Streit um Vermögens-Erklärung für Anti-Korruptions-Aktivisten, die Ukraine im “Westernization Index 2018”, Boom beim ukrainischen Dokumentarfilm sowie weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #53, 26. März – 2. April 2018

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Am 28. und 29. März wurde der heftigste feindliche Beschuss in der Donbass-Region seit November 2017 registriert. An den Tagen kam es zu jeweils  54 und 57 Angriffen seitens der prorussischen Rebellen. Am 30. März trat um Mitternacht die von der Trilateralen Kontaktgruppe zu Ostern vereinbarte Waffenruhe im Donbass in Kraft. Leider wurde sie sofort gebrochen. Am 30. März gab es bis 11 Uhr sechs Angriffe. Zwischen dem 30. März und 1. April gab es insgesamt 81 Angriffe des Feindes.


Weiter Streit um Vermögens-Erklärung für Anti-Korruptions-Aktivisten

Wie alles begann. Im vergangenen Jahr hat das ukrainische Parlament ein Gesetz verabschiedet, wonach Aktivisten, die sich an der Bekämpfung von Korruption beteiligen, jedes Jahr eine elektronische Einkommens- und Vermögenserklärung abgeben müssen. Das Gesetz richtet sich gegen mehrere Organisationen, darunter gegen das ukrainische “Zentrum zur Bekämpfung von Korruption”, “Transparency International” und einige andere. Viele Beobachter sehen in dem Gesetz eine “Rache” der Staatsmacht an Aktivisten, die Korruptionsfälle aufgedeckt haben. Seit einem Jahr fordern Vertreter der ukrainischen Zivilgesellschaft und die westlichen Partner der Ukraine immer wieder die Aufhebung des Gesetzes. Den Forderungen stimmte die ukrainische Führung auch jedes Mal zu, aber niemand beeilte sich bislang, das Gesetz aufzuheben.

Haltung der Zivilgesellschaft. Am 29. März veröffentlichte die ukrainische gesellschaftliche Organisation “Reanimation Package of Reforms” eine Erklärung, die von 86 NGOs unterzeichnet wurde. Darin wird angekündigt, dass die NGOs beim Verfassungsgericht Beschwerde gegen die elektronische Einkommenserklärung für Anti-Korruptions-Aktivisten einreichen wollen. Nach Ansicht der Aktivisten sind die Bestimmungen des Gesetzes diskriminierend. Sie würden die Europäische Menschenrechtskonvention, die Verfassung der Ukraine, die Vereinigungsfreiheit, Chancengleichheit bei der Arbeit, die Meinungsfreiheit und das Recht auf Privatsphäre verletzen.

Haltung des Präsidenten. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko fordert in öffentlichen Erklärungen immer wieder, das Parlament solle die obligatorische elektronische Einkommenserklärung für Anti-Korruptions-Aktivisten von NGOs wieder aufheben. Gleichzeitig trauen ihm viele Beobachter aber nicht, da die Fraktion seiner Partei “Block Petro Poroschenko” im Parlament sich bei Abstimmungen nicht entsprechend den Äußerungen des Präsidenten verhält.

Reaktion der Botschafter der G7-Staaten. Die Botschafter der G7-Staaten haben das ukrainische Parlament aufgefordert, die elektronische Einkommenserklärung für Anti-Korruptions-Aktivisten und ausländische Mitglieder von Aufsichtsräten ukrainischer Staatsunternehmen abzuschaffen. Die Botschafter verlangen zudem, Personen, die nicht fristgerecht eine Einkommenserklärung abgeben, vorübergehend von der strafrechtlichen Verantwortung zu befreien.

Reaktion der Europäischen Union. Trotz der Forderungen aus Brüssel wurde aber in Kiew nichts unternommen. So schlug Präsident Poroschenko einen Gesetzentwurf vor, der von der Venedig-Kommission heftig kritisiert wurde. Und im ukrainischen Parlament reichten die Stimmen nicht aus, um das umstrittene Gesetz aufzuheben. Am 28. März verbreitete schließlich der EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik Johannes Hahn in diesem Zusammenhang eine sehr harte Erklärung. Ihm zufolge hat die ukrainische Staatsmacht ihre Verpflichtungen nicht erfüllt. “Die Weigerung, dieses Gesetz aufzuheben, das Pflichten von Beamten auf gesellschaftliche Aktivisten ausweitet, widerspricht den europäischen Bestrebungen der Ukraine”, so Hahn.

Was bedeutet das? Warum haben das Parlament und der Präsident entgegen öffentlicher Zusicherungen, jene Einkommenserklärung bis zum 1. April wieder abzuschaffen, die Beziehungen zur EU so zugespitzt. Der ukrainische Politikexperte Oleksij Panytsch meint, dass das Parlament und die Präsidenten-Administration schon jetzt ein pragmatisches Ziel erreicht hätten. “Sie haben die Anti-Korruptions-Aktivisten gezwungen, zumindest ein Mal ihr Einkommen und Vermögen offenzulegen (…) Die nun öffentlich dargelegten Vermögenswerte der ‘Korruptionsbekämpfer’ werden jetzt zum Gegenstand von PR-Spielen, insbesondere im Vorfeld der nächsten Wahlen”, so Panytsch.

Was kommt als nächstes? In nächster Zeit soll im Parlament über eine neue Gesetzesvorlage abgestimmt werden, die jene Einkommenserklärungen für gesellschaftliche Aktivisten abschaffen würde. Würde das Gesetz angenommen, würden diejenigen, die keine Erklärung abgegeben haben, von der strafrechtlichen Verantwortung befreit. Die bereits abgegebenen Einkommenserklärungen würden dann nicht mehr geprüft.


Die Ukraine im “Westernization Index 2018”

Das Forschungszentrum StrategEast untersucht Verbindungen zwischen den politischen und wirtschaftlichen Eliten der ehemaligen Sowjetrepubliken und den Partnern in den USA und Westeuropa. In diesem Jahr hat das Zentrum eine Studie über die “Verwestlichung” der Länder des ehemaligen kommunistischen Blocks erstellt. Darin wird der Grad der Integration der 14 ehemaligen Sowjetrepubliken in die westliche Welt in fünf Schlüsselbereichen überprüft: Politik, Wirtschaft, Recht, Sprache und Kultur sowie Lebensstil. Was die Ukraine angeht, so wurde die Studie von StrategEast unter Beteiligung von Experten des ukrainischen Zentrums “New Europe” erstellt. Unter der “Verwestlichung” verstehen die Autoren der Studie den Grad der Anpassung der Gesellschaften an westliche Lebensnormen. Wichtige Indikatoren sind der Kampf gegen Korruption, die westliche Art der Geschäftstätigkeit, die Modernisierung der Infrastruktur, die Präsenz einer unabhängigen Presse und Zivilgesellschaft, Transparenz im Energiesektor usw.

Der Studie zufolge liegt die Ukraine nach den baltischen Staaten (Estland, Litauen, Lettland) sowie hinter Georgien und der Republik Moldau an sechster Stelle. An erster Stelle der “Verwestlichung” liegt Estland (93 von 100 Punkten), gefolgte von Litauen (85 Punkte), Lettland (82 Punkte) und Georgien (62 Punkte). Die Ukraine kommt auf 54 Punkte. Nach der Ukraine kommen Armenien, Belarus und alle asiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken (Aserbaidschan, Kirgisistan, Usbekistan, Turkmenistan, Tadschikistan). (Die Studie in englischer Sprache)


Kultur: “Docudays UA” – Boom beim ukrainischen Dokumentarfilm

Zum bereits 15. Mal hat in Kiew das internationale Dokumentarfilmfestival über Menschenrechte “Docudays UA” stattgefunden. Die Veranstaltung ist zu einer wichtigen Plattform und treibenden Kraft für den ukrainischen Dokumentarfilm geworden. Zum Fachprogramm gehörte in diesem Jahr das Projekt “B2B Doc: Producers Meet Producers”, das gemeinsam mit dem “Baltic to Black Sea Documentary Network” realisiert wurde, dessen Ziel es ist, Möglichkeiten für Koproduktionen zu schaffen. 14 Projekte aus der Ukraine, Belarus, Armenien, der Republik Moldau und Georgien, die sich noch in einer Entwicklungsphase befinden, wurden eingeladenen Produzenten aus den baltischen Staaten, Skandinavien und Westeuropa vorgestellt.

Erstmals war beim Festival im Wettbewerbsprogramm der ukrainische Film mit vollwertigen Streifen vertreten. Viele von ihnen wurde mit Unterstützung der staatlichen Filmagentur der Ukraine produziert. Die Themen der ukrainischen Filme reichen vom Krieg im Osten des Landes und den sozialen Veränderungen in der Ukraine nach der Maidan-Revolution bis bin zu einem größeren Kontext, in dem die Ukraine in den globalen Raum integriert ist.

Einer der Gewinnerfilme ist “No Obvious Signs” von der Regisseurin Alina Horlova. Darin wird die Rückkehr einer Veteranin des Kriegs in der Ostukraine in das zivile Leben erzählt (Teaser). Drei weibliche Kämpferinnen stehen im Fokus des Films “Women in War” von Masha Kondakova (Facebook-Seite). Der Krieg im Osten der Ukraine spielt auch in dem Dokumentarfilm “The First Company” eine wichtige Rolle. Er ist auch Hintergrund der Ereignisse im Film “Mustard in the Gardens“. Beide Streifen wurden beim Festival mit Preisen ausgezeichnet.

In dem Film “Almost 10.000 Voters” von Uliana Osovska kandidiert ein Aktivist und Freiwilliger bei einer Bürgermeisterwahl in einem Städtchen in der Zentralukraine. Er tritt dort gegen Vertreter der alten korrupten Eliten an.

Der ukrainisch-deutsche Film “Delta” von Oleksandr Techynskyi, der nicht Teil des Wettbewerbs war, wurde schon beim Festival DOK Leipzig ausgezeichnet. Er erzählt vom Alltag der Menschen in Wilkowo, einer ukrainischen Stadt am Donaudelta (Teaser).

Ein weiterer Preisträger des Festivals ist der Film “Enticing, Sugary, Boundless or Songs and Dances About Death” von Tania Khodakivska und Oleksandr Stekolenko. Er vermischt Geschichten bekannter Künstler und einfacher Menschen, die von den USA und Italien in die Ukraine und Georgien kommen.

Der Film “Whereufrom” von Dmytro Lavrinenko, der den Hauptpreis des Festivals gewann, wurde insbesondere für seinen Schnitt gewürdigt. Eine Kamera gehört dem Haupthelden, einem Hausmeister aus Charkiw, der von Zeit zu Zeit in die USA reist und sowjetische Artefakte sammelt. Die zweite Kamera ist in den Händen des Regisseurs des Films.