Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 28. Februar bis 6. März 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

In der vergangenen Woche hat sich die Lage in der Ostukraine verschärft. Die Anzahl des Beschusses seitens der prorussischen Militärverbände hat sich verdoppelt. Die Rebellen setzen weiterhin schwere Waffen ein. Awdijiwka wurde erneut beschossen. Am 3. März wurde hier eine Schule und ein Kindergarten infolge des Beschusses beschädigt. Die Wohnbezirke wurden ebenfalls mehrmals beschossen. Das Gebäude, in dem sich ein Beobachtungsposten der ukrainischen Seite des Gemeinsamen Zentrums zur Koordinierung und Kontrolle der Waffenruhe befindet, wurde von einem Panzer getroffen.

Die Arbeit der OSZE wird behindert. Die Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (SMM-OSZE) teilt mit, dass ihre Drohne unweit der Donezker Filterstation abgeschossen wurde.

Handel mit den vorübergehend besetzten Gebieten. Die ukrainische Regierung hat Regeln zur Beförderung von Waren in die Zone der Anti-Terror-Operation veröffentlicht. Sie ermöglichen ukrainischen Unternehmen, humanitäre Waren (Nahrungs- und Arzneimittel), aber auch Güter, die für die Stahlindustrie, den Kohlebergbau und die Stromerzeugung notwendig sind, über die Kontaktlinie in die Ostukraine zu liefern.

Schmuggel: Machenschaften zwischen Unternehmern auf beiden Seiten. Die Journalisten des Projektes “Donbass.Realii“ (Realität des Donbass) von Radio Liberty haben neue Wege aufgedeckt, die von Geschäftemachern auf beiden Seiten der Kontaktlinie genutzt werden, um Waren in die vorübergehend besetzten Gebiete zu bringen. Es hat sich herausgestellt, dass die von den ukrainischen Behörden errichteten Logistikzentren – kleine Märkte mit ukrainischen Waren, die das Leben der Menschen jenseits der Kontaktlinie erleichtern sollen – zu wahren Umschlagplätzen geworden sind. In den Zentren ist Großhandel verboten. Trotzdem bestellen Kunden aus den vorübergehend besetzten Gebieten große Mengen von Waren. Nach der Bestellung kommen Bewohner aus den vorübergehend besetzten Gebieten und kaufen angeblich diese Waren für sich selbst. Aber nachdem sie die Kontaktlinie überquert haben, laden sie all die Waren in einen LKW. Dabei kommen mehrere Tonnen zusammen. Solche “Kuriere“ bekommen 150 Rubel pro Gang über die Kontaktlinie. Die ukrainische Seite weist zurück, dass die Logistikzentren für Schmuggel genutzt werden.

Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Iryna Sampan, Korrespondentin bei Hromadske Radio, verbrachte eine Woche in dem unkontrollierten Donezk, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das Leben dort ist. Nachdem sie die sogenannte “Donezker Volksrepublik” betrat, bemerkte sie Zitate von Sachartschenko (dem “Anführer der Republik”) auf Werbeanzeigen an den Straßen, sowie Symbole in den Farben der Russischen Flagge und des Georgsbands und das Gesicht von Putin auf T-Shirts. In Donezk gibt es zwischen 23 Uhr und 5 Uhr eine Ausgangssperre. Clubs, Pubs und andere Vergnügungseinrichtungen sind meist bis 22 Uhr geöffnet. Teure Restaurants sind voll. Sie werden von den verschiedensten Menschen besucht: in Anzügen, wahrscheinlich Geschäftsleuten, Grüppchen von Freunden, von Verliebten oder Familien mit Kindern. In den Lebensmittelläden befinden sich relativ wenig lokale Produkte, dafür stammen die meisten Waren aus Russland, dann kommen ukrainische, obwohl es eine Handelsblockade gibt. Andere Waren sind weißrussischer Herkunft und selbst aus Westeuropa sind welche zu finden (zum Beispiel Schweizer Schokolade). Die Befürworter der “Russischen Welt”, die in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten leben, sind relativ gering. Sie verteidigen die Slogans der “Russischen Welt”, hassen alles ukrainische und Poroschenko im besonderen. Sie sind davon überzeugt, dass ukrainische Soldaten kommen wollen, um sie zu töten. Die Gruppe, die dem Prinzip “interessiert mich nicht” folgen, ist größer. Sie vermeiden es, ihre Meinung zu sagen und sich an Diskussionen zu beteiligen. Sie leben so, als hätte sich nichts geändert. Es gibt auch eine pro-ukrainische Seite des Donbass, selbst wenn es sich um eine relativ kleine Gruppe handelt. Auf die Frage der Journalistin, warum sie nicht in von der Ukraine kontrollierte Gebiete flüchten, antworteten sie: “Wenn wir gehen, wird gar nichts ukrainisches mehr hier bleiben.” Die Unterstützer der Ukraine denken aber auch, dass offene Gespräche nichts ändern würden und dass es gefährlich wäre (Bilder).

Der Fall Nasirow: Was bedeutet die Verhaftung des Leiters der Steuerbehörde?

Das ukrainische Nationale Anti-Korruptions-Büro hat dem Leiter des Staatlichen Fiskaldienstes der Ukraine, Roman Nasirow, vorgeworfen, den Staat um zwei Milliarden Hrywnja geschädigt zu haben. Nasirow wurde für die Dauer der Ermittlungen von seinem Amt suspendiert. Derzeit entscheidet das Gericht über eine präventive Maßnahme gegen ihn.

Wer ist Nasirow? Roman Nasirow leitete die Staatliche Steuerbehörde seit Mai 2015. Zu deren Chef wurde er nach einem vom Finanzministerium durchgeführten Auswahlverfahren. Davor war Nasirow Parlamentsabgeordneter des “Blocks Petro Poroschenko” und saß dem Steuerausschuss des Obersten Rates der Ukraine vor. Davor war er als Investmentbanker und stellvertretender Direktor der Staatlichen Getreide-Korporation tätig, eines der größten Staatsunternehmen in der Landwirtschaft, das sich auch mit dem Export von Getreide befasst und die staatlichen Reserven bildet.

Warum steht er unter Verdacht? Die Ermittler des Nationalen Anti-Korruptions-Büros werfen Nasirow vor, er habe dabei geholfen, kriminelle Machenschaften der Firmengruppe von Oleksandr Onyschtschenko zu verdecken. Der Parlamentsabgeordnete Onyschtschenko ist inzwischen aus der Ukraine nach London geflohen. Er wird verdächtigt, mit Machenschaften bei der Gasförderung den Staat um Millionen betrogen zu haben. Seine Firmen hatten keine Abgaben an den Staat gezahlt, die für die Nutzung von Bodenschätzen in der Ukraine anfallen – im Fall Onyschtschenko also bei der Erdgasförderung. Dafür zahlte Onyschtschenkos Firmengruppe Geld auf Konten des staatlichen Gasförderunternehmens “Ukrgaswydobuvannja” ein, als angebliche Gewinne aus gemeinsamen Aktivitäten. Dafür räumte die Staatliche Steuerbehörde Onyschtschenkos Firmen unbegründet die Möglichkeit von Ratenzahlungen für zu zahlende Abgaben ein. Nach Angaben der Parlamentsabgeordneten Tatjana Tschornowol unterzeichnete der Leiter der Steuerbehörde Roman Nasirow eine entsprechende Anweisung zugunsten Onyschtschenkos Firmen. Zu dem Zeitpunkt hätten die Steuerschulden bereits eine  Milliarde Hrywnja betragen. Seitdem hätten sie sich verdoppelt, so Tschornowol. Nasirow unterzeichnete aber einen weiteren Zahlungsaufschub. Nasirow selbst hatte zuvor in Medien erklärt, er erinnere sich nicht an die Umstände, unter denen er entsprechende Dokumente unterzeichnet habe, mit denen Onyschtschenkos Firmen Vergünstigungen gewährt wurden. “Ich habe pro Tag 800 bis 900 Dokumente unterzeichnet, manchmal mehr als 1000. Ich versuche, mich an alles zu erinnern, aber ich kann nicht jedes unterzeichnete Dokument oder jede Ratenzahlung, die konkreten Bedingungen und Zahlen einfach so behalten”, sagte Nasirow.

Nasirow vor Gericht. Am 2. März, dem Tag seiner Verhaftung, ließ sich der Leiter der Staatlichen Steuerbehörde, Roman Nasirow, sofort in das staatliche Feofania-Krankenhaus in Kiew einweisen. Ihm folgten dorthin die Ermittler des Nationalen Anti-Korruptions-Büros und die Ankläger der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft. Den ganzen Tag über wurden die Räume der Staatlichen Steuerbehörde durchsucht. Beschlagnahmt wurden Dokumente.

Im Fall Onyschtschenko fehlte nur noch der wichtigste Verdächtige, eben Nasirow. Die Detektive mussten direkt ins Krankenhaus fahren, um ihn zu holen. Dort wurde er verhaftet und ins Gericht gebracht. Ein Richter sollte eine präventive Maßnahme gegen ihn verhängen. Er lag seit seiner Verhaftung angeblich schwer krank auf einer Bahre. Die ganze Nacht vom 6. auf den 7. März ließen ihn Aktivisten nicht aus dem Gerichtsgebäude, weil sie befürchteten, dass könnte fliehen. Vor der Gerichtsverhandlung stand Nasirow plötzlich auf und konnte auf einmal gehen, obwohl seine Verteidigung behauptet hatte, er habe einen Herzinfarkt erlitten.

Die Ukraine klagt gegen Russland vor dem Internationalen Gerichtshof

Am 6. März beginnen die Anhörungen im Fall der Verletzungen des Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus und der Konvention über die Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung durch Russland. Die Ukraine hatte Mitte Januar eine entsprechende Klage beim Internationalen Gerichtshof der UNO in Den Haag gegen Russland eingereicht. In ihrer Klage beruft sich die Ukraine auf die Tatsache, dass Russland die Rechte der nicht-russischen ethnischen Gruppen auf der besetzten Krim verletzt, und dass Russland seit 2014 die illegalen bewaffneten Gruppierungen im Donbass finanziert. Die ukrainische Delegation leitet die stellvertretende Außenministerin Olena Serkal, die russische der Direktor der Rechtsabteilung des Außenministeriums der Russischen Föderation, Roman Kolodkin. Das Ukraine Crisis Media Center hatte bereits über die Klage der Ukraine gegen Russland berichtet und die rechtlichen Aspekte des Falls sowie einen möglichen Erfolg der Klage erläutert.

Umfrage: Hochschulbildung in der Ukraine

Im Dezember 2016 hat die Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” zusammen mit der Firma “Ukrainian Sociology Service” eine landesweite Umfrage  zur Hochschulbildung in der Ukraine durchgeführt. Nach Ansicht etwa eines Drittels der Befragten sind die größten Probleme im ukrainischen Hochschulwesen:

– Korruption unter Lehrkörpern (37 Prozent)

– Fehlende Anerkennung ukrainischer Diplome in anderen Ländern (34 Prozent)

– Fehlende Anpassung des Lehrplans an den Arbeitsmarkt (32 Prozent)

Um die Hochschulbildung zu verbessern, müsste nach Ansicht der Bevölkerung in erster Linie die Korruption und Unehrlichkeit in der Hochschulbildung bekämpft werden (44 Prozent), Forschungsaktivitäten in den Hochschulen gefördert werden (39 Prozent), die Löhne der Lehrkörper erhöht werden (37 Prozent) und eine Zusammenarbeit mit den besten Hochschulen der Welt aufgebaut werden (35 Prozent).

Kultur: Ukrainische Modedesigner in Paris und London

Ukrainische Modedesigner haben in Paris ihre Kollektionen der Marken Anton Belinskiy, Stas Kalashnikov, Masha Reva, Drag & Drop und Frolov vorgestellt. Unter anderem war die Kollektion von Anton Belinskiy Teil der diesjährigen Paris Fashion Week. Noch bis zum 8. März ist im Ukrainischen Kulturzentrum in Paris (22 avenue de Messine) ein Showroom der Designer zu sehen.

Zuvor haben sieben ukrainische Designer in London im Rahmen der London Fashion Week bei der Ausstellung International Fashion Showcase die Ukraine vertreten. Während der Veranstaltung stellten die teilnehmenden Länder junge Designer in Form von Installationen vor. Die Ukraine zeigte Arbeiten von Flow the Label, Jean Gritsfeldt, Alina Zamanova, Frolov, Yana Chervinska, DZHUS und The COAT by Katya Silchenko.

Sport: Fünf erfolgreiche Wochen im ukrainischen Tennis

Am 5. März hat die ukrainische Tennisspielerin Lesia Tsurenko das Turnier im mexikanischen Acapulco gewonnen. In den letzten beiden Partien des Finales schlug Tsurenko die Französin Kristina Mladenovic. Der Sieg in diesem Turnier war der dritte in der Karriere der Ukrainerin und ermöglichte ihr, auf der Liste der 50 besten Tennisspieler aufzusteigen. Mit diesem Sieg setzten die ukrainischen Tennisspieler ihre Serie erfolgreicher Turniere in den letzten fünf Wochen fort. In dieser Zeit gelang es der besten ukrainischen Tennisspielerin Elina Svitolina, zwei Turniere (Dubai und Taiwan) zu gewinnen und unter die Top 10 der besten Tennisspielerinnen aufzusteigen. Sie half zudem dem ukrainischen Team, den australischen Gegner beim Fed Cup zu schlagen. Darüber hinaus gewann die 14-jährige Marta Kostiuk das Junior Australian Open und Alexandr Dolgopolov ein Turnier in Buenos Aires.

Wirtschaft. Deutsche Exporte in die Ukraine. 2016 exportierten deutsche Unternehmen um 18 Prozent mehr Waren und Dienstleistungen in die Ukraine als im Jahr zuvor. Darüber berichtete der Ostausschuss der deutschen Wirtschaft am Mittwoch, den 1. März. Deutsche Unternehmen exportierten Waren und Dienstleistungen im Wert von 550 Millionen Euro. “Nach zwei Jahren Rezession kehrt die Ukraine wieder zu einem Wachstum zurück. Deshalb steigt auch das Interesse der deutschen Wirtschaft… 2016 stiegen nicht nur unsere Exporte wesentlich, sondern auch die Importe aus dem Land. Sie nahmen um 6,5 Prozent zu”, betonte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Wolfgang Büchele (Pressemitteilung auf Deutsch).

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Eine Mission des Internationalen Währungsfonds hat die Ukraine besucht: Einschätzungen. Reportage von UNIAN.

Der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte: Die Anzahl der zivilen Opfer des bewaffneten Konfliktes in der Ostukraine hat sich verdoppelt. Reportage von UNIAN.

Haben die Organisatoren der Handelsblockade des Donbass recht oder irren sie? Reportage von The Day.

Griechen in der Ukraine: Das Leben nahe der Frontlinie. Reportage von Hromadske International.

Analyse

Wie sich die Blockade des Donbass auf die Produktion und Lieferung von Stahl auswirkt. Analyse von Hromadske International.

Trumps Doktrin und die Ukraine. Analyse von The Day.