Konfrontation im Asowschen Meer, Poroschenkos Bilanz, Russland und die PACE sowie weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Im Laufe der letzten Woche haben die russischen Besatzungstruppen die Stellungen der ukrainischen Vereinten Kräfte nahe der Orte Stanyzja Luhanska, Krymske, Nowotoschkiwske, Luhanske, Pisky, Nowotrojizke, Starohnatiwka, Pawlopil, Hnutowe, Wodjane, Lebedynske und Schyrokyne beschossen.

Unter starken Beschuss mit Mörser vom Kaliber 120 mm und 82 mm gerieten die Stellungen der Vereinten Kräfte im Frontabschnitt Switlodarsk nahe der Ortschaft Luhanske.

Am Morgen des 20. September, um 6 Uhr, feuerten die russischen Besatzungstruppen mit Artillerie vom Kaliber 122 mm auf den Ort Schyrokyne.


Konfrontation im Asowschen Meer: Die Spannung steigt

Zuspitzung der Lage. Ende Juli 2018 begann Russland, ausländische Schiffe vor der Meerenge von Kertsch anzuhalten. Das ukrainische Verkehrsministerium erklärte, die Russische Föderation habe ohne Grund die Kontrollen von Schiffen erhöht, die Richtung Ukraine unterwegs seien. Am 16. Juli hieß es, es seien schon 148 Schiffe von Russland im Asowschen Meer gestoppt worden.

Der Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes, Oleh Slobodjan, sagte, die Russische Föderation ziehe die Erteilung von Passier-Genehmigungen für die Meerenge von Kertsch hinaus. “Es gibt Informationen, dass Schiffe manchmal bis zu drei Tage warten müssen”, betonte er. Dies wirke sich negativ auf die wirtschaftliche Attraktivität der Ukraine aus.

Gemäß einem internationalen Vertrag können sowohl Russland als auch die Ukraine das Asowsche Meer frei nutzen. Russland hat formal das Recht, Schiffe zu kontrollieren. “Aber uns ist klar, warum das jetzt gemacht wird”, so der Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes.

Mehr Hintergrund dazu:
Brücke von Kertsch: Weg ins Nirgendwo?
Hybride Blockade: Was passiert im Asowschen Meer?

Ukraine plant neue Militärbasis. Aufgrund der Spannungen und des russischen Vorgehens im Asowschen Meer ordnete der ukrainische Präsident Petro Poroschenko eine Sitzung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates an. Am 16. September erklärte die Regierung in Kiew, einen Stützpunkt der ukrainischen Seestreitkräfte am Asowschen Meer einzurichten. “Es ist geplant, bis Ende des Jahres eine Basis der Seestreitkräfte der Ukraine am Asowschen Meer aufzubauen. Das schafft die Voraussetzungen dafür, das aggressive Vorgehen der Russischen Föderation in dieser Region abzuwehren”, hieß es seitens der Regierung. Bereits am 16. September liefen von Berdjansk, Region Saporischschja, zwei ukrainische Militär-Schiffe ins Asowsche Meer aus.

Ukrainische Schiffe im Asowschen Meer. Am Abend des 23. September passierten zwei weitere ukrainische Militär-Schiffe die Meerenge von Kertsch und liefen in das Asowsche Meer ein. Die Schiffe aus Odessa sollen Teil der Marinebasis in Berdjansk werden. Nach Angaben der ukrainischen Streitkräfte war es aber nicht einfach, die Meerenge zu passieren. “Russische Schiffe begleiteten die ukrainischen Schiffe, die immer wieder von Flugzeugen des Aggressor-Landes überflogen wurden, auch in extrem niedriger Höhe”, so das Kommando der ukrainischen Marine.

Kaum Informationen über den neuen Stützpunkt. Der ukrainische Verteidigungsminister Stepan Poltorak sagte bisher lediglich, die Ukraine habe die USA gebeten, dem ukrainischen Militär zwei Schiffe vom Typ “Island” im Wert von zehn Millionen US-Dollar zu liefern. Zudem wurde bereits angekündigt, dass eine weitere Marine-Brigade geschaffen wird. Da das Asowsche Meer klein ist, sollen auch Raketensysteme oder Artillerie der Bodentruppen zur Verstärkung der Küstenverteidigung hinzugezogen werden.


Präsident Poroschenko: Eine Bilanz der Amtszeit

Vergangene Woche hat Präsident Petro Poroschenko seine jährliche Rede vor dem Parlament des Landes gehalten. Es war seine letzte in dieser Amtszeit. Daher wurde in ihr Bilanz gezogen. Die Rede ist aber auch Programm für die Präsidentschaftswahlen Ende März 2019. Hier die wichtigsten Punkte:

EU und NATO. Poroschenko erläuterte, wie sich seiner Meinung nach das Land in Richtung einer EU- und NATO-Mitgliedschaft bewegen sollte. “Wir sind endlich aus den Labyrinth der Multi-Vektoren-Politik herausgekommen. Wir haben es noch gerade aus der tödlichen Falle der Blockfreiheit geschafft. Und seit 2014 gehen wir standhaft unseren Weg, und das ist der Weg in die EU und NATO”, sagte der Präsident.

“Europäische” und “ukrainische” Identität. Einerseits ist Poroschenko überzeugt, dass die Ukraine ihre ukrainische Identität gefunden hat. “Armee, Sprache und Glaube – das ist kein Slogan. Das ist die Formel der modernen ukrainischen Identität. Die Armee schützt unser Land. Die Sprache schützt unsere Herzen. Die Kirche schützt unsere Seelen”, sagte Poroschenko. Mit Sprache meinte er das Ukrainische und mit Kirche spielte er auf die Schaffung einer eigenen Ukrainischen Orthodoxen Landeskirche an. Andererseits, so Poroschenko, “streitet niemand unsere europäische Identität ab”. Sie definierte der Präsident nicht näher, betonte aber, dass es in der Ukraine Gewaltenteilung und eine Koalitionsregierung gebe. Das politische System entwickle sich in Richtung “parlamentarisch-präsidentielle Demokratie”.

Korruptionsbekämpfung.“Wir haben eine Anti-Korruptions-Infrastruktur geschaffen. In einige neue Behörden wurden beträchtliche finanzielle Mittel investiert, aber mit dem Koeffizienten, was deren Nutzen angeht, bin ich als Präsident bislang nicht zufrieden. Der Gesellschaft reicht die Dynamik der Anti-Korruptions-Bekämpfung nicht aus und die Forderungen der Menschen sind absolut gerechtfertigt”, sagte Poroschenko.

Migration. Der Präsident räumte ein, dass es ein Migrationsproblem gibt: “Die Auswanderung hat ernste Ausmaße angenommen. Alle Länder Mittel- und Osteuropas, die im Zuge der europäischen Integration Teil des europäischen Arbeitsmarktes wurden, waren oder sind auf die eine oder andere Weise mit dieser Herausforderung konfrontiert.”

Autokephalie für die Ukraine. Die erwartete Verleihung von Autokephalie für die Orthodoxe Kirche der Ukraine durch das Patriarchat von Konstantinopel bezeichnete Poroschenko als “weitere Unabhängigkeitserklärung der Ukraine”. Sie werde für das Land aber auch ein Demokratie-Test sein. Poroschenko sicherte den Priestern und Gläubigen der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, die sich freiwillig “von Moskau” loslösen, Schutz zu.

Demokratie. Poroschenko sagte, eine seiner Errungenschaften sei, dass kein Kriegsrecht im Land verhängt worden sei: “Es war nicht einfach, die Demokratie unter Bedingungen einer Aggression von Außen zu bewahren. Obwohl das Kriegsrecht die Macht und die Möglichkeiten des Präsidenten erheblich gestärkt hätte, habe ich Vorschläge, es zu verhängen, kategorisch abgelehnt. Selbst unter Kriegsbedingungen haben wir die politischen Rechte und Freiheiten der Bürger nicht eingeschränkt und keine Zensur eingeführt.”

Äußere Herausforderungen. Poroschenko erinnerte auch an äußere Risiken: an einen zunehmenden linken und rechten Populismus, an den Europa-Skeptizismus, an undemokratische Tendenzen in einigen Nachbarländern sowie an hybride Angriffe Russlands auf die USA, EU und Ukraine.

Fazit: Zickzack in richtiger Richtung. Die Rede vor dem Parlament war überraschend selbstkritisch. Poroschenko gab so mancher Kritik Recht. Gleichzeitig betonte er jedoch, das Land entwickle sich in richtiger Richtung. Es sei ihm in seiner Amtszeit gelungen, das Land auf diesen Weg zu bringen. “Vor dem Hintergrund hoher Erwartungen innerhalb der Gesellschaft bildete sich eine tiefe Unzufriedenheit heraus. Selbst unter denjenigen, die davon überzeugt sind, dass sich das Land in richtiger Richtung bewegt, gibt es viele, die glauben, dass wir uns im Zickzack bewegen.”

 


Kommt Russland zurück in die PACE? Was wird die Ukraine tun?

Eine mächtige Lobby innerhalb der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) wird versuchen, während der Sitzung im Oktober die Geschäftsordnung der Organisation dahingehend zu ändern, um Russland wieder die Teilnahme an der Arbeit der PACE zu ermöglichen. Das berichtet die ukrainische Internetzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit).

Russland und die PACE seit 2014. Die PACE hatte Russland im Frühjahr 2014 als Reaktion auf die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim das Stimmrecht in der Versammlung entzogen. Später wurden die Sanktionen gegen Moskau noch weiter verstärkt. Die russische Delegation nimmt faktisch seit mehr als drei Jahren nicht mehr an der Versammlung teil. Im letzten Jahr stoppte Russland seine Beiträge zum Haushalt des Europarats, was zu einer massiven Krise in der Organisation führte.

Was könnte am 9. Oktober 2018 passieren? Aufgrund des starken Drucks Moskaus wurde der “Jewropejska Prawda” zufolge ein Weg gefunden, mit dem Russland trotz Sanktionen wieder in die PACE zurückgeführt werden kann. So soll die PACE am 9. Oktober während ihrer regulären Sitzung ihre eigenen Regeln ändern, was die Verhängung von Sanktionen betrifft. Laut einem Entwurf soll die erforderliche Quote für Sanktionen gegen einen Mitgliedstaat auf 2/3 der Stimmen erhöht und das Verfahren zur Verhängung von Sanktionen erschwert werden. Ziel sei es, unter dem Deckmantel von Verfahrensänderungen Russland zurück in die PACE zu führen, ohne das Moskau auch nur eine Forderung aus früheren Resolutionen erfüllt.

Reaktion der Ukraine. Der ukrainischen Delegation ist es der “Jewropejska Prawda” zufolge nicht gelungen, grundlegende Änderungen zum oben erwähnten Entwurf einzubringen. Die ukrainische Delegation und Menschenrechtler haben wiederholt betont, dass eine Rückkehr Russlands zur PACE, ohne Erfüllung von Forderungen der Versammlung, die Autorität der gesamten Organisation in Misskredit bringen würde. Der Vertreter der Ukraine beim Europarat, Dmytro Kuleba, sagte, der Versammlung werde mit dem Entwurf vorgeschlagen, den Arm zu amputieren, mit dem die PACE Einfluss auf Staaten ausübe, damit diese sich an Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechte und Demokratie halten. Sollte der Entwurf von der PACE verabschiedet werden, wollen die ukrainischen Abgeordneten eine Erklärung zu den Grundsätzen der Organisation vorlegen und notfalls die Arbeit in der PACE beenden.