Treffen im Normandie-Format, Demonstrationen in Kiew, Kreml-Bericht, polnisches Gesetz sowie weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #45, 29. Januar – 5. Februar 2018

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

OSZE: Nach Angaben der Sonderbeobachtermission der OSZE (SMM) ist in der vergangenen Woche die Anzahl der Verstöße gegen die Waffenruhe im Vergleich zur Vorwoche um 25 Prozent zurückgegangen. Insgesamt gab es zwischen 200 und 1000 Verstöße, sagte der erste stellvertretende Vorsitzende der OSZE-Sonderbeobachtermission, Alexander Hug.

Treffen im “Normandie-Format”. Ein Treffen der Außenminister im “Normandie-Format” (Ukraine, Deutschland, Frankreich, Russland) könnten am 16. Februar im Rahmen der Münchner Sicherheitskonferenz stattfinden, sagte der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin während einer Pressekonferenz mit seinem italienischen Amtskollegen Angelino Alfano in Kiew.


Demonstrationen in Kiew

Am Wochenende des 3. und 4. Februar fanden in Kiew mehrere Demonstrationen statt, darunter der sogenannte “Marsch für die Zukunft”, der von Micheil Saakaschwilis Anhängern und seiner “Bewegung neuer Kräfte” organisiert wurde. Ferner gab es eine Demo gegen die vor kurzem geschaffene “Nationale Bürgerwehr”, hinter der die sogenannte “Asow-Bewegung” steht.

“Marsch für die Zukunft.” Rund 1000 Anhänger von Micheil Saakaschwili versammelten sich erst im Kiewer Schewtschenko-Park. Auf Plakaten stand geschrieben: “Impeachment gegen Präsident Poroschenko”. Als sich die Kolonne in Richtung Maidan und Europaplatz in Bewegung setzte, schlossen sich ihr weitere Menschen auf der Straße an. Die Polizei kam schließlich auf etwa 7000 Teilnehmer. Laut Medienberichten waren es zwischen 5000 und 10.000.

Auf Saakaschwilis Facebook-Seite hieß es: “Wir stellen sehr einfache Forderungen. Es muss ein Gesetz über die Amtsenthebung des Präsidenten verabschiedet, ein Anti-Korruptions-Gericht geschaffen, ein neues Wahlgesetz angenommen und die Abgeordnetenimmunität abgeschafft werden. Stattdessen haben wir politischen Terror, Unterdrückung, Verhaftungen, Verfolgung und erfundene Kriminalfälle.”

Der vorherige “Marsch für eine Amtsenthebung des Präsidenten” fand am 17. Dezember statt. Damals war es in der Kiewer Innenstadt zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften gekommen. Saakaschwili will bei der nächsten Kundgebung der von ihm angeführten “Bewegung neuer Kräfte” am 18. Februar eine Liste von Kandidaten für eine künftige ukrainische Regierung vorstellen.

Unterdessen haben die Rechtsanwälte des ehemaligen georgischen Präsidenten, Micheil Saakaschwili, Berufung gegen ein Urteil eines Gerichts in Tiflis vom 5. Januar eingelegt, berichtete der georgische TV-Sender “Rustavi-2”. Laut dem Urteil des georgischen Gerichts wurde Saakaschwili in Abwesenheit wegen des Vorwurfs des Amtsmissbrauchs zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

Mini-Demo gegen die “Nationale Bürgerwehr”. In Kiew sind Menschen gegen die “Nationale Bürgerwehr” auf die Straße gegangen – eine von den Veteranen des Regiments “Asow” gegründete gesellschaftliche Organisation. Mehrere Dutzend Menschen kamen zum Postplatz in der Innenstadt und forderten, die paramilitärische Bewegungen in der Ukraine nicht zuzulassen.

Mehr zu diesem Thema: Die “Nationale Bürgerwehr” – Paramilitärs oder nur eine PR-Aktion?


Der “Kreml-Bericht”: Werden die neuen US-Sanktionen gegen Russland wirken?

Was ist der “Kreml-Bericht”? Letzte Woche hat das US-Finanzministerium den “Kreml-Bericht” vorgelegt. Die Liste umfasst 210 Personen – 114 Beamte und Parlamentarier und 96 “Oligarchen” aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Die Namen auf der Liste sind in vier Teile gegliedert: die Präsidialverwaltung (die gesamte Führung, gegen acht Mitarbeiter bestehen bereits Sanktionen); das Ministerkabinett (die Mitglieder der Regierung mit Dmitrij Medwedew an der Spitze); andere hochrangige Politiker (die Führungen von Parlament, Strafverfolgungsbehörden und Föderalen Behörden); Oligarchen (Geschäftsleute, deren Vermögen auf über eine Milliarde Dollar geschätzt wird). Putin selbst kommt in dem “Kreml-Bericht” nicht vor.

Wie wurde die Liste erstellt und warum wurde sie geändert? Anders Aslund vom Atlantic Council, der an der “Kreml-Liste” beratend mitgewirkt hat, schreibt, dass es anfänglich eine Liste gegeben habe, die von einem Expertenteam erstellt worden sei. Aber plötzlich sei sie von einem hochrangigen Beamten der Administration des US-Präsidenten geändert worden – unter Berücksichtigung des Forbes-Rankings der reichsten Menschen der Welt und von Personen aus der russischen Präsidialverwaltung. Der Name des US-Beamten ist Aslund nicht bekannt. Aber er glaubt, dass für die Änderungen US-Finanzminister Steven Mnuchin verantwortlich ist. Denn er habe die Liste gebilligt, so Aslund.

Was droht den aufgelisteten Personen? Experten zufolge bedeutet der “Kreml-Bericht” nicht, dass automatisch Sanktionen gegen die darin vorkommenden Personen verhängt werden. Daniel Fried, Experte des Atlantic Council, betonte, dass jene Personen nicht sofort mit konkreten Konsequenzen zu rechnen hätten, beispielsweise mit finanziellen. “Dennoch erhöht die Tatsache, dass sie auf dieser Liste stehen, das Risiko, dass in Zukunft gegen sie Sanktionen verhängt werden”, so der Experte.

Wie reagieren Beobachter und Experten? Brian Whitmore von Radio Free Europe/Radio Liberty schreibt, Enttäuschung sei die erste Reaktion auf die lang erwartete Liste des US-Finanzministeriums gewesen. Sie sei nur ein “Who’s Who” der russischen Politik. Whitmore zufolge enthält der Kreml-Bericht dennoch einige wichtige Messages. Er erinnere daran, dass das russische politische und wirtschaftliches System auf Korruption, Nepotismus und Kleptokratie basiere. Der Bericht sei ein kaltes Signal an die russischen Eliten, so Whitmore. Ihm zufolge werden sich ihre Vertreter wundern, wenn sie plötzlich kein Visum mehr bekommen und kein Bankkonto im Westen mehr eröffnen können.

Was sagt das US-Finanzministerium? US-Finanzminister Steven Mnuchin erklärte, die Donald-Trump-Regierung werde finanzielle Sanktionen gegen Dutzende wohlhabende Russen verhängen, die in dem “Kreml-Bericht” vorkommen. Er betonte, dass der veröffentlichte “Kreml-Bericht” die bestehenden finanziellen Restriktionen gegen Russen nicht ersetzen werde. “Das sollte in keiner Weise so ausgelegt werden, dass wir keine Sanktionen gegen jemanden auf der Liste verhängen werden”, so Mnuchin.

Ist ein Teil des Berichts “geheim”? Dem US-Finanzministerium zufolge enthält der sogenannte Kreml-Bericht außerdem noch einen geheimen Teil. Darin geht es um künftige Wirtschaftssanktionen gegen Personen, die auf der Liste stehen. Das berichtet Bloomberg unter Berufung auf das US-Finanzministerium. Mit der Geheimhaltung solle verhindert werden, dass möglicherweise die Personen auf der Liste ihre Vermögenswerte aus dem Ausland zurückziehen. Ferner soll vermieden werden, dass vertrauliche Informationen offengelegt werden.

Wie reagiert Russland? Als Reaktion auf den “Kreml-Bericht” der USA will der Föderationsrat Russlands ein Gesetz erarbeiten. Die Abgeordnete Ljudmila Bokowa sagte, eine der Antworten auf das Vorgehen der USA werde sein, dass die Begriffe “Souveränität” und “Einmischung in die Souveränität des Landes” in Russland gesetzlich verankert würden. Unter Berufung auf den zuständigen Parlamentsausschuss berichtete der russische Sender RBK, dass das künftige Gesetz eine “Rache für den Kreml-Bericht und für den Ausschluss der russischen Nationalmannschaft von den Olympischen Spielen” sei.


Neuer Streit mit Polen

Neues Gesetz. In der Nacht zum 1. Februar hat der polnische Senat eine neue Fassung des Gesetzes über das “Institut für Nationales Gedenken” verabschiedet. Gemäß diesem Gesetz können Menschen, die über “polnische Konzentrationslager” sprechen oder “die Verbrechen ukrainischer Nationalisten” bestreiten, zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden. Das Gesetz muss noch vom polnischen Präsidenten Andrzej Duda innerhalb von 21 Tagen unterzeichnet werden.

Was besagt das Gesetz? Laut Gesetz wird es möglich sein, diejenigen strafrechtlich zu verfolgen, die den Begriff “polnische Konzentrationslager” öffentlich verwenden und eine Beteiligung Polens oder von Polen am Holocaust anerkennen. Dies kann eine Geldstrafe oder Haft von bis zu drei Jahren zur Folge haben. Es können auch Personen, die sich nicht in Polen aufhalten, zur Verantwortung gezogen werden.

Reaktion aus Israel. Israel hat wegen der Verabschiedung des Gesetzes den Besuch des Vorsitzenden des polnischen Nationalen Sicherheitsbüros, Pawel Soloch, in Jerusalem abgesagt. Medienberichten zufolge will Israel auch prüfen, ob es seinen Botschafter aus Warschau abzieht.

Reaktion des ukrainischen Präsidenten. Petro Poroschenko betonte, der Gesetzesentwurf stehe nicht im Einklang mit den Grundsätzen der strategischen Partnerschaft zwischen der Ukraine und Polen. Er forderte die polnische Seite “zu Objektivität und einem Dialog” auf.

Reaktion des ukrainischen Außenministers. Pawlo Klimkin erklärte: “Wir sind immer für einen gleichberechtigten Dialog und eine strategische Partnerschaft mit Polen eingetreten, aber wir lehnen die Sprache von Verboten und Beschränkungen ab.” Klimkin betonte, die Vorstellung, irgendwelche Nationen zu Verbrechern zu erklären, führe zu nichts.

Reaktion des ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken. Der Direktor des Ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken, Wolodymyr Wjatrowytsch, erklärte, das polnische Gesetz sei in erster Linie gegen Ukrainer gerichtet, die in Polen leben würden. Außerdem würde das Gesetz von prorussischen Kräften unterstützt.

OSZE ist besorgt. Auch der OSZE bereitet das neue Gesetz über das polnische Institut für Nationales Gedenken Sorge. “Geschichte ist eine Frage unabhängiger wissenschaftlicher Studien und einer freien Diskussion und nicht von Gerichtsentscheidungen. Das Gesetz muss als unverhältnismäßige Beschränkung der Meinungsfreiheit zurückgewiesen werden. Nur wenn Aussagen zu Gewalt oder Diskriminierung aufstacheln, können sie kriminalisiert werden”, sagte der Medienbeauftragte der OSZE, Harlem Desir.


Neue IWF-Kredite: Wie sind die Bedingungen?

Der Internationale Währungsfonds hat erklärt, als Voraussetzung für die Überarbeitung des Programms der erweiterten Finanzierung und die Gewährung der Kredittranche für die Ukraine müssten ein Gesetz über die Schaffung eines Anti-Korruptions-Gerichts verabschiedet sowie die Gaspreise auf Marktniveau angehoben werden. Das erklärte der Leiter der IWF-Mission in der Ukraine, Yost Ljungman.

Anti-Korruptions-Gericht. Die Schaffung eines Anti-Korruptions-Gerichts mit allen Empfehlungen der Venedig-Kommission ist die Hauptbedingung dafür, dass die Ukraine weitere IWF-Kredite erhält. Derzeit gibt es in dieser Frage allerdings keine Fortschritte. Im Gegenteil, letzte Woche wurden sogar falsche Informationen verbreitet, wonach der IWF bereit sei, seine Bedingungen zu mildern und mit dem Gesetzentwurf über ein Anti-Korruptions-Gericht einverstanden sei, der vom ukrainischen Präsidenten erarbeitet wurde. Journalisten vermuten, dass die Administration von Petro Poroschenko selbst hinter diesen falschen Informationen stecken könnte.

Was passiert mit den Gaspreisen? Laut Ljungman sollen die Gaspreise auf das Marktniveau angehoben werden, um eine künstliche Segmentierung des Marktes getrennt nach Haushalten und Industrie zu vermeiden. “Es gibt bestimmte Bedingungen, die erfüllt werden müssen. Dies sind erreichbare Indikatoren: Wir hoffen auf eine schnelle Umsetzung”, sagte Ljungman.

Keine Lohnerhöhungen. Die ukrainische Regierung könnte dazu verleitet werden, die Löhne sehr schnell zu erhöhen, was sich aber auf das Wachstum der Wirtschaft negativ auswirken würde, glaubt Ljungman. Der IWF unterstützt die Erhöhung der ukrainischen Gehälter nur, wenn die Erhöhung im Einklang mit der Steigerung der Arbeitsproduktivität steht.


Kultur: Dokumentarfilm über ukrainischen Jungen aus dem Frontgebiet gewinnt Preis beim größten skandinavischen Festival

“The Distant Barking of Dogs”, ist ein Dokumentarfilm über einen 10-jährigen ukrainischen Jungen, der in einer Stadt lebt, die sich nahe der Front in der Ostukraine befindet. Der Film gewann nun eine Auszeichnung beim größten skandinavischen Filmfestival, dem Göteborg Film Festival in Schweden. Der Streifen erhielt den Dragon Award for Best Nordic Dox und wurde somit als bester skandinavischer Dokumentarfilm ausgezeichnet. Er ist eine dänisch-schwedisch-finnländische Koproduktion. Die Regie hatte der Däne Simon Lereng Wilmont. Ein Jahr lang begleitete das Filmteam den Jungen Oleh, der zusammen mit seiner Großmutter in Hnutowe, Region Donezk, lebt. Letztes Jahr gewann der Film “The Distant Barking of Dogs” den First Appearance Award als Erstlingswerk auf einem der wichtigsten europäischen Dokumentarfilmfestivals IDFA in den Niederlanden.

Weitere Informationen: Filmtrailer | Pressemappe in Englisch | Rezension von The Hollywood Reporter | Facebook.