Regierungsplan zur Reintegration des Donbass: pro und contra und Alternativen

Am 11. Januar verabschiedete das Ministerkabinett der Ukraine einen Plan zur Reintegration der Bevölkerung in den nicht von Kiew kontrollierten Gebieten im Donbass. Das Dokument enthält 17 Maßnahmen, mit deren Umsetzung in den nächsten Tagen beginnen werden soll. Diese Schritte sollen den Bewohnern in den besetzten Gebieten von Donezk und Luhansk faktisch ihre verfassungsmäßigen Rechte als ukrainische Staatsbürger zurückgeben.

Das Ukraine Crisis Media Center veröffentlicht eine gekürzte Fassung des Artikels von Hromadske

1. Wirtschaftliche und humanitäre Fragen. Bis März sollen die Beamten und Gesetzgeber entscheiden, wie Kinder in den selbsternannten “Donezker und Luhansker Volksrepubliken“ eine mittlere Schulausbildung laut dem ukrainischen Programm erhalten. Außerdem sollen sie die Arbeitsbedingungen für medizinische und humanitäre Organisationen vereinfachen (im Kampf gegen Tuberkulose, HIV-Infektionen, Zuckerkrankheit usw.) und den Bewohnern der vorübergehend besetzten Gebiete Zugang zu notwendigen Gütern (vor allem Medikamenten) ermöglichen und Waisen in sichere Regionen der Ukraine überführen.

Zudem bleiben Fragen über die Vereinfachung der Besteuerung von Gesellschaften in den besetzten Gebieten, sowie die Gehaltszahlung an Mitarbeiter von Staatsunternehmen und die Arbeitsvergabe an Bewohner der Kontaktlinie in den nichtbesetzten Gebieten von Donezk und Luhansk.

2. Korruptionsbekämpfung. Der Plan zur Reintegration schlägt vor, die Korruption unter Soldaten, Mitarbeitern von Rechtschutzorganen und Sondereinheiten verstärkt zu bekämpfen, die an Checkpoints der Kontaktlinie arbeiten. Bis März sollen die Sicherheitskräfte Instruktionen zur Korruptionsbekämpfung erhalten und an den Ein-/Ausreisecheckpoints sollen Videokameras installiert werden.

3. Die Opposition zum Plan. Die Vizeparlamentssprecherin und Abgeordnete der Fraktion “Samopomitsch”, Oxana Syrojid, kritisierte das vom Ministerkabinett beschlossene Dokument scharf. Sie erklärte, dass es zu früh sei, über einen Reintegrationsplan zu sprechen. Sie nannte diesen Plan einen “russischen”.

Der Vorsitzende der Fraktion “Samopomitsch”, Oleg Beresjuk, unterstützte Oxana Syrojid und erklärte, dass auch Parteimitglieder ihre Position teilen. Nach seinen Informationen wussten die Minister vor der Verabschiedung nicht, was in dem Plan zur Reintegration des besetzten Donbass steht.

4. Alternativen. Oxana Syrojid stellte einen eigenen Plan für die einzelnen Bezirke im Donbass vor. Ihr Gesetzentwurf “Über die vorübergehend besetzten Gebiete der Ukraine” (er wurde 2015 registriert, wurde aber bisher nicht beschlossen) sieht eine Auflösung aller wirtschaftlichen und geschäftlichen Verbindungen mit den von der Ukraine nicht-kontrollierten Gebieten vor, sowie eine offizielle Anerkennung dieser Gebiete als okkupiert.

Der Gesetzentwurf von Syrojid untersagt außerdem Jugendlichen aus den sogenannten Donezker und Luhansker “Volksrepubliken”, ukrainische Universitäten zu besuchen.

Die Abgeordnete erklärte, dass sich die ukrainischen Behörden zwischen der Unterstützung der nicht-kontrollierten Gebiete und dem gerichtlichen Bürokratismus gegen Russland entscheiden müssen, durch den Kiew versucht, die Besetzung dieser Region durch Moskau zu belegen. Syrojid ist davon überzeugt: wenn man den selbsternannten “Volksrepubliken” Strom und Wasser liefert, bestätigen die ukrainischen Behörden damit, dass sie teilweise die Kontrolle über die von pro-russischen Milizen besetzten Gebiete hat, was den Fakt einer äußeren Aggression widerlegt.

5. Plan einer Blockade durch Freiwilligenbataillone. Für eine breit angelegte Blockade der “Donezker und Luhansker Volksrepubliken“ setzen sich auch mehrere ehemalige Kämpfer von Freiwilligenbataillonen ein. Walentyn Licholit, ehemaliger Stabschef des Bataillons “AIDAR” kündigte den Beginn dieser Aktion an. Er stellt Leute zusammen, die Interesse daran haben, mobile Checkpoints zu errichten, wo geplant ist, Menschen aufzuhalten und ihnen Waren wegzunehmen, die über dem Eigenbedarf liegen. Die ehemaligen Kämpfer nennen das “Kampf gegen den Schmuggel an der Kontaktlinie”.

Laut einer Erklärung von Licholit sind bereits 800 Personen bereit, sich zu beteiligen: “Demobilisierte Kämpfer der Bataillone “Donbass”, “AIDAR”, “Tornado”, “Cherson” und von anderen Teilen der ukrainischen Streitkräfte schlossen sich zusammen und entschieden, unseren Gefangenen zu helfen, die sich in den besetzten Gebieten als Geiseln befinden.”

Die Blockade des besetzten Donbass trug 2014 laut Aussagen von Licholit dazu bei, viele ukrainische Soldaten aus der Gefangenschaft frei zu bekommen.

6. Sicherung der Verbindung zwischen den Menschen. Wadym Tschernysch, Minister zu Fragen der vorübergehend besetzten Gebiete lehnte die Aussage ab, dass der Reintegrationsplan “russisch” sei. Nach seinen Angaben wurde das Dokument durch das Ministerkabinett deshalb verabschiedet, um die Menschen zu reintegrieren, die in den nicht von Kiew kontrollierten Gebieten von Donezk und Luhansk leben, um vorrangig ihre Verbindung zur Ukraine zu erhalten.

Der Minister unterstützte den Regierungsvorsitzenden Woloadymyr Hrojsman. Der Ministerpräsident erklärte, die Kinder aus den Gebieten von Donezk und Luhansk treffe keine Schuld, dass die Ukraine die dortige Kontrolle verloren hat.

Während der Feierlichkeiten zum Tag der Einheit verteidigte Präsident Petro Poroschenko das Dokument, das vom Ministerkabinett verabschiedet wurde. Nach seiner Meinung würde eine Blockade, wie sie manche Abgeordnete vorschlagen, Russland in die Hände spielen.

7. Ein vollständiger Verbindungsabbruch – unmöglich? Die Beamten und Abgeordneten, die über das Thema einer Blockade und Reintegration des Donbass streiten wollen, müssen zuerst das humanitäre Völkerrecht achten, meinte der stellvertretende Minister für Fragen zu den vorübergehend besetzten Gebieten, Georgij Tuka. Nach seinen Worten wird die Weltgemeinschaft die Handlung als Genozid einstufen, wenn die Ukraine den sogenannten “Republiken” kein Wasser mehr liefert. In diesem Fall “ziehen wir unzählige internationale Sanktionen auf uns”, erklärte Georgij Tuka (dabei liefert die Ukraine kein Frischwasser aus dem Dnipro auf die besetzte Krimhalbinsel und bisher gab es deshalb keinerlei Sanktionen).

Tuka ergänzte, dass das vom Ministerkabinett verabschiedete Dokument keine offiziellen Kontakte mit den Führern der “Donzeker und Luhansker Volksrepubliken“ vorsieht. Doch nach seiner Meinung wäre es falsch, alle Bewohner der besetzten Gebiete im Donbass Separatisten zu nennen. Eine Wirtschaftsblockade sieht er als ineffektive Methode zur Reintegration der besetzten Gebiete. Solche Aktionen würden nach seiner Meinung dazu führen, dass die Teile im Donbass, die nicht unter der Kontrolle von Kiew stehen, endgültig verloren wären.