Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 10. bis 16. Januar 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine: Befreiung des Donbass, Sawtschenko-Liste

Die Lage im Kampfgebiet in der Ostukraine ist nach wie vor schwierig. In der vergangenen Woche wurden die ukrainischen Streitkräfte von den prorussischen Rebellen 414 Mal beschossen. Dabei wurden drei ukrainische Soldaten getötet und 21 weitere verletzt.

Der Chef des Generalstabs, Wiktor Muschenko, hat während eines Treffens mit dem ersten stellvertretenden Leiter der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Alexander Hug, darauf aufmerksam gemacht, dass der Beschuss seitens der prorussischen Truppen verstärkt worden sei. Ihm zufolge findet der Beschuss ukrainischer Positionen zu etwa 60 Prozent abends oder nachts statt, wenn die Patrouillen der OSZE-SMM keine Beobachtungen vornehmen. Die Rebellen setzen weiterhin schwere Waffen ein, darunter Granatwerfer mit einem Kaliber von 82 und 122 Millimetern sowie Artillerie mit einem Kaliber von 152 Millimetern.

Politische Erklärungen: Befreiung des Donbass. Der stellvertretende Minister für Fragen der vorübergehend besetzten Gebiete und Binnenflüchtlinge, Heorhij Tuka, geht davon aus, dass die Befreiung des Donbass bereits im Herbst 2017 beginnen wird. Dazu würde es kommen, nicht weil die Ukraine bereit sei, Wahlen in den vorübergehend besetzten Gebieten durchzuführen, sondern weil Russland diese Gebiete einfach finanziell nicht weiter unterstützen werde. Die Bewohner der sogenannten “Donezker Volksrepublik“ hatten bereits über einen deutlichen Zahlungsverzug bei ihren Gehältern seitens Russlands berichtet (Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk“).

Die einzige Kontroll- und Passierstelle zur Ein- und Ausreise im Gebiet Luhansk könnte geschlossen werden. Die ukrainischen Behörden vor Ort schließen dies wegen der Eskalation des Konflikts nicht aus. An dieser Kontroll- und Passierstelle in Stanyzja Luhanska ist vor kurzem ein ukrainischer Soldat von einem Scharfschützen erschossen worden. Stanyzja Luhanska ist Teil der Entflechtungszone der Truppen der Konfliktparteien, die am 21. September 2016 von der Trilateralen Kontaktgruppe vereinbart wurde. Die Truppen sollten innerhalb von 30 Tagen entflochten werden. Doch dies gelingt bereits seit über drei Monaten nicht.

Die Sawtschenko-Listen. Die ukrainische Parlamentsabgeordnete Nadija Sawtschenko hat eine Liste ukrainischer Geiseln veröffentlicht (129 Gefangene und 494 Vermisste), die in den besetzten Gebieten der Regionen Donezk und Luhansk festgehalten werden. Ferner hat sie eine Liste mit Namen derer veröffentlicht, die die Vertreter der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” im Tausch von der ukrainischen Seite bekommen wollen (524 Anhänger der “Volksrepublik Donezk” und 283 Anhänger der “Volksrepublik Luhansk”). Die Namen der Gefangenen stammen Sawtschenko zufolge nicht aus offiziellen Quellen. Ukrainische Experten stellten jedoch in den Listen Fehler fest und der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) verurteilte die Veröffentlichung der persönlichen Angaben der Gefangenen. Laut SBU entsprechen die Sawtschenko-Listen nicht den Listen, mit denen das offizielle Zentrum zur Befreiung der Gefangenen arbeitet. Nach den Vorwürfen korrigierte Sawtschenko ihre Listen. Einige Personen auf den Listen haben mit dem Konflikt im Donbass nichts zu tun. Sie sind im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu den Erschießungen während des Euromaidans, der Tragödie in Odessa vom 2. Mai 2014 sowie wegen einer möglichen Beteiligung an Terroranschlägen in Charkiw in Untersuchungshaft.

Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Der Donezker Blogger Stanislaw Wasin hat einen Artikel darüber veröffentlicht, wie die prorussischen Rebellen Minderjährige für einen Einsatz an der Front ausbilden. Die Ausbildung erfolgt an folgenden Militärschulen und Gymnasien: “Akademie des Ministeriums für innere Angelegenheiten der Donezker Volksrepublik”, “Donezker Höhere Militärkommando-Schule” und “Beregowoj-Internat zur militärischen und physischen Ausbildung”. Die Kadetten erhalten eine militärische und ideologische Ausbildung. Es werden neue Kommandanten für die militärischen Strukturen der sogenannten “Donezker Volksrepublik” in den folgenden Bereichen ausgebildet: Aufklärung, Panzertruppen, Infanterie und für die Abteilung der stellvertretenden politischen Offiziere.

Ukraine nimmt russischen TV-Kanal “Doschd” aus Kabelnetzen

Am 12. Januar hat der Nationale Rundfunkrat der Ukraine den russischen TV-Sender “Doschd” von der Liste der Sender gestrichen, die in den ukrainischen Kabelnetzen verbreitet werden dürfen. Grund dafür ist die Tatsache, dass der Sender im Laufe des Jahres 2016 mehrfach die Halbinsel Krim als Gebiet der Russischen Föderation dargestellt und mehrmals russische Werbung auf dem Gebiet der Ukraine ausgestrahlt hat.

Gegen diese Entscheidung sind eine Reihe internationaler Organisationen. So verurteilte die OSZE-Vertreterin für Medienfreiheit, Dunja Mijatovic, das Vorgehen der Ukraine. Auch der Ausschuss zum Schutz der Rechte von Journalisten der Organisation Freedom House hat die Behörden aufgefordert, diese Entscheidung wieder rückgängig zu machen. So meint auch die Organisation Reporter ohne Grenzen, dass die ukrainischen Behörden “gesunden Verstand und Verständnis” an den Tag legen sollten.

Verurteilt haben das “Doschd”-Verbot auch russische Vertreter. So sprach der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitrij Peskow von einer “Fortsetzung der destruktiven Politik der ukrainischen Führung”. Die Vertreterin des russischen Außenamtes Marija Sacharowa bezeichnete Kiews Vorgehen gegen den TV-Sender als “paradoxen Akt der Zensur”. Sie kündigte an, die OSZE darüber zu informieren. Übrigens ist in Russland selbst “Doschd” bereits im Jahr 2014 bei den wichtigsten Kabel-TV-Anbietern abgeschaltet worden.

Die ukrainische Öffentlichkeit unterstützt die Entscheidung des Rundfunkrates. Die stellvertretende Parlamentspräsidentin Iryna Heraschtschenko stellte empört fest, dass obwohl in Russland eine große ukrainische Diaspora lebe, es dort keinen einzigen ukrainischen TV-Kanal gebe. Über diese Tatsache rege sich die internationale Gemeinschaft genauso wenig auf wie über die Blockade ukrainischer Sender in Teilen der Regionen Donezk und Luhansk. Sie betonte, ausländische Sender hätten in der Ukraine ukrainische Gesetze einzuhalten. Der Parlamentsabgeordnete Mustafa Najem bedauerte die Abschaltung von “Doschd” in der Ukraine. Zugleich wies er darauf hin, dass der Sender die Verfassung der Ukraine zu respektieren habe.

Der Sender “Doschd” selbst bedauert die Entscheidung des ukrainischen Rundfunkrates. Die Generaldirektorin des TV-Kanals, Natalja Sindejewa, sagte, der Sender werde auf dem Territorium der Ukraine über eine IP-Verbindung ohne kommerzielle Werbung verbreitet. Die Arbeit des Senders entspreche der russischen Verfassung, gemäß der die Krim Subjekt der Russischen Föderation sei. Unterdessen wird immer häufiger im ukrainischen Segment von Facebook und Instagram Werbung für den Sender “Doschd” betrieben.

Ukrainischer Sendeturm für die Halbinsel Krim

Nahe der Grenzstelle Tschongar zwischen der Ukraine und der vorübergehend von Russland besetzten Krim ist ein Sendeturm errichtet worden. Er ist 108 Meter hoch und wird Radio- und TV-Programme auf die Krim ausstrahlen. Das erklärte der Leiter der staatlichen Bezirksverwaltung, Oleksandr Worobjow. Laut dem Mitglied des Nationalen Rundfunkrates der Ukraine, Serhij Kostynskyj, wird der Sendeturm in einem Monat seinen Betrieb aufnehmen.

Menschenrechte: Unmenschliche Haftbedingungen ukrainischer politischer Gefangener auf der Krim

Der Rechtsanwalt Emil Kuberdinow hat der Krim-Menschenrechtsgruppe über die Haftbedingungen ukrainischer Bürger in Simferopol berichtet. Die Inhaftierten würden über Überbelegung, schlechte Hygiene sowie über Mangel an angemessener Ernährung und medizinischer Versorgung klagen. Kuberdinow zufolge werden den politischen Gefangenen, von denen die meisten seit fast einem Jahr in Haft sind, keine Besuche von Familienangehörigen erlaubt. Ferner sagte der Anwalt, dass die Zahl der Häftlinge in den Zellen die erlaubte um das Doppelte übersteige, weswegen die Menschen nacheinander schlafen müssten. Zudem würden sie im Essen immer wieder Haut mit Haaren finden.

Umfrage: Hat die Welt Angst vor Russland?

Laut einer Umfrage der russischen Stiftung “Öffentliche Meinung“, die von der russischen Nachrichtenagentur “Interfax” veröffentlicht wurde, glauben 86 Prozent der Russen, dass andere Länder Angst vor Russland haben. 70 Prozent meinen, dass Russland ein freies Land sei. Laut den veröffentlichten Angaben sind 67 Prozent überzeugt, dass der Einfluss Russlands in der Welt in den letzten Jahren gewachsen sei. 48 Prozent gaben an, dass mit Russland in der Welt schlecht umgegangen werde, 42 Prozent gaben das Gegenteil an. Zugleich finden 51 Prozent der Befragten, dass die Haltung gegenüber Russland in der Welt im Allgemeinen nicht objektiv sei. Laut einer Umfrage des russischen Lewada-Zentrums sind 68 Prozent der Russen der Meinung, dass Russland Feinde hat, 18 Prozent sind vom Gegenteil überzeugt.

Kultur: Folkloristischer Karneval in der Bukowina und Keramik in Slowjansk

Malanka-Fest in der Bukowina. Mehr als 40 Folkloregruppen sind in Czernowitz und in Ortschaften der Region zum traditionellen Malanka-Fest am 13. Januar zusammengekommen. Das Festival geht auf die ursprünglichen Winterfeste in der Bukowina zurück und erinnert ein wenig an Karneval. Die Teilnehmer verkleiden sich mit Kostümen der Figuren aus den traditionellen ukrainischen Krippenspielen und singen Weihnachts- und Neujahrslieder. Dabei werden auch aktuelle Themen eingebunden, darunter der Krieg im Osten des Landes sowie die Frage der visafreien Einreise für ukrainische Staatsbürger in die EU.

Keramik-Produktion in Slowjansk. Traditionelle Keramik aus der Stadt Slowjansk, nahe der Front im Osten der Ukraine ist das Thema einer Ausstellung im städtischen Landeskunde-Museum. Sie ist Teil des Projekts des Ukraine Crisis Media Center mit dem Titel “Das Museum ist zur Renovierung geöffnet”.

Absurdität der Woche: Donezker Rebellen-Hasen gegen die “Kiewer Junta”

Rebellen der Terrororganisation “Donezker Volksrepublik” haben zu Neujahr ein Video gedreht mit dem Titel “Weihnachten gerettet”. Darin wehren die uniformierten Terroristen mit Hasenohren-Masken und Waffen in der Hand einen Sabotageakt eines ukrainischen Soldaten ab, den sie Grauer Wolf nennen. Der Geschichte des Videos nach hat das Kommando der Streitkräfte der Ukraine eine Operation organisiert, um die Feierlichkeiten anlässlich des Neujahr- und Weihnachtsfestes zu stören. Das “Märchen” wurde auf dem YouTube-Kanal des sogenannten “Verteidigungsministeriums der Donezker Volksrepublik” veröffentlicht.

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Trump über eine mögliche Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Reportage von KyivPost.

Der Oligarch Pintschuk und mögliche Zugeständnisse im Szenario der Kapitulation. Reportage von The Day

Weihnachten unweit der Frontlinie in der Ostukraine. Reportage von The Day.

Frauen im Krieg: Krankenschwester und Funkerin. Reportage von Hromadske International.

Frauen in der ukrainischen Armee: Die Geschichte der Maria Berlinska. Reportage von Hromadske International

Meinung

Hoffnung für die Ukraine. Leitartikel von KyivPost.

Von Versöhnung keine Rede. Leitartikel von KyivPost.

Analyse

Anne Applebaum: Genug der Sorge über mögliche geheime Verbindungen zwischen Putin und Trump. Das, was schon bekannt ist, ist schlimm genug. Kolumne für KyivPost.

Der Pintschuk-Plan: Warum es falsch ist, von der Ukraine Zugeständnisse zu fordern. Analyse von Hromadske International.