Was hinterlässt die Nationalbank-Chefin Walerija Hontarewa und warum tritt sie zurück?

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Am 10. April hat die Chefin der Nationalbank, Walerija Hontarewa, erklärt, sie scheide zum 10. Mai dieses Jahres aus dem Amt aus. Gerüchte über einen möglichen Rücktritt hatte es in den letzten Monaten immer wieder gegeben. Dennoch kam ihre Entscheidung, die Nationalbank zu verlassen, überraschend. Gemäß der ukrainischen Verfassung wird die Leitung der Nationalbank auf Vorschlag des Präsidenten vom Parlament für sieben Jahre ernannt. Hontarewa wurde vom Parlament am 19. Juni 2014 im Amt bestätigt. Aber warum gibt sie nun das Amt vorzeitig auf? Eine Analyse des Ukraine Crisis Media Center.

“Mission erfüllt”, oder was hat Hontarewa erreicht?

Hontarewa teilte mit, sie trete auf eigenen Wunsch zurück, da sie ihre “Mission” erfüllt und Reformen in der Nationalbank eingeleitet habe. Doch was war ihre Mission und welche Erfolge kann die in der Geschichte der Ukraine erste Frau auf dem Posten der Chefin der Nationalbank vorweisen?

Verringerung unzuverlässiger Banken. Während Hontarewas Amtszeit ist die Anzahl der Banken in der Ukraine um fast die Hälfte zurückgegangen. Die Nationalbank hat Stresstests im Bankenwesen durchgeführt und hat alle Banken, die die Tests nicht bestanden haben, für insolvent erklärt und vom Markt genommen. Zu Beginn des Jahres 2014 gab es in Ukraine 180 Banken. Jetzt sind es laut offiziellen Statistiken der Nationalbank nur noch 92 funktionierende Geldinstitute. Dementsprechend wurden innerhalb von drei Jahren 88 Banken zahlungsunfähig erklärt.

Marktkurs der Devisen. Unter der Nationalbank-Chefin Hontarewa wurde die ukrainische Hrywnja auf fast ein Drittel des Wertes abgewertet. Die Abwertung der Währung hatte viele externe Gründe. So war der Zustand der ukrainischen Goldreserven nach der Flucht des ukrainischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowytsch nach Russland katastrophal. Hinzu kam, dass die Wirtschaft durch die Annexion der Krim durch Russland und die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine einbrach. Unter diesen schwierigen Bedingungen wagte es die Nationalbank, sich gegen einen festen Wechselkurs zu entscheiden, der unter Janukowytsch nur aufrecht gehalten wurde, indem die Gold- und Währungsreserven “verfeuert” wurden. Die Nationalbank mit Hontarewa an der Spitze führte einen flexiblen Wechselkurs ein, was übrigens der Internationale Währungsfonds (IWF) immer wieder gefordert hatte.

Gleichzeitig, um die Hrywnja vor einem drastischen Absturz zu bewahren, führte die Nationalbank Beschränkungen für den Erwerb von Devisen ein und verpflichtete Exporteure, ihre Deviseneinnahmen zu verkaufen. Nach Erhalt einer weiteren Tranche des IWF am 5. April 2017 lockerte die Nationalbank die Beschränkungen. Heute darf man pro Tag Währung in Höhe von 150.000 Hrywnja (umgerechnet 5000 Euro) kaufen und Exporteure müssen nur noch 50 Prozent ihrer Deviseneinnahmen verkaufen.

Offenlegung der Eigentümer von Banken. Im März 2015 verabschiedete das Parlament ein Gesetz, mit dem die Haftung der Aktionäre erhöht wurde. Und im Sommer desselben Jahres verpflichtete die Nationalbank die Banken, anzugeben, wer ihre letztlichen Eigentümer sind. Seitdem müssen alle Geldinstitute offenlegen, wer ihre Nutznießer sind. Im Falle einer Weigerung droht der Bank, vom Markt genommen zu werden. Auf der Internetseite der Nationalbank kann man nun nachsehen, wem welche Bank gehört.

Die Verringerung der Anzahl unzuverlässiger Banken, der flexible Währungskurs und die transparenten Eigentumsverhältnisse haben die Lage im Bankenwesen deutlich verbessert. Die Gold- und Devisenreserven haben sich von 7,5 Milliarden Dollar im Jahr 2014 auf 15 Milliarden im Jahr 2017 verdoppelt.

Was könnte Hontarewas Rücktritt bedeuten?

Während der fast dreijährigen Amtszeit von Walerija Hontarewa gab es immer wieder Kritik. Einerseits von den Eigentümer der Geschäftsbanken, die mit den Maßnahmen der Nationalbank unzufrieden waren, und andererseits von den ukrainischen Bürgern, die mit der drastischen Abwertung der Hrywnja und den Beschränkungen zum Erwerb ausländischer Währung unzufrieden waren. Vor der Nationalbank gab es oft Kundgebungen von angeblich betrogenen Einlegern bankrotter Banken. Heftige Kritik gab es auch nach der Veröffentlichung von Hontarewas elektronischer Einkommens- und Vermögenserklärung. Es kam heraus, dass die Nationalbank-Chefin ihre Ersparnisse in Dollar und nicht in der Landeswährung hält, und zwar 1,831 Millionen Dollar auf einem Konto bei der staatlichen Ukreximbank und 61.900 Dollar bei der ukrainischen staatlichen Oschadbank. Dieser permanente Druck könnte einer der Gründe für ihren freiwilligen Rücktritt sein. Aber er ist wohl kaum der Hauptgrund.

Ermittlungen des Nationalen Anti-Korruptions-Büros der Ukraine (NABU). Hontarewas Rücktritt könnte vielmehr mit Ermittlungen des NABU gegen die Führung der Nationalbank in Verbindung stehen.  Am 29. März hatten NABU-Detektive Durchsuchungen bei der Nationalbank durchgeführt. Sie richteten sich nach Angaben des NABU-Leiters Artem Sytnyk gegen die Leitung der Nationalbank.

“Bereits seit mehreren Monaten ermitteln wir gegen die Leitung der Nationalbank der Ukraine im Zusammenhang mit der Veruntreuung von Geldern, die mehreren Geschäftsbanken zu Refinanzierung zugeteilt worden waren”, sagte der NABU-Chef. Ihm zufolge wurden hohe Geldsummen, die die Geschäftsbanken erhalten hatten, aus der Ukraine in Offshores oder ausländische Banken überwiesen. Sytnyk betonte, solch große Finanzoperationen “können  nicht ohne die Beteiligung der Nationalbank getätigt werden”. Er versicherte, seine Behörde werde praktisch die gesamte Führung der Nationalbank auf eine mögliche Beteiligung an jenen Operationen hin überprüfen. Der dadurch entstandene Gesamtschaden könnten sich auf mehrere Milliarden belaufen.

Wird es Hontarewa wie Nasirow ergehen? Beobachtern zufolge gilt Hontarewa als Partnerin und Vertraute von Präsident Poroschenko. Bevor sie Nationalbank-Chefin wurde, leitete sie die Investmentgesellschaft ICU, die über viele Jahren Poroschenkos Finanzberater war, noch vor seiner Wahl zum Präsidenten.  ICU berät Poroschenkos auch jetzt im Zusammenhang mit dem Verkauf seines Süßwarenherstellers “Roshen”. Als Hontarewa in den öffentlichen Dienst wechselte, verkaufte sie jedoch ihre Beteiligung an der Investmentgesellschaft.

Die sensationelle Verhaftung des Vorsitzenden der Staatlichen Steuerbehörde, Roman Nasirow, durch Mitarbeiter des NABU (Link zu Artikel) und der Druck, der von der Partei “Block Petro Poroschenko” in der Frage der Ernennung eines Auditors für das NABU (Link zu Artikel) ausgeübt wird, zeigt, dass die Partei des Präsident allen Grund hat, Ermittlungen seitens des NABU zu fürchten. Die Ermittlungen des NABU gegen die Führung der Nationalbank könnte für Hontarewa mit einem “Nasirow-Szenario” enden. Eine Festnahme und Bestrafung Hontarewas könnte sich daher auf die gesamte Staatsführung negativ auswirken. Somit könnte Hontarewas “freiwilliger Rücktritt” ein rechtzeitiger Rückzug eines Spielers vom Feld sein, der der Mannschaft des Präsidenten nur noch schaden könnte.