Oleh Senzow beendet Hungerstreik: Was ist der Grund und wie ist sein Zustand?

Am 5. Oktober hat nach 145 Tagen der ukrainische Regisseur Oleh Senzow, der in Russland illegal zu 20 Jahren Haft verurteilt wurde, seinen Hungerstreik beendet. Das meldeten die russischen Strafvollzugsbehörden. Inzwischen liegt ein Brief von Senzow selbst vor.

Erklärung der russischen Behörden.Am 5. Oktober um 11.48 Uhr teilte der Föderale Strafvollzugsdienst der Russischen Föderation mit, dass Oleh Senzow schriftlich zugestimmt habe, wieder Nahrung zu sich zu nehmen. “In diesem Zusammenhang wurden Konsultationen mit den besten Moskauer Ernährungswissenschaftlern durchgeführt, um einen für ihn optimalen Ernährungsplan zu erstellen. Er enthält alle notwendigen Lebensmittelrationen, die Oleh Senzow ermöglichen werden, ohne Komplikationen aus dem langanhaltenden Zustand herauszukommen, in dem er volle Mahlzeiten abgelehnt hatte”, heißt es auf der Webseite der Behörde.

Unterschrift In Anwesenheit der Anwälte. Der Vorsitzende des Menschenrechtsrates beim russischen Präsidenten Michail Fedotow sagte, Senzow habe eine Erklärung über die Beendigung seines Hungerstreiks in Anwesenheit von Anwälten verfasst. Darüber sei er vom Föderalen Strafvollzugsdienst am Morgen des 5. Oktober informiert worden, berichtet “Interfax”.

Senzows Brief: Hungerstreik wegen drohender Zwangsernährung beendet

“Wegen meines kritischen Gesundheitzustands sowie den einsetzenden pathologischen Veränderungen in den inneren Organen wurde in allernächster Zeit für mich eine Zwangsernährung angesetzt. Meine Meinung wird dabei nicht mehr berücksichtigt. Angeblich bin ich nicht mehr in der Lage, meinen Gesundheitszustand und die Gefahr für meine Gesundheit angemessen einzuschätzen. Maßnahmen zur Lebenserhaltung sehen eine Zwangsernährung vor, um das Leben des Patienten zu retten. Unter diesen Umständen muss ich meinen Hungerstreik ab morgen, also ab dem 06.10.18, beenden. 145 Tage Kampf, minus 20 Kilogramm Gewicht, plus ein geschädigter Organismus – doch das Ziel wurde nicht erreicht. Ich bin allen dankbar, die mich unterstützt haben, und ich entschuldige mich bei all denen, die ich enttäuscht habe…

Ehre sei der Ukraine!

Oleh Senzow. 05.10.18″

Senzows Gesundheitszustand.Dem ukrainischen Regisseur und politischen Gefangenen geht es sehr schlecht. Senzows innere Organe sind in einem kritischen Zustand. Das sagte der Regisseur Askold Kurow gegenüber dem ukrainischen Sender “Hromadske”. Kurow hatte sich zuvor mit Senzows Anwalt Dmytro Dinse getroffen, der Senzow besucht hatte.

“Der Zustand von Senzow ist dem Anwalt zufolge sehr schlecht, er ist sehr schwach, frustriert und erschöpft. Seine Entscheidung, den Hungerstreik zu beenden, ist auf die jüngste planmäßige Untersuchung im städtischen Krankenhaus zurückzuführen. Er wurde dort per Ultraschall untersucht und anderen Tests unterzogen. Dabei wurde festgestellt, dass sich seine inneren Organe in einem kritischen Zustand befinden”, sagte Kurow. Dem Regisseur zufolge sind bei Senzow ernste Probleme mit der Leber, den Nieren, dem Magen und Darm sowie die ischämische Herzkrankheit aufgetreten.

“Man hat ihm gesagt, man werde ihn zwangsernähren, wenn er nicht selbst bis Ende der Woche den Hungerstreik beendet. Da hat er entschieden, besser den Hungerstreik zu beenden, als ans Bett gefesselt zu sein und über einen Schlauch durch die Nase mit Medikamenten und einer Nährstoffmischung versorgt zu werden”, berichtete Kurow.

Bereits am 2. Oktober hatte der Anwalt Dmytro Dinse erklärt, Senzow habe Probleme mit der Leber und den Nieren. “Er leidet unter Herzinsuffizienz, und Erkrankungen der unteren Extremitäten, und durch den Hungerstreik haben sich eine Hypoxie sowie Probleme mit Leber und Nieren entwickelt. Man hat ihm Medikamente verschrieben”, sagte er gegenüber “RBK”.

Am 29. September hatte der russische Strafvollzugsdienst ein Foto von Senzow veröffentlicht und mitgeteilt, er sei zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht worden. Am 28. September habe man seine “Behandlung korrigiert”, hieß es in der Mitteilung.

Illegale Verurteilung in Russland.Oleh Senzow wurden im Mai 2014 auf der Krim von den russischen Besatzungsbehörden festgenommen. Er wurde beschuldigt, Terroranschläge geplant zu haben. Senzow hatte zuvor öffentlich die Revolution der Würde in der Ukraine unterstützt und die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland verurteilt. Trotz des eindeutig politischen Charakters des Falles, trotz fehlender Beweise und internationaler Proteste, verurteilte ihn ein russisches Gericht im August 2015 zu 20 Jahren Strafkolonie. Senzow wurden anfangs in einem Moskauer Gefängnis festgehalten, dann in Rostow verurteilt und in Etappen erst in den Ural und später in die russische Arktis nach Labytnangi verlegt. Am 14. Mai 2018 war Senzow in einen Hungerstreik getreten. Damit forderte er die Freilassung aller ukrainischen politischen Gefangenen, die in Russland und auf der besetzten Halbinsel Krim festgehalten werden.