Poroschenko erntet Lob und Kritik auf seine UN-Rede

Am 20. September hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zweimal bei den Vereinten Nationen in New York gesprochen – während der offenen Debatte des UN-Sicherheitsrats zur Reform im Bereich der Friedenssicherung der Vereinten Nationen sowie vor der 72. UN-Vollversammlung. Radio Liberty hat die interessantesten Reaktionen ukrainischer Politik-Experten auf die Rede des Präsidenten zusammengefasst. Das Ukraine Crisis Media Center bringt eine zusammenfassende Übersetzung des Artikels von Olga Komarova.

Die Hauptbotschaft des ukrainischen Präsidenten war sein Aufruf, eine UN-Friedensmission in den Donbass zu entsenden, weil, wie er sagte, “eine vollwertige UN-Friedensoperation die einzige wirksame Entscheidung ist, um eine Deeskalation zu erreichen, das Volk der Ukraine zu schützen und sich einer politischen Regelung zu nähern”. Ferner erinnerte Poroschenko in seiner Rede die UN-Mitgliedsstaaten an die Auswirkungen der russischen Aggression, an die Verletzung der Rechte der Menschen auf der besetzten Krim, aber auch daran, dass ukrainische Soldaten an vielen UN-Friedenseinsätzen teilgenommen haben und dass die Ukraine seinerzeit auf das drittgrößte Nukleararsenal der Welt verzichtet hatte.

Positive Momente in Poroschenkos Rede

Eine sehr wichtige Bedeutung in der Rede des ukrainischen Präsidenten kommt der Einladung einer technischen Bewertungsmission der Vereinten Nationen zu, meint der Politik-Experte Viktor Ukolow. Ein solches Verfahren kann mindestens sechs Monate harter Arbeit bedeuten.

“Es gibt vier Arten von UN-Friedensmissionen. Uns passt Zwang zum Frieden, aber auch die Herstellung von Frieden. Eine solche Mission könnte über schwere Waffen verfügen und sich im gesamten besetzten Gebiet der Regionen Luhansk und Donezk befinden”, so Ukolow. Ihm zufolge schlägt Russland eine Friedensmission vor, die nur die OSZE-Beobachtermission schützen würde. Damit sei die Ukraine nicht einverstanden.

Iryna Heraschtschenko, erste stellvertretende Vorsitzende des ukrainischen Parlaments, sagte: “Man muss die Dinge beim Namen nennen. Russland verstößt gegen alle möglichen Regeln des Völkerrechts. So darf sich ein ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates nicht verhalten. Für mich ist besonders bewegend, dass der Präsident die ukrainischen Geiseln in den besetzten Gebieten sowie die Gefangenen in der Russischen Föderation und auf der besetzten Krim namentlich erwähnt hat.”

Als traditionell stark bezeichnete der Politologe Olexander Palij die Rede des ukrainischen Präsidenten vor der UN-Vollversammlung. “ Es ist sehr wichtig, dass Poroschenko sagt, dass eine Friedensmission helfen sollte, den Konflikt zu lösen und die territoriale Integrität des Landes wiederherzustellen. Sie sollte nicht helfen, den Konflikt einzufrieren”, so Palij. Er meint, dass der Präsident, in dessen Kompetenz die Außen-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik liege, gute Arbeit geleistet habe. Seine Position, die er vor der UN-Vollversammlung vorgetragen habe, sei dafür ein gutes Beispiel.

Kritik an Poroschenkos Rede

Der ukrainische Präsident unterstrich vor der UN-Vollversammlung, dass in der Ukraine wiederholt russische Militärs wegen der Besetzung ukrainischen Territoriums festgenommen worden seien. Vitalij Martynjuk, vom ukrainischen “Center for Global Studies – Strategy XXI”, hält dem allerdings entgegen, dass der Gesetzgeber die betroffenen Gebiete der Regionen Donezk und Luhansk bis heute nicht als besetzt erklärt hat.

Der Expert der Stiftung “Maidan für auswärtige Angelegenheiten”, Olexander Chara, wies darauf hin, dass der Präsident von der Notwendigkeit gesprochen habe, die Versorgung von UN-Friedenseinsätzen zu verbessern. Aber nach Ansicht des Experten wäre es in diesem Fall logisch, wenn die Ukraine, die über eigene Friedenskräfte verfügt, die größte finanzielle Verantwortung für eine effektive Mission übernimmt.

Kritik an Poroschenkos Rede übte der ehemalige Parlamentsabgeordnete Andrij Sentschenko. Er glaubt, dass eine Friedensmission im Donbass nur für den Präsidenten selbst von Vorteil ist. “Der Plan mit den UN-Friedenstruppen im Donbass soll bei den Wählern nur falsche Hoffnungen wecken und Poroschenko helfen, für eine zweite Amtszeit wiedergewählt zu werden”, so Sentschenko.

Der ehemalige Leiter der zentralen Ermittlungsabteilung beim Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU), Wasyl Wowk, glaubt nicht an eine Friedensmission und hält sie sogar für schädlich. “Jede Friedensmission einer impotenten UNO im Donbass ist ein Projekt Russlands. Das würde die völlige Kontrolle Russlands über die Menschen und die besetzten Gebiete bedeuten. Das wäre der letzte Nagel in den Sarg der Souveränität und territorialen Integrität unseres Landes“, sagte Wowk.

Der heutige Krieg im historischen Kontext

Am Ende seiner Rede forderte Poroschenko die UN-Mitgliedstaaten auf, den Holodomor als Genozid in der Ukraine anzuerkennen. “Das war eine künstliche Hungersnot in der Ukraine, in den Jahren 1932 und 1933, die vom totalitären Stalin-Regime organisiert wurde und zum Tod von sieben bis zehn Millionen Ukrainern führte. Ich fordere die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen auf, einen historischen Beschluss zu fassen und den Holodomor als Genozid anzuerkennen”, betonte der Präsident.