Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 20. bis 26. September 2016

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine bleibt angespannt. In der vergangenen Woche wurde ein ukrainischer Soldat getötet und 14 weitere verletzt. Insgesamt wurden die ukrainischen Streitkräfte 144 Mal beschossen.

Politische Vereinbarungen. In Minsk wurde von der trilateralen Kontaktgruppe ein Rahmenabkommen unterzeichnet, um die Kräfte und Militärtechnik in drei Bereichen mit bestimmten Koordinaten zu entflechten. Das Dokument sieht eine Deeskalation in den Bereichen der Kontaktlinie vor und schafft damit faktisch die Bedingung, damit dort keine Waffen mehr zum Beschuss der Gegenseite genutzt werden können. Gleichzeitig sieht das Rahmenabkommen die vollständige Erfüllung vorheriger Vereinbarungen der trilateralen Kontaktgruppe vor, Waffen mit einem Kaliber unter 100 Millimetern von der Kontaktlinie abzuziehen.

Der gesamte Prozess soll nicht länger als 30 Tage dauern. In jedem Bereich wurde eine Entflechtungszone bestimmt: mindestens zwei Kilometer breit und zwei Kilometer tief. Dabei soll der Abzug von beiden Seiten gespiegelt werden und in Anwesenheit von OSZE-Beobachtern stattfinden. Nach Abschluss des Abzugs von Kräften im Donbass ist es verboten, dass dort wieder Soldaten erscheinen, außer Beobachter des gemeinsamen Zentrums zur Kontrolle und Koordination der Feuerpause (JCCC).

Aufgrund ihrer humanitären Bedeutung wurden Stanyzja Luhanska, Solote und Petrowske als erste Bereiche zum Abzug der Konfliktparteien im Donbass bestimmt. Dies teilte die vom Präsidenten der Ukraine Bevollmächtigte zur friedlichen Lösung des Konflikts im Donbass, Iryna Heraschtschenko, mit. Bei Stanyzja Luhanska befindet sich eine zerstörte Brücke, die repariert werden muss. In Solote wurde im März eine Kontrollstelle zur Ein- und Ausreise eröffnet, aber die pro-russischen Milizen gaben dafür keine Erlaubnis. Gleiches bei Petrowske.

Die OSZE begrüßt die Vereinbarung zur Entflechtung und zum Abzug schwerer Waffen in den Bezirken Petrowske, Solote und Stanizja Luhanska, was in Minsk durch die trilaterale Kontaktgruppe am vergangnen Mittwoch erreicht wurde. Dies erklärte Alexander Hug, erster stellvertretender Vorsitzende der OSZE-SMM in der Ukraine, während einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center. Er sagte, dass die wichtigste Aufgabe heute darin besteht, der SMM in der ATO-Zone Zugang zu den Lagern gewährleisten, wohin beide Seiten ihre Waffen abziehen sollen.

Die Sondermonitoringmission der OSZE in der Ukraine verpflichtete sich, die Situation im Konfliktgebiet im Donbass 24 Stunden am Tag zu überwachen. „Zum ersten Mal, und das ist sehr wichtig, verpflichtete sich die OSZE, die Situation 24 Stunden am Tag zu kontrollieren. Das heißt, wir werden absolut genau wissen, wer und wann das Abkommen verletzt“, teilte der ukrainische Vertreter zu Sicherheitsfragen bei den Verhandlungen in Minsk, Ewgenij Martschuk, mit, als er die Vereinbarungen vom 21. September erläuterte.

„Vorwahlen“ im Donbass. Die Pressestelle der „Donezker Volksrepublik“ („DVR“) kündigte für den 2. Oktober 2016 „Vorwahlen“ an. Der Prozess zur Akkreditierung von Journalisten begann bereits. Die „DVR“ veröffentlichte die „Verordnung“ über die Durchführung einer „Abstimmung“. Diese Prozedur ist nicht mit der ukrainischen Seite vereinbar. Die „DVR“ erklärte, dass die „Vorwahlen“, die von Gruppen durchgeführt werden, keine Wahlen sind, sondern nur eine vorbereitende Abstimmung. Die „DVR“ ist ebenfalls davon überzeugt, dass durch diese „Abstimmung“ die Minsker Vereinbarungen nicht verletzt werden.

Sachartschenko erklärte bei der Vorstellung seiner Kandidaten, die bereits die Bezirks- und Stadtverwaltung von Donezk leiten, dass die „Vorwahl“ für die „DVR“ eine Möglichkeit sei, in Zukunft bei denen zu gewinnen, die dann bei den Lokalwahlen kandidieren werden.

Die ukrainische Vertreterin für politische Fragen bei der trilateralen Kontaktgruppe, Olha Ajwasowska, meinte, dass die pro-russischen Militärverbände durch die Wählerregistrierung und das Aufstellen von Listen für die „Vorwahlen“ planen, den Kreis ihrer Anhänger zu bestimmen, sowie Gegner, die sie daraufhin verfolgen können.

Menschenrechte: Prozess gegen Moslems von der Krim und Drohungen gegen deren Anwalt

2015 wurden Nuri Primow, Ruslan Sejtullajew, Ferat Sajfullajewa und Rustem Waitow, vier Krimbewohner, beschuldigt, bei der Organisation „Hizb ut-Tahrir“ (sie gilt in Russland als Terrororganisation) mitzuwirken und deshalb wurden sie verhaftet. Am 7. September verurteilte ein Gericht in Rostow die vier zu 5-7 Jahren Gefängnisstrafe. Um gegen die Willkür zu protestieren, hörten die Moslems die Urteilsverkündung mit zugeklebten Mündern.

Der für die vier aus Sewastopol stammenden Moslems zuständige Staatsanwalt war mit dem Urteil nicht einverstanden und reichte Berufung ein. Er fordert, die Haftstrafe für Ferat Sajfullajewa als Anführer der muslimischen Organisation zu erhöhen.

Gleichzeitig erklärte der Anwalt der vier, Emil Kuberdinow, dass er unter Druck gesetzt wird. Zum einen beantragte eine Untersuchungsführung die Enthebung des Anwalts in diesem Fall. Später, als der Anwalt an zwei FSB-Mitarbeiter eine Erklärung schrieb, die ihre Vollmachten überschritten, erhielt Kuberdinow Antwort von der Militärstaatsanwaltschaft. Der Anwalt könne keine Strafsache anregen und ihm wurde erklärt, dass er selbst durch seine Tat ein Verbrechen begangen habe. Allerdings werde zunächst nicht gegen den Anwalt ermittelt. Das heißt: sollte er noch einmal eine Erklärung an den FSB schreiben, wird gegen ihn ermittelt werden.

Annektierte Krim: Jahrestag der Blockade

Ein Jahr Krim-Blockade – Was hat die Bürgeraktion erreicht? Vor einem Jahr, am 20. September 2015, begann an der Verwaltungsgrenze zur Krim eine unbefristete friedliche Bürgeraktion, die von krimtatarischen und ukrainischen Aktivisten organisiert wurde. Seitdem werden Warenlieferungen vom ukrainischen Festland aus in die von Russland vorübergehend besetzte Halbinsel blockiert. Ebenfalls blockiert wird die Stromzufuhr. Ziel der Blockade ist die Deokkupation der Krim und die Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine.

Am 24. September fanden an der Verwaltungsgrenze zur annektierten Krim, neben dem Kontrollpunkt „Tschongar“, Veranstaltungen statt, die sich dem Jahrestag der öffentlichen Krimblockade widmeten. Die Aktion wurde mit Krimtatarischen und ukrainischen Flaggen begleitet und von Lenur Isljamow und dem Vorstand der Medschlis des Krimtatarischen Volkes, Refat Tschubarow, geleitet, die zur Grenze kamen.

Wirtschaft

Naftogaz. Vor zwei Wochen war Konflikt zwischen „Naftogaz“ und dem Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel eines der Hauptthemen in den ukrainischen Medien. Die Regierung entschied, die Private Aktiengesellschaft „Ukrtransgaz“ eigenständig zu machen und sie aus der Kontrolle der Nationalen Aktiengesellschaft „Naftogaz Ukrainy“ zu lösen. Darüber wurde „Naftogaz“ nicht informiert, und das trotz Vereinbarungen mit internationalen Partnern.

Am 19. September hob das Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel seine Entscheidung aufgrund der breiten gesellschaftlichen Resonanz auf. Außerdem erklärte Ministerpräsident Wolodymyr Hrojsman, dass die Staatsholding nicht mehr durch dieses Ministerium geleitet wird, sondern kollegial durch das Ministerkabinett.

Es wurde eine Arbeitsgruppe zu Fragen über die Reformierung von „Naftogaz“ gegründet, sowie zum Betrieb des ukrainischen Gastransportsystems und des Staatsunternehmens „Ukrtransgaz“. Die Gruppe, die von Vizeministerpräsident Wolodymyr Kistion geleitet wird, besteht außerdem aus Spezialisten der Weltbank, der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, sowie der außerordentlichen und bevollmächtigten US-Botschafterin in der Ukraine, Marie Yovanovitch.

Neues Gesetz über den Energiemarkt. In der vergangenen Woche beschloss die Werchowna Rada in einem Gang zwei Kernentscheidungen. Am Donnerstag wurde der Gesetzentwurf „Über den elektronischen Energiemarkt“ in erster Lesung angenommen, der die Einführung von mehr Konkurrenz auf dem Strommarkt vorsieht, einschließlich für Einzelunternehmen, indem der Endverbraucher den Stromlieferanten auswählen kann.

Die Verbraucher werden die Vorteile dieses Gesetzes bemerken, da damit auf dem Strommarkt eine Konkurrenzsituation geschaffen wird.

Der Beschluss dieses Gesetzentwurfs erlaubt es insgesamt, auf dem Strommarkt für Konkurrenz zu sorgen und einen unabhängigen Betreiber des ukrainischen Energiesystems zu schaffen, was es neuen Energieerzeugern erleichtert, ihren Strom auf dem Energiemarkt zu verkaufen.

Den zweiten wichtigen Schritt unternahm die Werchowna Rada am Donnerstag in der zweiten Lesung des Gesetzes „Über die Nationalkommission zur Regulierung im Bereich der Energie und Kommunaldienstleistungen“. Durch das Gesetz soll ein unabhängiger Regler auf dem ukrainischen Energiemarkt entsprechend europäischen Normen gegründet werden.

ProZorro. Die Budgeteinsparungen durch die Nutzung des Systems für elektronische öffentliche Beschaffungen, „ProZorro“, das ab 1. August von allen staatlichen Auftraggebern genutzt werden muss, erreichten bereits vier Milliarden Hryvna. Diese Daten wurden auf der Website der Businessanalysten von ProZorro veröffentlicht. Die Anzahl der Ausschreibungen erreichte seit Einführung des Systems 208.000; die Anzahl der beteiligten Handelsunternehmen lag bei 11.170.

75. Jahrestag der Tragödie von Babyn Jar

Kiew gedenkt der Tragödie von Babyn Jar. Am 29. September jährt sich der Massenmord an Juden in Babyn Jar zum 75. Mal. Im Rahmen der Gedenkfeier finden mehrere Veranstaltungen statt. Darunter ein Symposium mit folgenden Referenten: Timothy Snyder, Karel Berkhoff und Norman Naimark, sowie Shimon Redlich, der den Holocaust überlebte. Außerdem werden am 28. September die Gewinner des internationalen Architekturwettbewerbs vorgestellt. Ziel des Wettbewerbs war, Babyn Jar in einen Gedenkpark umzugestalten. Projekte kamen aus Slowenien, Frankreich, den USA, aus Dänemark und aus der Ukraine.

Die Ukraine auf dem Weg zur Überwindung der Korruption – Ergebnisse einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie aus dem Jahr 2015

In den letzten Jahren wurden eine Reihe von Gesetzesänderungen verabschiedet und neue Institutionen geschaffen. Wie hat das die Wahrnehmung der Korruption bei den Ukrainern beeinflusst? Die Umfrage umfasst die Jahre zwischen 2011 und 2015. Video mit den Ergebnissen der Studie.

95 Prozent der befragten Ukrainer betrachten die Korruption im Alltag als eines der dringendsten Probleme. 93,8 Prozent gaben an, es gebe im Alltag Korruption seitens der Behörden. Zwei Drittel der Befragten wurden im Laufe eines Jahres mit Korruption konfrontiert. 86 Prozent beurteilen das Ausmaß der Korruption in der Gesellschaft als überdurchschnittlich hoch. 38 Prozent der Erwachsenen lehnen Korruption als inakzeptabel ab. 50 Prozent gestehen, sich an Korruption zu beteiligen, wenn dadurch Vorteile entstehen. Im Jahr 2015 wurde die Hälfte der Befragten mit Schmiergeld-Forderungen konfrontiert. Zwei Drittel der Befragten halten die Verkehrspolizei (wurde 2015 aufgelöst) und das Justizwesen für sehr korrupt. Am häufigsten werden die Menschen zu inoffiziellen Geldzahlungen aufgefordert: in medizinischen Einrichtungen (69 Prozent), in Schulen (64 Prozent), bei der Polizei (51 Prozent), in höheren Bildungseinrichtungen (49 Prozent), von der Verkehrspolizei (43 Prozent) und in Behörden, wenn es um Genehmigungen geht (44 Prozent).

Zwischen 2011 und 2015 hat die Bestechung bei Anträgen für Darlehen und Kredite bei staatlichen Einrichtungen zugenommen (von 7 auf 22 Prozent), bei der Privatisierung sowie Nutzung von Grundstücken (von 32 auf 40 Prozent) und bei Appellen an das Justizwesen (von 26 auf 33 Prozent).

Zurückgegangen sind im Vergleich zum Jahr 2011 Schmiergeldzahlungen bei Zollkontrollen (von 36 auf 23 Prozent), bei kommunalen Dienstleistungen (von 28 auf 22 Prozent), bei der Einberufung zum Militärdienst (von 26 auf 15,5 Prozent) und bei der Gewährung von Sozialleistungen (von 9 auf 5 Prozent).

Die Ukrainer lehnen immer bewusster ab, Bestechungsgelder anzubieten. Im Jahr 2015 boten 35 Prozent der Befragten Bestechungsgelder an, im Jahr 2011 waren es noch 40 Prozent. So ging beispielsweise das Angebot an Bestechungsgeldern bei der Gewährung staatlichen Wohnraums von 30 Prozent im Jahr 2011 auf 10 Prozent im Jahr 2015 zurück.

Im Jahr 2015 machten 24 Prozent der Befragten die einfachen Menschen für die Bekämpfung der Korruption mitverantwortlich, im Jahr 2011 waren es 18 Prozent. Ein Drittel der Befragten ist bereit, Widerstand gegen Korruption zu leisten. Jedoch nur 2 Prozent der Menschen, die Opfer von Korruption geworden sind, erstatteten Anzeige.

Die Ukrainer glauben, dass die Medien am wirksamsten die Korruption bekämpfen (27 Prozent), gefolgt von Nichtregierungsorganisationen (28 Prozent). Allerdings werden die Maßnahmen der neu gegründeten Institutionen zur Korruptionsvermeidung von den Befragten als wenig wirksam eingeschätzt – des Lustrations-Ausschusses (12 Prozent) und des Nationalen Anti-Korruptionsbüros (8 Prozent).

Im Vergleich zu den Vorjahren beteiligen sich die Ukrainer heute seltener an korrupten Machenschaften. Sie machen verstärkt auch die einfachen Bürger für die Bekämpfung der Korruption mitverantwortlich und befürworten harte Maßnahmen gegen korrupte Menschen.

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

„Die ukrainischen Teilnehmer der Paralympics kehrten mit einer Rekordzahl an Medaillen aus Rio zurück“. Reportage von Ukraine Today

„Das Parlament versagt, Richter zu entlassen, die in Korruptionsfälle verwickelt sind“. Reportage KyivPost

„Deutschland verweigerte einem ukrainischen Olympia-Sieger zum zweiten Mal ein Visum“. Reportage von Ukraine Today

„Die Grauzone der Ukraine: Kriegskohle“. Reportage von Hromadske International

„Muschenko: „Die Russische Armee ist ein Koloss auf tönernen Füßen“. Reportage von Ukraine Today

„Ära der Kommunikation: die Ukraine diskutiert leidenschaftlich über ihre Zukunft“. Reportage von Ukraine Today

„Die EU will im nächsten Monat die Visumspflicht für Ukrainer aufheben – Johannes Hahn“. Reportage von Ukraine Today

„Das ukrainische Parlament erkennt die russischen Dumawahlen insgesamt nicht an“. Reportage von Ukraine Today

„Ein pro-russischer Militäranführer aus der Ostukraine wurde in der Nähe von Moskau erschossen“. Reportage von Ukraine Today

„Die pro-russischen Milizen schlagen vor, 47 Ukrainer gegen 618 pro-russische Gefangene auszutauschen“. Reportage von Ukraine Today

Interviews

„Steinmeier überbrachte eine zwiespältige Botschaft“, Interview von Hromadske International mit Konrad Schuller, einem deutschen Journalisten.

„Die Strategie von Steinmeier untergräbt die Position der EU und Deutschlands zur Ukraine“, Interview von Hromadske International mit Rebecca Harms, Abgeordnete des Europaparlaments.

„Russen fürchten sich eher vor radikalen Änderungen als vor wirtschaftlichen Folgen“, Interview von Hromadske International mit einem Korrespondenten von „The Economist“.

Meinungen

„Putin verliert jeden verbleibenden Raum zum Manövrieren – Politologe Alexander Khara“. Artikel von Ukraine Today

„Sieben Gründe, die Vorschläge von Steinmeier und Ayrault abzulehnen – Politologe Alexander Khara“. Artikel von Ukraine Today

Analysen

„Durchbruch im Donbass: Ein ukrainischer Vertreter offenbart Details über einen neuen Deal“. Analyse von Ukraine Today

„Eine Woche in der Rada – was wurde vom 20. bis 23. September getan“. Analyse von Analyse von KyivPost

„Das Beste und Schlimmste von der YES-Konferenz 2016 in Kiew“. Analyse von KyivPost