Halbzeit im Parlament – Teil 2. Die Abgeordneten im Dickicht der Reformen.

Das Bild: Meriadoc Brandybuck & Pippin Took von AinarielPalantir

Außenpolitik: Der wichtigste außenpolitische Erfolg des Parlaments ist das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union. Es trägt der Regierung die Verantwortung für weitere Reformen im Lande auf. Die von der EU ukrainischen Staatsbürgern gewährte Visafreiheit, sowie die Freihandelsabkommen der Ukraine mit der EU und Kanada helfen, die ukrainische Gesellschaft zu de-sowjetisieren, die Wirtschaft zu modernisieren und Investitionen anzuwerben. Das Memorandum “Über die Zusammenarbeit zwischen dem ukrainischen Parlament und dem US-Kongress“ stärkt die Beziehungen der Ukraine zu den westlichen Demokratien.

Nationale Sicherheit: Die Parlamentarische Versammlung des Europarats (PACE) verabschiedete eine Resolution, mit der die Tatsache der russischen Aggression auf der Krim und im Donbass anerkannt wird. Eine wachsende Zahl von Russen und russischen Organisationen unterliegen Wirtschaftssanktionen. Vor dem Hintergrund der militärischen und hybriden Bedrohung aus dem Osten spielen mehrere Gesetze eine wichtige Rolle, die noch 2015 angenommen wurden. Beschlossen wurde ein neues Ausbildungssystem für die ukrainische Armee gemäß den NATO-Standards. Geschaffen wurde eine Nationalgarde, ein Militärkabinett des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, ein Staatliches Cyberschutz-Zentrum und vieles mehr.

Energiesicherheit: Die Ukraine gewann ein Verfahren vor dem Stockholmer Schiedsgericht, das einer Klage des ukrainischen Öl- und Gaskonzerns “Naftogas” gegen den russischen Konzern “Gazprom” stattgegeben hatte. Kiew hatte gegen einen Vertrag über Gaslieferungen an die Ukraine aus dem Jahr 2009 geklagt. Jetzt zahlt die Ukraine für russisches Gas einen in Europa üblichen Preis.

Das Parlament stimmte einem Vertrag über die Lieferung von Anthrazitkohle aus den USA zu. Die Reform des Energiewesens jedoch verzögert sich, weil 96 Prozent des Stromnetzes immer noch Teil eines gemeinsamen Raumes mit Russland ist und die Abgeordneten eine Neubesetzung der ukrainischen Regulierungsbehörde für Energie blockieren.

Justiz und Exekutive: Das Parlament verabschiedete ein Gesetz über das Verfassungsgericht, das wichtige Aufgaben bei der Kontrolle der Legislative zu erfüllen hat.

Aufgrund des allgemeinen Mangels an Vertrauen der Bürger in die Sicherheitsorgane, war eine Polizeireform nötig. Separat wurde ein unabhängiges Staatliches Ermittlungsbüro geschaffen, das schwere Verbrechen untersuchen soll, darunter gesetzwidriges Vorgehen der Polizei. Nicht umgesetzt ist die Reform des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU).

Bienen gegen Honig: Im April 2016 nahm das Nationale Anti-Korruptions-Büro der Ukraine (NABU) seine Arbeit auf. Es ist eine Strafverfolgungsbehörde, die Fälle von Korruption von Beamten untersucht.

Im Internet sind offen zugängliche Register staatlicher und gesellschaftlicher Organisationen erschienen. Auf der Webseite “ProZorro” werden Informationen über alle öffentliche Beschaffungen, Aufträge und Ausschreibungen veröffentlicht. Auf diese Weise können die Bürger nun die Staatsmacht kontrollieren.

Dekommunisierung: Im Januar 2015 holte das ukrainische Ministerium für Kultur den “Leninopad” (Leninsturz) ein, der in der Zeit der Revolution der Würde einsetzte. Nun begann der Staat organisiert Denkmäler aus der Sowjetzeit abzubauen.

Ein Lustrationsgesetz verbietet Personen, die hohe Positionen in der Kommunistischen Partei der Sowjetunion hatten oder für den KGB gearbeitet haben, öffentliche Ämter zu bekleiden. Nicht ohne Druck der Öffentlichkeit wurden rund 1000 Menschen entlassen.

Im Mai 2015 verabschiedete das Parlament ein Paket von Gesetzen über die Dekommunisierung, darunter ein Gesetz über die Öffnung der KGB-Archive und die Verurteilung des kommunistischen Regimes. Im Dezember desselben Jahres wurde die Kommunistische Partei der Ukraine verboten. Im Rahmen der Dekommunisierungs-Gesetze wurden mit Hilfe freiwilliger Ethnologen zahlreiche Städte, Dörfer und Straßen umbenannt.

Einige gesellschaftlich wichtige Gesetze: Im Frühjahr 2017 stimmte das Parlament für ein Gesetz, mit denen die Menschen unterstützt werden sollen, die unter den Kämpfen im Osten des Landes und unter der Annexion der Krim leiden: Es gibt eine staatliche Finanzierung der Ausbildung für Kinder, die in der Zone der Anti-Terror-Operation (ATO) leben. ATO-Veteranen bekommen Finanzhilfen beim Erwerb von Wohnraum. Bestimmte Ränge der Armee müssen keine elektronische Einkommens- und Vermögenserklärung (E-Declaration) abgeben. Zudem wurde die Registrierung von Binnenflüchtlingen vereinfacht.

Gesetzlich erlaubt wurde ein Gerichtsprozess gegen den geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowytsch in dessen Abwesenheit. Das Verfahren soll helfen, die Umstände der blutigen Ereignisse des Winter 2013/2014 zu klären.

Als wichtiger Teil der Re-Ukrainisierung der Ukraine, die im Russischen Reich und danach unter der Sowjetmacht unter einer aggressiven Russifizierung gelitten hatte, wurden für das Fernsehen Quoten für die ukrainische Sprache festgelegt.

Vor allem in großen ukrainischen Städten werden vor wichtigen Ereignissen Straßenhunde vergiftet. Daher ist das Gesetz über die strafrechtliche Verantwortung für die Misshandlung von Tieren von großer Bedeutung.

Vergessene Reformen: Es gibt eine Reihe von Reformen, deren Umsetzung dem Parlament schwer fällt. Das Gesundheitssystem in der Ukraine ist ein Erbe aus der Sowjetzeit, es ist unverändert und funktioniert fast ausschließlich mit Korruption. Die Abstimmung über die Gesundheitsreform wird seit vielen Monaten immer wieder verschoben. Vergessen ist auch die Reform der Agrarpolitik, die die Entwicklung der Landwirtschaft fördern und die willkürliche Landnahme stoppen soll. Auch die Reform des Wahlsystems wird nicht erörtert.

Halbzeit im Parlament – Teil 1. Spiel der Throne.

Halbzeit im Parlament – Teil 3. Verbesserungsbedarf bei Abgeordneten.

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