Recherchen von Al Jazeera: Warum wurde die Rückführung von Janukowytschs Geldern im Jahr 2017 zu einem Staatsgeheimnis?

Am 10. Januar hat der TV-Sender Al Jazeera aus Katar ein in der Ukraine als geheim eingestuftes Dokument veröffentlicht. Es geht um ein Urteil des Gerichts im Bezirk Kramatorsk (Region Donezk) vom 28. März 2017. Es hatte dem Generalstaatsanwalt der Ukraine, Jurij Luzenko, im vergangenen Jahr erlaubt, zugunsten des ukrainischen Staates 1,5 Milliarden Dollar zu konfiszieren. Luzenko behauptet, das Geld habe dem ehemaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowytsch gehört. Interessant an dieser Geschichte ist, dass der Gerichtsentscheid als “Staatsgeheimnis” eingestuft wurde.

Janukowytschs Verbrechen. Zwischen 2010 und 2014 hatte “Janukowytschs kriminelle Vereinigung” und eine seiner “Untereinheiten”, Serhij Kurtschenkos Unternehmensgruppe SEPEK (Osteuropäische Brennstoff- und Energiegesellschaft), durch Scheingeschäfte Mittel aus der Nationalbank, der staatlichen Oschadbank, der ukrainischen staatlichen Energiegesellschaft Naftogas, aus dem Agrarfonds sowie aus einigen anderen staatseigenen Unternehmen entwendet. Dann wurden die Gelder über Hunderte fiktive Firmen auf Konten von zehn Offshore-Gesellschaften außer Landes gebracht. Nach der Revolution der Würde wurden im Herbst 2014 die Konten der Offshore-Gesellschaften in den ukrainischen Banken “eingefroren”, bis im letzten Jahr jenes Gericht dem Staat erlaubte, die Gelder zu beschlagnahmen.

Für wen stellt das Gerichtsurteil heute bloß? Der als geheim eingestufte Gerichtsentscheid birgt sehr wichtigsten Informationen. Sie betreffen gerade die Seilschaften, über die “Janukowytschs kriminelle Vereinigung” staatliche Gelder außer Landes geschafft hatte. Wie sich herausstellte, war daran auch die “Investment Company of Ukraine” (ICU) beteiligt. Deren Vorstandsvorsitzende war damals Walerija Hontarjewa. Sie war später – ab dem Sommer 2014 bis zum Frühjahr 2017 – Chefin der ukrainischen Nationalbank. Im Sommer 2014 verkaufte Hontarjewa ihren Anteil an der ICU und verließ die Investitionsgesellschaft. Ferner betreut die ICU seit vielen Jahren auch Geschäfte von Präsident Petro Poroschenko. So begleitete die ICU im Jahr 2014 nach der Wahl von Poroschenko zum Präsidenten der Ukraine die Überführung von dessen Unternehmen in einen “Blind Trust”. Zu diesem Zweck meldete sie eine Offshore-Gesellschaft auf den Britischen Jungferninseln an.

Fragen an den Präsidenten und den Generalstaatsanwalt. Fast ein Jahr nach der Konfiszierung von Janukowytschs Geldern wäre es an der Zeit, dass Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko erklärt, warum der Gerichtsentscheid aus Kramatorsk als Staatsgeheimnisse betrachtet wird. Hängt diese Vorsicht der Staatsmacht damit zusammen, dass in dem Urteil die ICU erwähnt wird, die mit Poroschenkos Team in Verbindung gebracht wird? Informationen darüber, dass eine Investitionsgesellschaft, die Geschäfte des ukrainischen Präsidenten betreut, früher im Dienste finanzieller Interesse von Viktor Janukowytsch gestanden hat, trägt nicht zu Poroschenkos Beliebtheit bei.