Die Erklärung des deutschen Botschafters ist uninformiert – Meinung

German Ambassador in Ukraine Ernst Reichel

“Diese Erklärung weckt bei den Ukrainer kaum Vertrauen in die westlichen Partner”

Die Arbeit eines Botschafters besteht darin, die Position seiner Regierung zu vertreten. Und die Position der deutschen Regierung besteht darin, dass der Krieg im Donbass, selbst wenn er in Berlin üblicherweise Konflikt oder Krise genannt wird, nur auf Verhandlungsweg beendet werden kann. Der Hauptkanal hierfür ist das “Normandieformat” und das Hauptdokument sind die Minsker Vereinbarungen. Die Erklärung des deutschen Botschafters in der Ukraine, Ernst Reichel, befindet sich zweifellos innerhalb dieses breiten Spektrums.

Diese Meinung äußerte der Chefdirektor für die Programme des Berliner German Marshall Funds “Deutschland-USA”, Joerg Forbrig, in einem Exklusivkommentar bei LB.ua.

“Trotzdem erscheint die Erklärung des Botschafters Reichel gefühllos und uninformiert. Zum einen kam sie in einem Moment, als sich die Kampfhandlungen im Donbass erneut verschärften, als jeden Tag Soldaten starben und als die Lokalbevölkerung an einer humanitären Krise litt. In dieser Situation hat eine Feuerpause oberste Priorität, um das Leiden zu mildern. Sogar die Minsker Abkommen beinhalten eine Unterbrechung der Kriegshandlungen als Ausgangspunkt. Jetzt, in dieser ernsthaften Situation von Wahlen zu sprechen, ist offen zynisch”, meinte der Experte.

“Zum anderen beinhalten die Minsker Vereinbarungen mehrere Maßnahmen, die zur Regelung der Situation im Donbass notwendig sind. Jede davon ist sehr wichtig, aber bisher wurde keine von ihnen erfüllt. Gerade deshalb wurde beim letzten “Normandie-Treffen” im Oktober entschieden, dass eine “Roadmap” notwendig ist, um die Erfüllung der Minsker Vereinbarungen zu erleichtern. In dieser Situation, eine der Bestimmungen, nämlich die Wahlen im Donbass, auszuwählen, ist unfassbar beliebig. Reichel hätte auch jede andere Bestimmung der Minsker Vereinbarungen hervorheben können”, erklärte Forbrig.

“Drittens ist der Vergleich, den der Botschafter zu den letzten Wahlen in der DDR zog, völlig ahistorisch. Diese Wahlen fanden statt, nachdem die Sowjetunion die Breschnew-Doktrin faktisch aufhob [Die Breschnew-Doktrin war ein außenpolitisches Prinzip der Sowjetunion für die osteuropäischen Länder, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs durch die Konferenzen von Jalta und Potsdam zur “sowjetischen Einflusszone” zählten. Sie beinhaltete das Exklusivrecht der UdSSR, sich in die inneren Angelegenheiten von Ländern des Ostblocks einzumischen, einschließlich der Nutzung des Militärs, um politische Änderungen darin zu verhindern]. Moskau gab klar zu verstehen, dass es nicht in die innere Entwicklung der damaligen Satelliten eingreifen wird. Die Sowjetarmee hielt sich in Ostdeutschland effektiv zurück. Allerdings sind die Söldner und die russische Armee deshalb im Donbass, weil Moskau die Breschnew-Doktrin prinzipiell wieder in Kraft setzte. Was die “Revolution der Würde” betrifft, machte sich die Ukraine auf einen selbständigen Entwicklungsweg, aber der Kreml mischte sich militärisch ein, um das Land wieder unter seine Kontrolle zu bringen. Der Botschafter lässt diesen wesentlichen historischen Unterschied offenbar aus”, betonte der Experte.

“Diese Erklärung weckt bei den Ukrainern kaum Vertrauen in die westlichen Partner. Im Gegenteil, sie bestätigt die breite Befürchtung, dass Deutschland und Frankreich die Ukraine als Opfer des russischen Kriegs im Stich lässt. Statt dessen sagt der Botschafter etwas in der Art, dass beide Seiten an dieser schrecklichen Situation gleichberechtigt Schuld hätten. Das kann die Ukrainer nur empören. Es überrascht nicht, dass sich die Ukrainer, wie öffentliche Meinungsumfragen zeigen, immer mehr von Europa enttäuscht fühlen”, schloss Forbrig.

Der German Marshall Fund ist eine unabhängige amerikanische Institution, die sich mit Staatspolitik und Stipendien beschäftigt. Ziel des Funds ist, zur Zusammenarbeit und zum gegenseitigen Verständnis zwischen den USA und Europa beizutragen.

Es sei daran erinnert, dass der Ausschuss für ausländische Angelegenheiten des ukrainischen Parlaments wegen der Worte des deutschen Botschafters eine Demarche formulierte.

Außerdem wurde der deutsche Botschafter wegen seiner Erklärung zu den Wahlen im Donbass ins ukrainischen Außenministerium einbestellt.