“DNR”-Chef Alexander Sachartschenko ermordet: Was nun?

Am 31. August 2018 um etwa 18 Uhr Ortszeit hat sich in Donezk im Café “Separ” eine Explosion ereignet. Dabei wurde der Anführer der sogenannten “Donezker Volksrepublik” (DNR), Alexander Sachartschenko, getötet. Mindestens drei weitere Personen wurden verletzt. Was genau geschah, wer war Sachartschenko und wer könnte hinter dem Anschlag stecken? Dazu Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Wer wird von der “DNR” verdächtigt? Der Sprengsatz befand sich in einer Lampe neben dem Tisch, an dem Sachartschenko normalerweise immer saß. Der “DNR”-Chef starb an seinen Kopfverletzungen. Die “Donezker Volksrepublik” verdächtigt einen Leibwächter von Sachartschenko, den Anschlag verübt zu haben. Er war vom Tatort sofort verschwunden. Schnell erklärten die prorussischen Separatisten, sie hätten die Organisatoren des Anschlags bereits festgenommen. Ihnen zufolge handelt es sich um “ukrainische Saboteure”.

Reaktion des Außenamtes in Kiew. Die Sprecherin des Außenministeriums der Ukraine, Marjana Beza, sagte, dass Russland hinter dem Attentat stecke. “Die blitzschnelle Reaktion des russischen Außenministeriums auf die Ermordung von Sachartschenko zeugt zumindest vom Versuch der Russischen Föderation, die Marionetten zu decken, die sie selbst unterstützt und finanziert”, schrieb Beza auf Twitter.

Reaktion des SBU. Die Sprecherin des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU), Olena Hitljanska, bestätigte gegenüber der Nachrichtenagentur “Interfax-Ukraine”Sachartschenkos Tod in Donezk. “Der SBU geht davon aus, dass dies das Ergebnis von Konflikten ist, die seit langem zwischen den Terroristen toben, einschließlich ihrer russischen Kuratoren”, sagte sie.

Russlands Reaktion. Der russische Präsident Wladimir Putin sprach im Zusammenhang mit der Ermordung des “DNR”-Chefs sein Beileid aus. “Der abscheuliche Mord an Alexander Sachartschenko ist ein weiterer Beweis: Diejenigen, die den Weg des Terrors, der Gewalt und der Einschüchterung gewählt haben, wollen keine friedliche politische Lösung des Konflikts suchen und wollen keinen wirklichen Dialog mit den Menschen im Südosten führen”, heißt es auf der Webseite des Kremls. Die Ukraine wird in Putins Erklärung nicht direkt erwähnt. Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation hat im Zusammenhang mit der Ermordung von Sachartschenko ein Strafverfahren wegen “internationalem Terrorismus” eingeleitet.

Angeblich nicht der erste Versuch.Sachartschenko hatte wiederholt über Attentate gegen ihn gesprochen. Eines der ersten soll sich im August 2014 zugetragen haben. Im April 2016 will das sogenannte “Ministerium für Staatssicherheit der DNR” ein Attentat verhindert haben. Ein weiterer Anschlag soll im Mai 2017 versucht worden sein. Der Anführer der selbsternannten “DNR” warf der Ukraine vor, die Explosionen organisiert zu haben.

Wer war Sacharchenko?

Alexander Sachartschenko wurde in Donezk geboren, wo er die Hochschule für industrielle Automatisierung absolvierte. Er arbeitete als Bergarbeiter in einer Mine, dann als Elektriker und besuchte später das Juristische Institut des Innenministeriums der Ukraine in Donezk. Journalisten zufolge arbeitete Sachartschenko lange Zeit mit der “Partei der Regionen”zusammen. Laut von ukrainischen Medien veröffentlichten medizinischen Gutachten, wurde Sachartschenko im Jahr 2010 in Charkiw untersucht. Dabei sei bei ihm eine psychische Erkrankung diagnostiziert worden. In den Unterlagen wird von “anhaltenden irreversiblen psychischen Störungen” gesprochen. Festgestellt wurde zudem, dass der “Patient eine Gefahr für andere Menschen” darstellt. Sachartschenko wurde zur Behandlung in eine psychiatrische Klinik in Charkiw eingewiesen.

Im Jahr 2013 schloss er sich in Charkiw der prorussischen Organisation “Oplot” an und leitete deren Filiale in Donezk. Am 16. April 2014 übernahm er die Leitung einer Gruppe von Rebellen, um das Gebäude der Stadtverwaltung von Donezk zu besetzen. Einen Monat später wurde Sachartschenko zum “militärischen Kommandanten” des von den prorussischen Rebellen besetzten Donezk und später zum “Stellvertretenden Innenminister der DNR” ernannt. Im August 2014 wurde er Vorsitzender des “Ministerrats” der sogenannten “DNR”. Nach illegitimen “Wahlen” in der selbsternannten “DNR” wurde Sachartschenko zum Sieger und “Oberhaupt der DNR” erklärt. Für ihn sollen angeblich 765.000 Menschen (etwa 75 Prozent der Wähler) gestimmt haben.

Wie ist jetzt die Lage in Donezk? Die Straßen in und aus der Stadt sind gesperrt. Es wurde ein Ausnahmezustand verhängt. Die Feiern zum Schulbeginn am 1. September wurden seitens der sogenannten “Donezker Volksrepublik” abgesagt. Alle Kontrollpunkte an der Grenze zu Russland und alle Übergänge in die von Kiew kontrollierten Gebiete der Ukraine wurden im Rahmen der Fahndung geschlossen. In der Stadt herrscht Panik. Viele Menschen wissen nicht, was als nächstes passiert.

Was nun?Wladislaw Berditschewskij, Mitglied des sogenannten “Volksrates” der selbsternannten “DNR”, teilte am Abend des 31. August der russischen Agentur “Interfax” mit, dass vorübergehend der “Erste stellvertretende Ministerpräsident” Dmitrij Trapesnikow das Amt des “Oberhaupts der DNR” ausüben werde.

Trapesnikow ist 37 Jahre alt. Er absolvierte die staatliche Donezker Akademie für Bauwesen und Architektur. Zwischen 2001 und 2005 war er Manager des Donezker Fußballclubs “Schachtar”. Daher wird er von Bewohnern vor Ort als insgeheimer Agent des ukrainischen Oligarchen Rinat Achemtow betrachtet. Achmetow ist auch Präsidenten des Fußballclubs “Schachtar”, der aber wegen der Kämpfe in der Region Donezk seine Heimspiele im ostukrainischen Charkiw austrägt. Im September 2014 wurde Trapesnikow zum Leiter der “Vorübergehenden Administration” im Thälmann-Bezirk der selbsternannten “DNR” ernannt. Seitdem hatte er verschiedene Posten innerhalb der sogenannten “DNR-Führung” inne.