beamte Angaben zu ihrem Einkommen und Vermögen in eine Datenbank eingeben müssen und diese Angaben mit ihrem tatsächlichen Lebensstandard übereinstimmen müssen. Der “Staatliche Dienst für besondere Kommunikation und Datenschutz”, der dem Sicherheits- und Verteidigungsrat unter Leitung von Oleksandr Turtschynow untersteht, hatte eine Zertifizierung der Software des Meldesystems wegen angeblicher Mängel abgelehnt.

Doch ohne ein Zertifikat hätte sich das System nur in einem Testbetrieb befunden. Die im Meldesystem vorhandenen Daten hätten keine Rechtskraft gehabt und hätten vor Gericht nicht als Beweis herangezogen werden können. Ein mit nicht angegebenen Vermögenswerten “auf frischer Tat ertappter” Beamte hätte nicht belangt werden können. Wegen des Fehlstarts vor zwei Wochen verfehlte die “E-Declaration” ihr Ziel der Korruptionsbekämpfung.

Druck seitens der Öffentlichkeit und westlichen Partner

Seitdem forderte die ukrainische Öffentlichkeit einen vollständigen Start der elektronischen Einkommenserklärung, auch wenn ihn Präsident Petro Poroschenko immer wieder versprach. Aktivisten und Abgeordnete betonten, dass die “E-Declaration” durchaus normal funktionieren könne und dass die für die Zertifizierung der Software zuständige Behörde die Öffentlichkeit nur in die Irre führe.

Poroschenko hatte damals die einzigartige Gelegenheit, sich wie Ex-Präsident Wiktor Janukowytsch fühlen zu können: Er eröffnete eine U-Bahn-Station, gratulierte ukrainischen Olympioniken zu ihren Medaillen und versuchte, die zunehmende Kritik sowohl innerhalb des Landes als auch im Ausland zu ignorieren. Doch Journalisten, die Zivilgesellschaft und die westlichen Partner erhöhten ihren Druck. Es ging sogar so weit, dass in der Ukraine dazu aufgerufen wurde, dem Land keine visafreie Einreise in die EU sowie keine weiteren Finanzhilfen zu gewähren.

Doch der Westen brauchte diesen Rat nicht. Von sich aus erklärte der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Ukraine ohne die Einführung der “E-Declaration” kein Geld bekommen werde – drei Milliarden US-Dollar und weitere 1,2 Milliarden Euro von der Europäischen Union. Und die betonte, Visafreiheit für die Ukrainer werde es nur geben, wenn eine echte Bekämpfung der Korruption beginnt. Voraussetzung dafür sei ein vollständiger Start der “E-Declaration”. Ein Gespräch des ukrainischen Präsidenten mit Donald Tusk, dem Präsidenten des Europäischen Rates, brachte Poroschenko wohl auch davon ab, mit seinem Volk und seinen Partnern ein falsches Spiel treiben zu wollen.

Am 31. August teilte Poroschenko schließlich mit, die Zertifizierung sei abgeschlossen. Auch der “Staatliche Dienst für besondere Kommunikation und Datenschutz” bestätigte die Übergabe des Zertifikats an das Nationale Anti-Korruptionsbüro (NABU), das jetzt Vermögens-Angaben von Beamten prüfen und gegebenenfalls gegen sie ermitteln kann.

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Ausblick in die Zukunft

Die Auswirkungen eines Scheiterns der elektronischen Einkommens- und Vermögenserklärung konnten die Ukrainer schon am Morgen des 15. August auf ihrem Weg zur Arbeit sehen: die Landeswährung Hrywnja sackte gegenüber dem US-Dollar und Euro ab. So reagierte der ukrainische Markt auf die zu erwartende Nachricht, dass das Land keine Finanzhilfen bekommen könnte. Nach zwei Wochen hat sich der Hrywnja-Kurs leicht erholt, doch ohne Finanzhilfen des IWF und der EU wird er nicht wieder auf den Stand von vor zwei Wochen kommen können.

Die Visafreiheit mit der EU ist für die Ukrainer wie ein Geschenk unter dem Weihnachtsbaum. Sie ist ein Ergebnis von zwei Jahren Arbeit. Sie zu verlieren, nur weil Beamte das Land drei Jahre zurück katapultieren wollen, ist keine schöne Vorstellung. Der Übergang von der Theorie zur Praxis im Kampf gegen die Korruption ist nicht nur eine Forderung der EU im Zusammenhang mit der Visafreiheit, die sich die Ukrainer seit mehr als zwei Jahren sehnlichst wünschen. Doch wie stark muss die Öffentlichkeit den Präsidenten noch unter Druck setzen, damit endlich Ergebnisse erzielt werden?