EU-Abkommen als Leitfaden für Reformen in der Ukraine – eine Bilanz

Vertreter der ukrainischen Regierung und des Parlaments haben eine positive Bilanz über die Reformen im Lande gezogen. Die Ukraine lasse sich bei den Reformen vom Assoziierungsabkommen mit der EU und dem Abkommen über eine vertiefte und umfassende Freihandelszone leiten. Die Zivilgesellschaft arbeite mit der Regierung in der internationalen Arena zusammen und übe im Lande selbst eine Kontrollfunktion aus. Größte Herausforderung seien nach wie vor die institutionellen Reformen.

Im Vergleich zu allen früheren Jahren ihrer staatlichen Unabhängigkeit hat die Ukraine in den letzten zwei bis drei Jahren sehr große Fortschritte bei der europäischen Integration gemacht. Das stellten Vertreter der Regierung, des Parlaments und der EU-Delegation in der Ukraine während einer Diskussionsrunde im Ukraine Crisis Media Center fest.

Erfolge bei den Reformen

Zur positiven Bilanz zählt die Gründung mehrerer Anti-Korruptions-Behörden, der Start der Dezentralisierungs-Reform sowie die Reformen im Energiesektor, im öffentlichen Beschaffungswesen, bei staatlichen Unternehmen und im öffentlichen Dienst. Iwanna Klympusch-Zinzadse, Vizepremierministerin und Ministerin für europäische und euroatlantische Integration, machte während der Diskussion vor allem auf den Beginn der Justizreform, die Bekämpfung der Korruption und die Einführung der elektronischen Einkommens- und Vermögenserklärung für Staatsbedienstete aufmerksam. Gerade diese sei in Europa beispiellos. “Wir hoffen, dass jetzt diese Behörden, einschließlich der Nationalen Agentur zur Verhütung von Korruption (NASK), klare Regeln und Verfahren für Kontrollen aufstellen und ihre Arbeit aufnehmen”, sagte sie. Das Auswahlverfahren für Richter ist ihr zufolge bei den ausländischen Partnern der Ukraine auf ein positives Echo gestoßen.

Klympusch-Zinzadse betonte ferner, dass der Warenumsatz mit der EU in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 um sechs Prozent zugelegt habe. Beim Handelsumfang liege die EU mit 41 Prozent nun auf dem ersten Platz unter den Partnern der Ukraine. In diesem Jahr sollen der Ministerin zufolge Voraussetzungen für weiteres Wachstum geschaffen werden, und zwar durch zusätzliche autonome Handelspräferenzen (ATP) sowie durch die Reduzierung nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Im vergangenen Jahr sei ein aktualisiertes Memorandum über Verständigung im Energiewesen unterzeichnet worden, das eine strategische Energiepartnerschaft zwischen der EU und der Ukraine vorsehe.

Die Ministerin betonte außerdem, die Ukraine habe den Aktionsplan zur Visaliberalisierung in vollem Umfang erfüllt. Deswegen befinde sich diese Frage derzeit auf einer rein politischen Ebene.

EU-Finanzhilfen für die Ukraine

Thomas Frellesen, stellvertretender Leiter der EU-Delegation in der Ukraine, betonte, dass das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine “das komplexeste ist, welches die EU mit Drittländern jemals abgeschlossen hat”. Frellesen erinnerte daran, dass die EU der Ukraine seit dem Jahr 2014 Hilfsgelder in Höhe von 4,3 Milliarden Euro in Form von Zuschüssen und Darlehen zur Verfügung gestellt habe, von denen die Hälfte bereits gewährt worden sei. Die Makrofinanzhilfe betrage 3,4 Milliarden Euro, davon seien 2,2 Milliarden bereits gewährt worden. Weitere acht Milliarden Euro würden von der  Europäischen Investitionsbank und der EBRD als vergünstigte Kredite und Investitionsgelder zum Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Davon sei bereits die Hälfte gewährt worden.

Institutionelle Reformen

Herausforderung für die Ukraine in diesem Jahr sei, die institutionellen Kapazitäten zu stärken und die Koordinierung zwischen den Behörden zu verbessern, sagte bei der Diskussionsrunde die Abgeordnete und derzeit amtierende Vorsitzende des Ausschusses für europäische Integration im ukrainischen Parlament, Maria Ionowa. “Wir brauchten einen gemeinsamen gesetzlich verankerten institutionellen Mechanismus für das Parlament und die Regierung. Erforderlich ist eine Struktur, die für die Angleichung der ukrainischen Gesetzgebung an die EU-Standards zuständig ist und dies überwacht”, betonte sie.

Klympusch-Zinzadse und Ionowa unterstrichen beide, dass der ukrainischen Regierung die Unterstützung durch Experten aus der Zivilgesellschaft sehr wichtig sei.

Die Rolle der Zivilgesellschaft

Inzwischen spüre die Zivilgesellschaft, dass der Zeitpunkt gekommen sei, von einer Funktion als “Watchdog” zu einer Zusammenarbeit mit den Behörden überzugehen, sagte Iryna Suschko, Expertin der ukrainischen Nichtregierungsorganisation “Reanimation Package of Reforms”. So hätten bereits im vergangenen Jahr Vertreter der Zivilgesellschaft Beratung geleistet und Empfehlungen abgegeben. Sie hätten sich auch mit Partnern in der EU getroffen und ihnen über die Fortschritte in der Ukraine berichtet. Es sei auch ein Verdienst der Zivilgesellschaft, dass die Frage der Gewährung einer visafreien Einreise für ukrainische Staatsbürger in die EU positiv vorangekommen sei, so Suschko. “Im vergangenen Jahr hat die Zivilgesellschaft jeden Schritt der Regierung bei der Korruptionsbekämpfung überwacht und die Reformen in der Ukraine in die EU kommuniziert, weil sich damit niemand befasst habe”, sagte sie.

Die Zivilgesellschaft müsse aber weiterhin die Regierung kontrollieren. “Wir wollen nicht mehr nur fragmentarisch, sondern umfassend die Umsetzung des Assoziierungsabkommens zwischen der Ukraine und der EU überwachen”, sagte Mychajlo Rudenko, Vertreter der ukrainischen Seite bei der zivilgesellschaftlichen Plattform “EU-Ukraine”.