Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 18. bis 24. April 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

OSZE-Beobachter in der Ostukraine getötet. Am 23. April ist im Gebiet Luhansk ein Wagen von Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa auf eine Mine gefahren (Video). Der Vorfall ereignete sich unweit des Dorfes Pryschyb, das sich unter der Kontrolle der Rebellen der “Luhansker Volksrepublik” befindet. Bei der Explosion kam ein Beobachter ums Leben, der US-Bürger ist. Zwei weitere Beobachter aus Deutschland und der Tschechischen Republik wurden verletzt. Sie wurden in ein Krankenhaus nach Luhansk gebracht. Das teilte der erste stellvertretende Leiter der OSZE-Sonderbeobachtermission, Alexander Hug, mit.

Die Rebellen der “Luhansker Volksrepublik” erklärten, der Wagen der SMM-OSZE  sei von der Hauptroute abgewichen und sei über Nebenstrecken gefahren. “Wir haben die OSZE-Beobachter mehrfach darauf hingewiesen, die Sicherheitsvorschriften zu befolgen“, fügten sie hinzu. Später machten die Anführer der vorübergehend besetzten Gebiete die ukrainische Armee für den Vorfall verantwortlich. Der Stab der Anti-Terror-Operation wies den Vorwurf jedoch zurück.

Die ukrainische Vertreterin der Trilateralen Kontaktgruppe für die Regelung des Konflikts in der Ostukraine, Iryna Heraschtschenko, vermutet, dass die Rebellen den OSZE-Wagen gesprengt haben, um die Arbeit der Mission zu stoppen und um zu verhindern, dass die Mission zahlenmäßig aufgestockt wird. Auch das ukrainische Außenministerium geht davon aus, dass die Rebellen versuchen, die Beobachter einzuschüchtern. Es forderte Russland auf, die Provokationen zu beenden und die Sicherheit der Beobachter zu gewährleisten. Dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zufolge verurteilt die ukrainische Seite jegliche Behinderung der Arbeit der OSZE-SMM. Die Sicherheit und Bewegungsfreiheit der Mission müsse gewährleistet werden.

Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, Christine Muttonen, rief dazu auf, den Vorfall sorgfältig zu untersuchen.

Moderne russische Waffen im Donbass. Russland hat im Donbass den Kampfpanzer T-90 und modifizierte Modelle eingesetzt. Das ist der stärkste Panzer, über den die russischen Bodentruppen verfügen. Das geht aus einer neuen Untersuchung von Bellingcat hervor. Erkennungszeichen dieser Panzer sind die sogenannten “roten Augen” am Panzerdrehturm. Dabei handelt es sich um das elektro-optische Abwehrsystem “Schtora-1”. Es ermöglicht, die Anvisierung des zu schützenden Fahrzeugs durch Anstrahlung mit Laser-Lenkanlagen lasergesteuerter Panzerabwehrlenkflugkörper zu stören. Die Journalisten von Bellingcat haben Videoaufnahmen aus dem Donbass analysiert, auf dem solche Panzer zu sehen sind.

Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Lenins Geburtstag. Am 22. April haben sich im Zentrum von Donezk traditionell anlässlich des 147. Geburtstags von Wladimir Lenin Kommunisten versammelt. Auf den zentralen Platz der Stadt kamen aber nur wenige Menschen. Sie legten dort Blumen am Lenin-Denkmal nieder. Die Aktion dauerte 10 bis 15 Minuten. Danach war der Platz leer. Lenins Anhänger kamen mit Blumen und roten Fahnen.

Korruptionsbekämpfung: Was bedeutet die Festnahme von Mykola Martynenko?

Wer ist Martynenko? Mykola Martynenko ist ein ehemaliger Abgeordneter, der den letzten sechs Legislaturperioden des Obersten Rates der Ukraine angehörte. Dreimal saß er dem parlamentarischen Brennstoff- und Energieausschuss vor. Er gilt als enger Vertrauter des ehemaligen Ministerpräsidenten Arsenij Jazenjuk. Nach dem Sieg der “Orange Revolution” im Jahr 2005 war Martynenko Führer der Fraktion “Unsere Ukraine – Selbstverteidigung des Volkes”, die den damaligen Präsidenten Wiktor Juschtschenko unterstützte. Im November 2014 wurde Martynenko Abgeordneter der Partei “Volksfront”. Martynenko ist nach Oleksandr Onyschtschenko und Roman Nasirow, Leiter des Staatlichen Fiskaldienstes der Ukraine, der dritte hochrangige Politiker, der der jetzigen Staatsmacht nahe steht und von den neuen Anti-Korruptions-Behörden unter Verdacht gestellt wurde.

Welcher Verdacht besteht? Die schweizerische Staatsanwaltschaft verdächtigt Martynenko seit 2015 der Korruption. Nun erheben gegen ihn auch die ukrainischen Rechtsschutzorgane Vorwürfe. Im Oktober 2016 musste er sein Mandat niederlegen. Auch seine Immunität als Abgeordneter wurde aufgehoben. Der ehemalige Journalist und heutige Abgeordnete Serhij Leschtschenko hatte zuvor Dokumente veröffentlicht, denen zufolge Martynenko in der Schweiz Geldwäsche und Bestechung vorgeworfen wird.

Der Leiter der Spezialisierten Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft, Nasar Cholodnyzkyj, erklärte, Martynenko werde der Veruntreuung von umgerechnet 17 Millionen Dollar aus dem Staatsbudget verdächtigt, mittels eines Vertrages über die Lieferung und den Verkauf von Urankonzentrat über die österreichische Firma Steuermann Investitions- und Handelsgesellschaft mbH. Das österreichische Unternehmen habe den Preis um das Anderthalbfache erhöht und so mehr als 17 Millionen Dollar verdient. Der Vertrag sei mit der Unterstützung von Fremdfirmen abgeschlossen worden. Gerade dies wird Martynenko zur Last gelegt. Martynenkos ehemaliger Geschäftspartner David Schwania sagte, dass die Steuermann Investitions- und Handelsgesellschaft mbH Martynenko selbst gehöre.

Was nun? Das Gericht im Kiewer Stadtteil Solomjanskyj entschied, den ehemaligen Abgeordneten Martynenko gegen Kaution freizulassen, die von Ministern und Abgeordneten der Partei “Volksfront” hinterlegt wurde. Die Ermittlungen dauern an.

Menschenrechte: Verhafteter Krimtatare seit 20 Tagen im Hungerstreik

Am 4. April ist Ruslan Sejtullajew in einem unbefristeten Hungerstreik getreten. Er wurde von russischen Sicherheitskräften auf der Krim im Januar 2015 verhaftet. Ihm wird die Bildung einer lokalen Zelle der in Russland verbotenen Organisation “Hizb ut-Tahrir” vorgeworfen. Die russische Staatsanwaltschaft hat für Sejtullajew 17 Jahre Haft beantragt.

Derzeit wiegt der Krimtatare nur noch 55 Kilogramm. Er war zu schwach, um stehend vor Gericht zu sprechen. Das Gericht erlaubte ihm, von der Anklagebank aus sein Schlusswort zu halten. Keine internationale Organisation und kein ausländischer Vertreter hat auf den Aufruf ukrainischer Menschenrechtsgruppen reagiert, den Prozess zu beobachten. Das Urteil gegen Sejtullajew soll am 26. April gesprochen werden.

Reformen in der Ukraine: Misstrauen gegenüber der Regierung wächst

Im vergangenen Jahr glaubte die Hälfte der befragten ukrainischen Soziologen, dass die “Senkung der Tarife für kommunale Dienstleistungen ein Anzeichen dafür sein wird, dass die Regierung Reformen umsetzt”. Im Mai wird die Regierung das Parlament und die Öffentlichkeit davon überzeugen müssen, dass eine Renten- und Bodenreform nötig ist.  Doch die Menschen trauen weder dem Präsidenten noch der Regierung oder dem Parlament. Jüngste Meinungsumfragen zeichnen ein düsteres Bild, wenn es um die Unterstützung von Reformen geht. Die Mehrheit der Bevölkerung erwartet “mehr Verantwortung des Staates für das Leben der Menschen” sowie einen “größeren Anteil des staatlichen Besitzes bei Unternehmen und Industriebetrieben”.

Wirtschaft: Die schwersten Zeiten sind vorbei

Stabile Krise. Die Wirtschaft der Ukraine drei Jahre nach dem Euromaidan. Die Wirtschaftsstatistik für das Jahr 2016 zeigt, dass die Ukraine die härteste Phase der Wirtschaftskrise überwunden hat. Zum ersten Mal seit vier Jahren verzeichnete die ukrainische Wirtschaft eine positive Wachstumsrate von rund zwei Prozent. Dies ist auf die Reformen zurückzuführen, die in den ersten Monaten nach dem Euromaidan eingeleitet wurden, aber auch auf die Umsetzung des Wiederaufbauprogramms unter dem Druck der westlichen Kreditgeber, vor allem des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EU (Bericht des Centre for Eastern Studies).

Kultur: Neue Gedanken über Tschernobyl beim IV “Festival of Film and Urbanism”

Vom 28. April bis 2. Mai findet in Slawutytsch, unweit von Tschernobyl, das Festival für Dokumentarfilme und Urbanistik “86” statt. Die Zahl geht auf das Jahr 1986 zurück, als die Stadt Slawutytsch gegründet wurde. Sie wurde für die Menschen gebaut, die aus der Stadt Prypjat nahe dem 1986 havarierten Atomkraftwerk Tschernobyl evakuiert wurden. “Tschernobyl ist ein Thema, über das man neu nachdenken kann. Wir wollen den Fokus von der Vergangenheit auf die Gegenwart und die Zukunft lenken: von Prypjat auf Slawutytsch”, sagte Nadija Parfan, die das Filmfestival mit gegründet hat. Dessen Programm besteht aus Filmvorführungen, Kunstaktionen im urbanen Raum und musikalischen Darbietungen.

Die Stadt Slawutytsch besteht aus 13 Vierteln. Jedes trägt den Namen einer Stadt auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion oder der ehemaligen Ostblockstaaten, aus denen Fachleute kamen, die beim Bau der Stadt behilflich waren. Im Rahmen des Festivals wird in Zusammenarbeit mit griechischen Künstlern und Urbanisten ein 14. Viertel eingerichtet. Das Filmprogramm besteht aus einem internationalen und nationalen Wettbewerb. Thema ist dabei das Leben im urbanen Raum. Die Jury des nationalen Wettbewerbs wird der Dokumentarfilmer Witalij Manskyj leiten. Aufmerksamkeit verdient auch die Serie “MyStreetFilms: Frontier”, in deren Mittelpunkt die Gebiete Luhansk und Donezk stehen.