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Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 8. bis 13. März 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Awdijiwka. Am 11. März haben die prorussischen Militärverbände erneut Awdijiwka beschossen. Infolge des Beschusses wurde die Stromversorgung von Awdijiwka unterbrochen. Infolge des Beschusses wurde die Leitung beschädigt, die Awdijiwka, die Kokerei in Awdijiwka und die Donezker Filteranlage für Trinkwasser mit Strom versorgt hatte. Am 12. März wurde Awdijiwka mit Raketensystemen vom Typ BM-21 “GRAD” beschossen. Am 13. März haben die prorussischen Rebellen einem Waffenstillstand schriftlich zugestimmt, damit Reparaturen durchgeführt werden können.

OSZE: Der erste stellvertretende Leiter der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Alexander Hug, hat mitgeteilt, dass sich die Lage in der Ostukraine in der vergangenen Woche verschlechtert hat. “Im Vergleich zur vorvorherigen Woche sind die Fälle, in denen Waffen eingesetzt wurden, die laut den Minsker Vereinbarungen verboten sind, um 230 Prozent gestiegen”, so Hug. Laut Angaben der SMM-OSZE wurden seit Anfang des Jahres im Osten der Ukraine 70 Zivilisten verletzt und 16 getötet.

Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Berufsarmee der “DVR”. Der ehemalige sogenannte “Verteidigungsminister der Volksrepublik Donezk”, Ihor Girkin, hat über den aktuellen Bestand der Militärverbände im Donbass berichtet. Ihm zufolge gibt es im Donbass keine “Aufständischen” mehr. An den Kämpfen in der Ostukraine seien Berufssoldaten beteiligt. Deren Sold würde 15.000 Rubel (knapp 250 Euro) pro Monat betragen.

Gründer der “Donezker Volksrepublik” tot. Am 12. März ist in Donezk Wladimir Makowitsch gestorben, einer der Gründer der “Donezker Volksrepublik”. “Er war es, der am 7. April 2014 vor dem Volk die Erklärung über die staatliche Unabhängigkeit der Donezker Volksrepublik verlesen hatte”, berichtete auf Facebook der ehemalige “Außenminister der DVR”, Boris Borisow.

Ausländische Söldner in den vorübergehend besetzten Gebieten: Keine Bestrafung. Neben Russen kämpfen in der Ostukraine Söldner aus Serbien, der Slowakei, Tschechien, Weißrussland, Frankreich, Italien und anderen Ländern aufseiten der prorussischen Militärverbände. Vor kurzem teilte der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) mit, er habe verhindert, dass weitere Söldner aus Westeuropa in die “Volksrepublik Luhansk” gelangen. Außerdem sei ein Brasilianer festgenommen worden, der sich den Rebellen angeschlossen hatte. Laut Angaben des slowakischen Journalisten Tomas Forro sind unter den ausländischen Söldnern Nationalisten, die Russland unterstützen, ideologische “Linke”, die in einer von Russland wiederaufgebauten Sowjetunion leben wollen, und Männer, die sich ein Leben ohne Krieg nicht vorstellen können und sich an bewaffneten Konflikten weltweit beteiligen. Der Journalist bezweifelt, dass jene Staaten, deren Bürger in der Ostukraine aufseiten der prorussischen Rebellen kämpfen, alles tun, um sie nach ihrer Heimkehr zu bestrafen.

Wie die Einwohner der “DVR” ins Ausland reisen. Obwohl ukrainische Reiseunternehmen einen Teil ihres Marktes im Donbass verloren haben, gibt es in der “DVR” große Reisebüros und die Menschen können ins Ausland reisen, allerdings nur über Russland. Die Reisebüros bieten an, vom russischen Rostow am Don aus an jeden beliebigen Ort der Welt zu reisen. Die Preise sind auf dem russischen Markt vergleichsweise günstig. Trotzdem können sich die meisten Menschen vor Ort solche Reisen nicht leisten.

Die erste Prozess-Woche in Den Haag: Eine Bilanz

Vom 6. bis 9. März 2017 hat in Den Haag vor dem Internationalen Gerichtshofs eine Anhörung zur Klage der Ukraine gegen Russland stattgefunden. Die ukrainische Seite bat gleich am ersten Tag den Internationalen Gerichtshof, Russland zu verpflichten, die Finanzierung der illegalen bewaffneten Gruppierungen im Donbass, deren Versorgung mit Waffen und Ausrüstungen sowie deren Ausbildung zu stoppen.

Am zweiten Tag der Anhörung trug die russische Seite ihre Argumente vor. Am letzten Tag erklärte Russland, die ukrainische Seite habe keine konkreten Hinweise auf russische Waffenlieferungen an die Rebellen. Gleichzeitig versicherte der Kreml, ein Urteil des Gerichts in Den Haag anzuerkennen. Die stellvertretende ukrainische Außenministerin Olena Serkal sagte in einem Interview für die ukrainische Zeitung “Dserkalo tyschnja” (Wochenspiegel), die Ukraine könnte eine weitere Klage gegen Russland einreichen.

Dem ukrainischen Politikwissenschaftler Mychajlo Basarab zufolge gehen Juristen davon aus, dass sich der Prozess über Jahre hinziehen kann. Doch die Ukraine setzt darauf, dass der Internationale Gerichtshofs Entscheidungen zu konkreten Maßnahmen trifft, um den Konflikt in den Gebieten Luhansk und Donezk zu entschärfen. Zum Beispiel soll Russland gezwungen werden, Waffenlieferungen in diese Gebiete einzustellen. Mit einer solchen Entscheidung des Gerichts könne die Ukraine in den nächsten Monaten rechnen, so Basarab.

Krim: “Verstaatlichung” von Achmetows Fabriken auf der besetzten Halbinsel?

Die “Verstaatlichung“, die auf der Krim von den von Russland kontrollierten Behörden vorgenommen wird, hat Vermögenswerte des ukrainischen Geschäftsmanns Rinat Achmetow erreicht. Seit einigen Tagen haben die beiden größten Fabriken der Stadt Kertsch – eine Metallhütte und ein Werk zur Schienenproduktion – eine vorübergehende Verwaltung. Behördenvertreter erklärten, die Fabriken, die in den letzten drei Jahren weiterhin von ukrainischen Eigentümern kontrolliert worden seien, würden nun in Staatsbesitz überführt.

Als die Beschäftigten der Fabriken zur Arbeit kamen, trafen sie am Eingang unbekannte Personen an, die die bisherigen Wachen ersetzen. Die Arbeiter berichteten, ihnen sei gesagt worden, dass es in den Fabriken nun eine “Reform” gebe und dass manche Personen laut einer Liste nicht mehr durchgelassen werden dürften.

Doch nicht alle Beobachter sehen in der sogenannten Verstaatlichung der Metallhütte in Kertsch eine “Beschlagnahme in jemanden Interesses”. Seit der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland bleiben die Rohstofflieferungen vom ukrainischen Festland aus. Es kommt zu Verzögerungen bei den Gehaltszahlungen und überhaupt zu Problemen mit Aufträgen. Die Produktionskosten steigen, weil Material nun aus dem benachbarten Russland herangeschafft werden muss. Daher könne es sein, so Beobachter, dass die Besitzer der Metallhütte sie verkaufen wollten oder mit den von Russland kontrollierten Behörden über das weitere Schicksal der Fabrik verhandelt haben.

Vertreter des ukrainischen Oligarchen Achmetow haben dazu bislang nicht Stellung genommen. Anfang März hatten bereits die Rebellen in den vorübergehend besetzten Gebieten des Donbass mit einer “Verstaatlichung” von Unternehmen begonnen, unter denen sich auch Achmetows Fabriken befinden (Ist die Blockade im Donbass und die “Nationalisierung” durch die “Volksrepubliken” das Ende des Imperiums von Achmetow?).

Justizreform: Wer sind die Richter?

Die ukrainische Öffentlichkeit verfolgt aufmerksam den Verlauf der Reformen im Lande und analysiert deren Ergebnisse. Ein Drittel der Kandidaten für ein Amt im Obersten Justizrat ist nicht unbescholten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung der gesellschaftlichen Bewegung “Tschesno” (Ehrlich). Die Experten haben sich alle 44 Kandidaten für den Obersten Justizrat angeschaut. Bei 16 wurden Verstöße gegen die für Kandidaten geltenden Kriterien festgestellt. Untersucht wurde, ob die Richter an fragwürdigen Entscheidungen, Menschenrechtsverletzungen und Korruption beteiligt waren. Geprüft wurde ferner, ob sie ihr Vermögen ehrlich angegeben haben und ob dieses mit dem tatsächlichen Lebensstil übereinstimmt. Darüber hinaus wurde ihre Fachkompetenz geprüft und ob sie bereits die richterliche Ethik verletzt haben. Die Aktivisten stellen fest, dass die sechs Mitglieder des Obersten Justizrats, die am 14. und 15. März gewählt werden, fast ein Drittel seiner Mitglieder darstellen. Eine Wahl unredlicher Richter als Mitglieder des Obersten Justizrats würde die Justizreform insgesamt gefährden.

Der Oberste Justizrat ist das zentrale Selbstverwaltungsorgan der Justiz. Er setzt sich aus 21 Mitgliedern zusammen und entscheidet in Fragen der Ernennung, Beförderung, Verhängung von Disziplinarstrafen und Entlassung. Die Hälfte der Mitglieder werden vom Richterverband gewählt, die weiteren vom Präsidenten, dem Parlament, dem Verband der Rechtsanwälte, der Staatsanwälte und der Vertretung der juristischen Ausbildungseinrichtungen.

Kultur: Wird ein Auftritt auf der Krim für die russische Teilnehmerin am ESC zum Hindernis?
Russland schickt die Sängerin Julia Samoilowa zum Eurovision Song Contest 2017, der im Mai in Kiew stattfinden wird. Sie ist behindert und sitzt im Rollstuhl. Aktivisten der gesellschaftlichen Organisation “Vidsitsch” verweisen auf Informationen von Samoilowa selbst in sozialen Netzwerken, wonach die Sängerin im Jahr 2015 auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim aufgetreten ist. Den Aktivisten zufolge stellt dies eine Unterstützung der russischen Aggression sowie einen Verstoß gegen das Verfahren zur Einreise auf die besetzte Krim dar. “Vidsitsch” fordert den Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) auf, Samoilowa die Einreise in die Ukraine zu verbieten. Der SBU teilte mit, man werde die Informationen prüfen und eine offizielle Stellungnahme abgeben. Nutzer von sozialen Netzwerken vermuten, Russland rechne mit einem Einreiseverbot für Samoilowa und habe sich bewusst für einen Menschen mit Behinderungen entschieden, um einen Skandal zu provozieren.

Wer ist der Maler Olexandr Hnylyzkyj und warum sind seine Werke im Kontext der ukrainischen und europäischen zeitgenössischen Kunst bedeutsam? Antworten darauf liefert eine Ausstellung von Bildern des Künstlers in Kiew. Hnylyzkyj hat sich in den 80er Jahren als einer der ersten der neuen Medien angenommen. In den 90er Jahren war er Mitglied der Kultband “Pariser Kommune”. Im darauffolgenden Jahrzehnt vermischte er auf ironische Weise Malerei, Grafik und Video-Installationen. Er starb im Jahr 2009.

Sport: Svitolina im Februar beste Tennisspielerin der Welt

Die Women’s Tennis Association (WTA) hat im Februar die Ukrainerin Elina Svitolina zur besten Tennisspielerin der Welt gekürt. Im Laufe des Monats hat sie keine einzige Niederlage erlitten (13 Siege in Folge). Svitolina gewann zwei Turniere (Dubai und Taipeh), stieg in die Top 10 der besten Tennisspieler der Welt auf und trug zum Sieg des ukrainischen Teams beim Federation Cup in Australien bei. In dieser Kategorie überholte Svitolina mit 63 Prozent der Stimmen die Französin Kristina Mladenovic (27 Prozent) und die Tschechin Karolina Pliskova (10 Prozent).

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Die Ukraine hat begonnen, sich rechtlich zu verteidigen. Der Internationale Strafgerichtshof begann am 6. März mit einer ersten Anhörung bezüglich der ukrainischen Klage gegen die Russische Föderation, der vorgeworfen wird, gegen das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung zu verstoßen und Terrorismus zu finanzieren. Reportage von The Day.

Wann können im Donbass Wahlen durchgeführt werden? Der Leiter der EU-Vertretung in der Ukraine, Hug Mingarelli, äußert sich in einem Interview zu den Bedingungen, die seiner Meinung nach Voraussetzung für Wahlen in den besetzten Gebieten sind. So müsse es den ukrainischen Parteien und Medien möglich sein, sich frei an der Wahl beteiligen zu können. Reportage von UNIAN.

Die Vereinten Nationen warnen vor einer möglichen chemischen Katastrophe in der Ostukraine. Laut Radio Free Europe/Radio Liberty besteht die ernstzunehmende Gefahr eines Chemieunfalls in der Ostukraine. Der UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte und gefährliche Substanzen teilte mit, mittlerweile werde in der Nähe von Industrieanlagen gekämpft. So seien beispielsweise einige Anlagen mit mehreren tausend Tonnen Chlorgas beschossen worden. Reportage von UNIAN.

Einer der ersten Anführer der “DVR” ist tot. Wladimir Makowitsch, einer der Gründer der sogenannten “Volksrepublik Donezk”, starb am 12. März in Donezk. Makowitsch verlas 2014 die Unabhängigkeitserklärung der “Volksrepublik Donezk” und war zeitweise Vorsitzender des “Obersten Rates”, des “Parlaments der Volksrepublik”, bis er nach internen Machtkämpfen abgesetzt wurde. Reportage von LB (Lewyj Bereg)

Was hat sich in der ukrainischen Armee seit 2014 verändert? Der Bildband “RAW: Eine Geschichte des Wandels der Ukrainer und der ukrainischen Streitkräfte” stellt die Transformation der ukrainischen Armee und Gesellschaft zwischen 2014 und 2016 dar. Er wurde nun in Kiew vorgestellt. Das Buch umfasst 137 Fotos, die von ukrainischen, russischen und belarussischen Fotografen aufgenommen wurden. Reportage von Hromadske International

Interviews

Kann man Außenpolitik “nationalisieren”? Die parteilose Abgeordnete Hanna Hopko, Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im ukrainischen Parlament, spricht in einem Interview über das Verhältnis zwischen der Ukraine und den USA. Interview von The Day

Analyse

Die Ukraine gegen Russland vor dem Internationalen Gerichtshof. Hromadske International hat die ukrainische Klage gegen Russland vor dem Internationalen Strafgerichtshof zusammengefasst. Analyse von Hromadske International

Ukrainisches Interesse. Die Ukraine hat ihre Position vor dem Internationalen Strafgerichtshof vorgetragen, der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin hat in Washington und Paris mit seinen Amtskollegen über gemeinsame Ziele gesprochen und die polnische Regierung ging bei der Wahl von Donald Tusk auf Konfrontationskurs zur EU. Analyse von UNIAN.

Verfahren gegen den Leiter der ukrainischen Steuerbehörde. Am 7. März wurde ein erstes Urteil gegen den ehemaligen Leiter der staatlichen Steuerbehörde, Roman Nasirow, erlassen. In einem Artikel von LB.ua wird der Fall und das Urteil analysiert. Analyse von LB.

2015 hat die Konrad-Adenauer-Stiftung durch ihre Auslandsbüros in Kiew und Moskau einen russisch-ukrainisch-deutschen Trialog initiiert, der Problemen des russisch-ukrainischen Konflikts gewidmet ist. Diese Publikation ist eine Art Vorwort für die trilaterale Expertendiskussion “Die Ostukraine: ein vergessener Krieg? Perspektiven der Vereinbarungen von Minsk und des Normandie-Formats”, die am 27. Februar in Berlin stattfand. Zum anderen ist es ein recht umfassendes Werk mit aktuellen Positionen, Einschätzungen und Prognosen ukrainischer, russischer und deutscher Experten zum russisch-ukrainischen Konflikt und zu Mechanismen seiner Regelung. Dieser Sammelband besteht aus kürzeren themenbezogenen Interviews zu zwei zentralen Themen: geopolitische Transformationen des letzten Halbjahres, seine Wirkung auf den russisch-ukrainischen Konflikt und Wege für dessen Lösung. Die Publikation enthält auch Ergebnisse soziologischer Studien des Rasumkow-Zentrums zu Problemen der ukrainisch-russischen Beziehungen (Auf Englisch).