Laut Daten des Zentrums für Informationen über Menschenrechte werden in der Ukraine Aktivisten und Menschenrechtler immer öfters angegriffen und verfolgt, wobei die dafür Verantwortlichen kaum zur Rechenschaft gezogen werden. Es dauert einige Stunden, bis ein Verfahren gegen die Aktivisten eingeleitet wird. In dieser Zeit entfaltet sich in den Medien allerdings schon eine großangelegte Diskreditierungskampagne.
„In den meisten Fällen, nachdem Aktivisten angegriffen oder verprügelt wurden, wird nicht ermittelt. Diese Straflosigkeit verstärkt sich zunehmend. Wenn es einen Angriff gab und keine physische Gewalt eingesetzt wurde, wird nicht ermittelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich so etwas dann wieder und wieder wiederholt, ist sehr hoch“, sagte Tetjana Petschontschyk, Vorstandsvorsitzende des Zentrums für Informationen über Menschenrechte während einer Diskussion im Ukraine Crisis Media Center.
Verlässlichkeit der Rechtsschutzorgane
„In den vergangenen drei Jahren hatten wir 400 Stunden Verhöre. Aber wenn wir aufgeben, wird die andere Seite gewinnen. Die Rechtschutzorgane ermitteln nicht gegen Angriffe, Bedrohungen oder Diskreditierunge von NGOs in der Ukraine. Die Rechtsschutzorgane haben kein Interesse, gegen Angriffe, Bedrohungen oder Diskreditierunge von NGOs in der Ukraine zu ermitteln“, erklärte Dmytro Scherembej, Vorsitzender des Koordinationsrats bei der Organisation „Gesamtukrainisches Netz für Menschen, die mit HIV/AIDS leben“.
Vor allem Antikorruptionsaktivisten werden verfolgt. Immer öfter gibt es gegen sie großangelegte Diskreditierungskampagnen in den Medien. Aber auch andere Aktivisten sind der Willkür der Rechtsschutzorganen ausgesetzt. Aktivisten können sich gegen die Wiederinbetriebnahme eines Unternehmens einsetzen, das die umliegenden Dörfer verschmutzt, und 15 Tage Arrest für das Filmen der Gerichtsverhandlung bekommen, die von Richtern ohne Roben geleitet wird.
„Der Richter versuchte, das Filmen zu verbieten und rief die Polizei […], die mich aufs Revier mitnahm. Es gab keine Protokolle. Und der Richter verurteilte mich ohne Anwalt zu 15 Tagen Arrest. Zu mir wurde niemand gelassen – weder ein Anwalt, noch Verwandte. Ich hatte fast einen Schlaganfall, aber es wurde verboten, mich auf die Krankenstation zu verlegen. Nach meiner Freilassung kämpfte ich vier Monate, dass dieser Fall auf die Liste der Gerichtsuntersuchungen kommt. Das war aber nur über Gericht möglich“, berichtete Maxim Kornijenko, Direktor des Koordinationszentrums „Menschenrechtler“.
Menschenrechtler in den vorübergehend besetzten Gebieten
Menschen, die in den vorübergehend besetzten Gebieten arbeiten, müssen eine sogenannte Akkreditierung von den dortigen „Behörden“ für ihre journalistische Tätigkeit oder ihre soziologische Untersuchungen beantragen. Leider kommen sie deshalb auf die Liste von „Mirotworez“ (dt. „Friedensstifter“, eine Organisation, die im vergangenen Jahr die Daten aller Journalisten veröffentlichte, die in den selbsternannten Volksrepubliken recherchierten, als ob sie mit den Separatisten „zusammen arbeiteten“ und ihre Artikel nach Absprache mit den dortigen Kämpfern schrieben). Deshalb werden sie des Separatismus verdächtigt.
„Wir sprechen von der Verfolgung jener, die man wegen Separatismus beschuldigte. Aber jeder kann unter diese Definition fallen. Hierfür gibt es keine klaren Regeln. Wenn jemand den Antimaidan beleuchtete, aber eigentlich kein aktiver Beteiligter sondern nur präsent war, wird er von der Gesellschaft tätlich angegriffen. Bei solchen Übergriffen überschreiten wir die Grenze der Menschenrechte“, meinte Nina Potarska, Beraterin der internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit.
Gegenmaßnahmen
Der Staat muss die Zivilgesellschaft schützen und Übergriffe gegen sie untersuchen. „Das ist nicht nur eine Frage der Gesetzgebung, sondern auch eine über die Entwicklung einer gesunden Gesellschaft. Es geht darum, dass Menschen, die die Staatsführung kritisieren, von der Regierung geschützt werden. Daran kann der Zivilisationsgrad gemessen werden“, betonte Harry Hummel, Direktor für Politik des holländischen Helsinkikomitees.