Deutsch-ukrainische Verstimmung am 25. Jahrestag der diplomatischen Beziehungen

Am heutigen 25. Jahrestag der Eröffnung der Deutschen Botschaft in Kiew, ist es zu einem diplomatischen Skandal gekommen. Der deutsche Botschafter in der Ukraine, Ernst Reichel, hat in einem Interview für RBK-Ukraine im Zusammenhang mit den Minsker Vereinbarungen und der Durchführung von Lokalwahlen im Donbass erklärt: “Wahlen im Donbass können nicht unbedingt nur dann stattfinden, wenn es dort keine russischen Truppen mehr gibt oder wenn auf jeder Stadtverwaltung die ukrainische Flagge weht.” Dem Botschafter zufolge können solche Wahlen aber nur dann abgehalten werden, wenn die Bedingungen europäischen Standards entsprechen. So müssten ukrainische Politiker Zugang zu jenen Gebieten des Donbass erhalten und dort ohne Angst Wahlkampf führen können. Nur dann würden die Wahlen jene Standards erfüllen. Als Beispiel führte der Botschafter die letzten Parlamentswahlen in der DDR an, mit denen das kommunistische Regime abgesetzt werden sollte. Jene Wahlen hätten in Gegenwart der Westgruppe der sowjetischen Truppen stattgefunden, noch als das kommunistische Regime in der DDR bestanden habe.

Die Äußerungen des Botschafters sorgten für Wut und heftige Reaktionen im ukrainischen Parlament sowie in der ukrainischen Öffentlichkeit. Sie, aber auch die wichtigsten bisherigen Aussagen ukrainischer und deutscher Politiker zur Frage der Durchführung von Wahlen im Donbass fasst das Ukraine Crisis Media Center noch einmal zusammen:

Im Widerspruch zur offiziellen Politik Deutschlands

Die ukrainische Abgeordnete Hanna Hopko äußerte im Zusammenhang mit den Aussagen des deutschen Botschafters im Namen des ukrainischen Parlaments Empörung. Reichels Aussagen, so Hopko, stünden im Widerspruch zur offiziellen Politik Deutschlands, zu den Minsker Vereinbarungen und zu allen Bemühungen für eine friedliche Lösung des Konflikts im Donbass. Sie betonte, dass die Position des ukrainischen Parlaments klar sei: Wahlen im Donbass gibt es erst dann, wenn die russischen Truppen vom ukrainischen Territorium verschwinden und die ukrainischen Truppen ihre Kontrolle über die Staatsgrenze zwischen der Ukraine und Russland wiederherstellen. Hopko forderte das ukrainische Außenministerium auf, den deutschen Botschafter einzubestellen und mit ihm über sein Interview zu sprechen. Zudem rief sie auf, einen Empfang anlässlich des 25. Jahrestags der Eröffnung der Deutschen Botschaft in der Ukraine zu boykottieren.

Klimkin: Genug der Farcen!

Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin twitterte als Reaktion auf Reichels Äußerungen, dass die Ukraine bereits zwei Urnengänge unter vorgehaltenen russischen Waffen erlebt habe. Gemeint sind das sogenannte Referendum auf der Krim sowie die sogenannten Referenden in den ostukrainischen Regionen Donezk und Luhansk für deren Abspaltung von der Ukraine, die alle im Frühjahr 2014 stattfanden. Klimkin betonte auf Twitter: “Genug der Farcen!”

Deutsche Politiker zur Lage in der Ostukraine

Im Juni 2016 erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Premierminister Wolodymyr Hrojsman, dass derzeit Wahlen im Donbass aus objektiven Gründen nicht möglich seien, da es im Donbass zu gefährlich sei. Notwendig seien zunächst gemeinsame Schritte für einen Waffenstillstand und zur Versöhnung.

Der Ukraine-Beauftragte des Auswärtigen Amts der Bundesrepublik Deutschland, Johannes Regenbrecht, betonte in einem Interview für den ukrainischen TV-Sender Hromadske: “Russland trägt für die Sicherheit in der Ostukraine die Hauptverantwortung. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Grenze ist weiterhin offen, sodass russische Waffen ungehindert (in das Gebiet der Ukraine) geliefert werden können. Uns ist auch die enge Verflechtung Russlands bei der Entwicklung des Konflikts in der Ostukraine bekannt. Der Waffenstillstand kann nur dann stabil sein, wenn die Waffen und bewaffneten Gruppen abgezogen sind.”

Dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestages, Norbert Röttgen, zufolge hat die Krise in der Ukraine mit einer russischen Aggression begonnen und die Russische Föderation hat außerhalb ihrer Grenzen militärische Gewalt gegen die Ukraine eingesetzt. “Russland hat bisher noch nicht die Forderungen erfüllt, die in den Minsker Vereinbarungen deutlich festgeschrieben sind. Und natürlich müssen die schweren Waffen abgezogen und die Region entmilitarisiert werden”, so Röttgen.

Ukrainische Politiker: Wahlen derzeit unmöglich

Der Präsident der Ukraine, Petro Poroschenko, hat wiederholt erklärt, dass Lokalwahlen im Donbass “nicht unter vorgehaltenen Waffen der Rebellen und nur gemäß den ukrainischen Gesetzen und in strikter Übereinstimmung mit den Normen der OSZE stattfinden können”. Auch hält es der Präsident für notwendig, dass eine bewaffnete OSZE-Mission die Kontrolle über die ukrainisch-russische Grenze übernimmt, was das Eindringen russischer Militärs und die Lieferung russischer Waffen stoppen würde. Der derzeitige OSZE-Vorsitzende, der österreichische Außenminister Sebastian Kurz, erklärte in diesem Zusammenhang, eine solche Mission sei nur nach einer Änderung des OSZE-Statuts möglich, der jedoch alle Vertragsstaaten zustimmen müssten.

Die ukrainische Vize-Premierministerin für europäische und euroatlantische Integration, Iwanna Klympusch-Zinzadse, hatte im Sommer 2016 in Gesprächen mit einer Delegation des Monitoring-Ausschusses der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) darauf hingewiesen, dass es unmöglich sei, Wahlen in den besetzten Teilen der Regionen Donezk und Lugansk abzuhalten. “Dieser Teil der Minsker Vereinbarungen kann derzeit aufgrund der Sicherheitslage nicht umgesetzt werden. Nicht einmal die OSZE-Mission hat Zugang zu gewissen Bezirken im Osten der Ukraine. Wie sollen dann die ukrainischen Behörden dort Wahlen durchführen”, so die Ministerin.

OSZE: Wahlen nach wie vor eine dringende Frage

Der Generalsekretär der OSZE, Lamberto Zannier, ist der Ansicht, dass die Durchführung von Wahlen in den Teilen des Donbass, die von der Ukraine nicht kontrolliert werden, nach wie vor eine dringende Frage ist. “Wir müssen sehen, ob Wahlen möglich sind. Sollten sie abgehalten werden, muss das Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) die Sicherheitslage beurteilen. Danach klären wir, was für ein internationales Kontingent dort gebraucht wird. Dann fangen wir mit der Arbeit an, damit die Wahlen auf gebührende Weise durchgeführt werden. Wir werden klären, ob internationale Beobachter ohne Gefahr diese Wahlen besuchen können.”

Rebellen: Weder ukrainische Parteien noch Medien

Der Sprecher des sogenannten “Volksrats der Donezker Volksrepublik”, Andrej Purgin, hat wiederholt erklärt, dass die Rebellen keine ukrainischen Parteien und öffentlichen Organisationen zu den Wahlen im Donbass zulassen würden. Und der Anführer der sogenannten “Donezker Volksrepublik”, Aleksandr Sachartschenko, betont immer wieder, er werde die ukrainischen Medien, die mit ihrer Berichterstattung über den Donbass die ukrainische Regierung unterstützen würden, zu den Lokalwahlen im Donbass nicht zulassen. Ihm zufolge betrifft das alle ukrainischen Medien.