Verdeckter Krieg in Kiew

Am Abend des 8. September hat sich im Zentrum von Kiew nahe der bekannten Bessarabka-Markthalle eine Auto-Explosion ereignet. Ein Insasse des “Toyota Camry” wurde getötet, zwei weitere verletzt. Nach Angaben der Polizei handelt es sich bei dem Getöteten um den Tschetschenen und georgischen Staatsbürger Ali Timajew, bekannt als Timur Machauri. Er war Angehöriger des tschetschenischen Freiwilligenbataillons “Scheich Mansur“, das in der Zone der Anti-Terror-Operation im Osten der Ukraine gekämpft hatte. Die beiden anderen Insassen, eine Frau und ein Kind, wurden in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei nahm Ermittlungen wegen Mordes mit gemeingefährlichen Mitteln auf. Die Behörden teilten mit, dass die Explosion nicht als Mord, sondern als Terrorakt eingestuft werden könnte.

Ein Feind Russlands und der Mörder Bassajews?

Nach Informationen des Pressesprechers des ukrainischen Innenministeriums, Artem Schewtschenko, war Timur Machauri in kriminellen Kreisen wohlbekannt. “Er war Bürger Georgiens. Er stand mit verschiedenen tschetschenischen Kreisen in engem Kontakt und wurde in diesem Jahr auch bei uns, in der Ukraine, festgenommen und zur Verantwortung gezogen. Aber er traf mit der Staatsanwaltschaft eine Vereinbarung, bekannte sich schuldig und erhielt eine Bewährungsstrafe für die Straftat, wegen der er festgenommen worden war“, sagte Schewtschenko.

Nach Berichten des ukrainischen Journalisten Jurij Butussow wurde Machauri im Jahr 2012 von den türkischen Sicherheitsbehörden als Agent russischer Geheimdienste festgenommen. Sie warfen ihm Mord und versuchten Mord an einer Reihe von Angehörigen des anti-russischen tschetschenischen Untergrunds vor. Machauri saß drei Jahre in Untersuchungshaft, wurde dann aber freigelassen, weil ihm eine Beteiligung an den Morden nicht nachgewiesen werden konnte. Allerdings steht außer Zweifel, dass er enge Kontakte zu nachweislich russischen Agenten hatte. Entsprechende Videoaufnahmen sind öffentlich zugänglich. Butussow schreibt auch, dass Machauri ein persönlicher Freund des ehemaligen georgischen Innenministers Georgij Lordkipanidse gewesen sei. Auch habe er als Mitarbeiter georgischer Geheimdienste Aufgaben erfüllt, die ihm von der Staatsführung dieses Landes auferlegt worden seien.

Mehr noch, nach Informationen des ukrainischen Internet-Fernsehsenders “Hromadske” gilt Machuari als derjenige, der im Jahr 2006 den Anführer der tschetschenischen Separatisten, das Oberhaupt der tschetschenischen Republik Itschkeria, Schamil Bassajew, getötet haben soll. In einem Interview sagte Machauri, dass er mit Schmugglern einen Lkw mit Waffen von Georgien nach Tschetschenien geschafft habe. Und als Bassajew diesen begutachtet habe, sei es zu einer Explosion gekommen. Dabei betonte Machauri, dass er für die Ladung, nachdem sie über die Grenze geliefert worden sei, keine Verantwortung mehr getragen habe. Dieselbe Quelle behauptet, Machauri sei im Jahr 2012 nach Syrien gefahren. Dort habe er nach eigenen Angaben Menschen ausgebildet, die sich der Opposition zu Präsident Baschar al-Assad angeschlossen hätten.

Wer waren die weiteren Personen im Auto?

Viele Fragen wirft auch die Identität der Frau auf, die sich in Machauris Wagen befand. Nach ersten Berichten handelte es sich um ein bekanntes Modell, namens Natalja. Medien nannten verschiedene Nachnamen der Verletzten: Natalja Gozi (sie widerlegte diese Angaben) und Natalja Koschel (Fotos von ihr wurden in allen ukrainischen Medien veröffentlicht). Die ukrainischen Sicherheitsbehörden nannten hingegen den Namen Tatjana Samojlowa.

Nach jüngsten Informationen soll es sich um eine gewisse Natalja Zelowalnikowa und ihre achtjährige Tochter Maria aus erster Ehe mit einem Geschäftsmann handeln. Es wird berichtet, dass die ehemaligen Eheleute einen wahren Krieg um das Kind führen. Das Magazin “Obosrewatel” machte inzwischen die Facebook-Seite von Natalja Zelowalnikowa ausfindig. Interessanterweise ist gerade sie das bereits oben erwähnte Modell mit dem Namen Natalja Koschel.

Die Frau wurde bei der Explosion schwer verletzt. Sie trug Verletzungen an Gliedmaßen, Augen, Bindegewebe und inneren Organen davon.

Drei mögliche Motive

Die ukrainischen Sicherheitsorgane würden drei Motive für den Mord an Machauri prüfen, sagte der Pressesprecher des ukrainischen Innenministeriums, Artem Schewtschenko, im TV-Sender “112 Ukraine“.

“Das erste Motiv könnte in einem Zusammenhang mit den Geheimdiensten Russlands oder sogar mit ‘Kadyrows Geheimdiensten‘ stehen, die ziemlich eigenständig und aufgrund einer eigenständigen Finanzierung sehr stark sind. Das zweite Motiv könnte auf irgendeine Abrechnung unter Kriminellen zurückzuführen sein, denn Machauri war wohl kaum ein vorbildhafter gesetzestreuer Bürger. Er war mehrfach im Ausland festgenommen worden, im Winter bei uns. Das dritte Motiv könnte etwas mit persönlichen Beziehungen zu tun haben, mit Rache oder etwas anderem”, sagte Schewtschenko.

Betont werden muss, dass dies in den vergangenen vier Monaten in Kiew nicht der erste aufsehenerregende Überfall auf Teilnehmer der Anti-Terror-Operation ist. Anfang Juni 2017 wurde in der Kiewer Innenstadt bei einer Schießerei der tschetschenische Freiwillige Adam Osmajew verletzt. Und Ende Juni wurde bei einem Terroranschlag in einem Kiewer Wohnviertel der Oberstleutnant der ukrainischen Militäraufklärung, Maksym Schapowal, getötet.