Kreativwirtschaft: Wie Ukrainer mit Ideen Geld verdienen

In entwickelten Ländern beschert die Kreativwirtschaft dem Budget bedeutende Einnahmen, die oftmals höher als die der traditionellen Industrie liegen. Zum Beispiel generiert die Kreativwirtschaft von Großbritannien 100 Milliarden Pfund pro Jahr und wächst jährlich um 9 Prozent. Die Kreativwirtschaft der USA nähert sich einer Trillion US-Dollar.

Und wie sieht es in der Ukraine aus?

2016 lag die Ukraine mit knapp 2.000 US-Dollar beim BIP pro Kopf von 189 Ländern auf dem 138. Platz. Das ist um das fünffache weniger als das Durchschnittsergebnis auf der Welt.

In der Ukraine leben 16,9 Millionen wirtschaftlich aktive Bürger. Davon arbeiten zirka 470.000 Bürger in der Kreativwirtschaft (2,8 Prozent der arbeitenden Bevölkerung). Sie erwirtschaften für das Land zirka 104 Milliarden Hrywnja (zirka 4,4 Prozent des BIP).

Die IT-Entwicklung und Kreativdienstleistungen wurden kürzlich zu den zwei der sieben Hauptrichtungen für die Exportstrategie der Ukraine für 2017-2021, die im März 2017 vom Ministerium für Wirtschaftsentwicklung und Handel vorgestellt wurde.

Das Ukraine Crisis Media Center veröffentlicht eine gekürzte Version des Artikels von Liga.net, in dem die Umsätze der ukrainischen Kreativmärkte analysiert wurden.

IT-Sektor

IT-Dienstleistungen sind der größte Markt in der Gesamtstruktur der Kreativwirtschaft. Die ukrainischen IT-Unternehmen und IT-Spezialisten arbeiten hauptsächlich für ausländische Kunden. Nach Einschätzungen von Vertretern der IT-Industrie betrug der Umsatz 2016 bis zu 3 Milliarden US-Dollar, was 3,3 Prozent des ukrainischen BIPs darstellt. Laut Daten, die von der European Business Association bereitgestellt wurden, brachte der Export von IT-Produkten 5,8 Milliarden Hrywnja Steuern in das ukrainische Budget, was um 30 Prozent mehr war als 2015. Dabei gibt es bereits Regionen, in denen die IT eine sehr große Bedeutung für die lokale Wirtschaft hat – zum Beispiel in Lwiw.

„Vor sieben Jahren beschloss die Lwiwer Stadtführung eine Entwicklungsstrategie und heute produzieren bereits 200 IT-Unternehmen 14,4 Prozent des Stadt-BIPs“, sagte Oleg Denis, Vizepräsident von SoftServe, einer der größten IT-Unternehmen des Landes.

Wie viele IT-ler gibt es in der Ukraine? In den vergangenen 12-15 Jahren erlebte der ukrainische Markt für IT-Spezialisten eine explosionsartige Zunahme. Heute arbeiten zirka 100.000 ukrainische Spezialisten in diesem Bereich. Laut einer Untersuchung von PricewaterhouseCoopers (PwC) könnte die Anzahl der IT-Spezialisten bis 2020 bereits bei über 140.000 Personen liegen.

Neue Horizonte. Das größte Potential des ukrainischen IT-Markts sind technologische und produktive Startups. Unsere Unternehmer wurden bereits durch führende Weltkonzerne berühmt (Erfolge und Rückschläge im ukrainischen IT-Bereich 2016). Zum Beispiel wurde 2015 bekannt, dass die Startups Locksery und Snapchat aus Odessa für eine Rekordsumme von 150 Millionen US-Dollar gekauft wurden.

Die Werbearmee

Die ukrainische Werbebranche richtet sich im Unterschied zum IT-Sektor auf den Binnenmarkt. Nach verschiedenen Einschätzungen sind in diesem Bereich zirka 200.000 Personen beschäftigt. Der Marktumsatz für Medienwerbung betrug im vergangenen Jahr nach Einschätzungen der Gesamtukrainischen Werbekoalition (WRK) 11,6 Milliarden Hrywnja. Und in diesem Jahr wird ein Wachstum von bis zu 27 Prozent auf 14,8 Milliarden Hrywnja prognostiziert.

Das Hauptproblem dieses Markts ist der Brain-Drain von Spezialisten in lukrativere Branchen der Kreativwirtschaft – IT und Startups.

Production. Eine besonders aussichtsreiche Richtung dieses Markts ist die Herstellung von Content. Artem Wakaljuk, Analyst bei Media Resources Management, bewertet den ukrainischen Markt für Production mit mehreren Milliarden Hrywnja. Im Bereich der Production arbeiten zehntausende Personen. Im Land gibt es sechs große Production-Studios mit einem Personalbestand von jeweils zirka 1.500 Mitarbeitern. Außerdem gibt es mehrere kleine Studios.

Abendfüllende Filme bewerben sich bisher eher auf dem Niveau von Filmfestivals. Grund dafür, so der Analyst, sind Budgeteinsparungen, was sich in der technischen, graphischen und visuellen Umsetzung von Ideen zeigt.

Bei den Exportmöglichkeiten von Serien sieht es noch düsterer aus. Wenn das Budget einer Serie, die heute in der Ukraine gedreht wird, bei zirka 50.000 US-Dollar liegt, fängt das Mindestbudget für eine Serie in Europa, die für internationale Märkte produziert wird, bei 500.000 Euro an.

Nach seiner Meinung sind Trickfilme heute für die Ukraine weit aussichtsreicher. Im vergangenen Jahr kam der 3D-Trickfilm „The Dragon Spell“ ins Kino, der in 10 Ländern gezeigt wurde. Bei den Rechten für die Filme „Die gestohlene Prinzessin“ und „Mavka“ (beide 2018) laufen auch Verkaufsverhandlungen.

Außerdem gibt es in der Ukraine mehrere große Unternehmen, die sich mit der Produktion von kommerziellen Werbefilmen und Videoclips beschäftigen: LimeLite, VGNC oder Radioaktive Film. Manche Gesellschaften produzieren auch Spezialeffekte für Hollywood-Blockbuster und Clips für Stars aus dem Showgeschäft. Zum Beispiel war die Gesellschaft Gloria FX aus Dnipro an Spezialeffekten für die Band Coldplay beteiligt.

Handarbeit

Die Nachfrage nach Handarbeit wächst in großer Geschwindigkeit. In der Ukraine kann dieser Markt nur indirekt bewertet werden. Nach Schätzungen sind in dieser Branche 120.000 Personen beschäftigt, die bereits durch den Verkauf ihrer Produkte etwas verdienen. Der Marktumsatz beträgt mehrere Dutzend Millionen Hrywnja. In der Ukraine gibt es mehrere Onlineplattformen, wo die Hersteller ihre Produkte verkaufen (crafta.ua, skrynya.ua oder zrk.in.ua). Dort sind zwischen 50.000 und 200.000 Artikel aufgeführt. Allein bei Crafta werden jeden Monat Waren für bis zu 7 Millionen Hrywnja (zirka 2,3 Millionen Euro) verkauft. Die meisten Verkäufe werden aber nicht im Internet abgewickelt. Deshalb ist es schwierig, den „Grauteil“ zu bewerten.

Mode

Ein in Schwung gekommener Markt besteht aus Dienstleistungen im Design- und Modebereich (fashion design). In der Ukraine finden in letzter Zeit immer mehr lokale Modeschauen statt (fashion weeks, fashion days). Dabei nicht nur in der Hauptstadt Kiew, sondern auch in den Regionen, wie in Odessa oder Lwiw.

Bis vor kurzem nähten 90 Prozent der ukrainischen Kleiderhersteller nach Einschätzung von Experten ihre Produkte für den Export. Gerade ändert sich dieses Verhältnis allmählich zugunsten des Binnenmarkts.

Wie die Gründerin der ukrainischen Akademie für die Modeindustrie, Zarina Semenyuk, berichtet, beginnt gerade ein Boom für junge ukrainische Designer.

4.500 Unternehmen gehören zur ukrainischen Leichtindustrie und bieten 150.000 Arbeitsplätze. Nach Daten des Staatlichen Statistikamts Gosstat betrug der Umsatz der ukrainischen Leichtindustrie 2016 zirka 16,9 Milliarden Hrywnja. 12-17 Prozent (zirka 3 Milliarden Hrywnja) der ukrainischen Leichtindustrie sind Designprodukte der Modeindustrie.

Buchverlage

Ein klassisches Segment der Kreativwirtschaft sind Buchverlage. Wie der Generaldirektor des Charkiwer Verlags Folio, Alexander Krasowizkij, meint, kann dieser Markt heute in der Ukraine mit 160 Millionen US-Dollar (4,3 Milliarden Hrywnja) bewertet werden. Mehr als die Hälfte des Marktanteils besteht derzeit aus russischen Büchern (trotz des Importverbots von kommerziellen Werken). In der Verlagsindustrie arbeiten nach annähernden Schätzungen bis zu 10.000 Personen. Leider werden nur wenige zeitgenössische ukrainische Autoren im Ausland veröffentlicht.

Musik

Einer der lebendigsten Kreativmärkte in der Ukraine ist der Bereich von Shows, Konzerten und Festivals. Laut Daten über den Ticketverkauf von Karabas.ua, steigt die Anzahl solcher Veranstaltungen in der Ukraine bereits das zweite Jahr in Folge (2015 – um 42 Prozent; 2016 um 56 Prozent).

Laut Daten des ukrainischen Verbands für Direktmarketing lag der Umsatz dieses Markts 2013 bei 17,5 Millionen US-Dollar. 2016 näherte sich der Umsatz auf knapp 25 Millionen US-Dollar.