Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine
Die prorussischen Rebellen setzen ihren Beschuss mit hoher Intensität fort. Während der Woche kam es täglich zu 35 bis 66 Angriffen. Zusätzlich zu den schon üblichen Mörsern mit einem Kaliber von 82 mm und 120 mm setzte der Feind Artillerie mit einem Kaliber von 122 mm sowie Panzer ein, was von den Minsker Vereinbarungen verboten ist. Am 11. April beschossen die Rebellen Wohngebiete von Awdijiwka. Glücklicherweise gab es keine Opfer.
Gegen Nord Stream 2: Wie entwickelt sich die Lage?
“Für” und “gegen” Nord Stream 2: Ende März hat Deutschland den Bau der Ostseepipeline Nord Stream 2 genehmigt. Am 12. April wurde bekannt, dass auch Finnland dem russischen Energiekonzern Gazprom erlaubt hat, die umstrittene Gasleitung zu bauen, die die Ukraine umgeht. Gleichzeitig sind mehrere andere Länder – die USA, Polen, die Republik Moldau, Estland, Litauen, Lettland und Dänemark – gegen das Projekt Nord Stream 2, mit dem russisches Erdgas nach Europa gepumpt werden soll. Kürzlich sagte ein Sprecher der US-Regierung, dass gegen Unternehmen, die am Bau der Pipeline beteiligt sind, Sanktionen verhängt werden könnten. Dies ist eine der Möglichkeiten, das Projekt zu blockieren.
Neue Töne aus Deutschland und Dänemark. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gab nach den Gesprächen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko am 10. April erstmals öffentlich zu, dass bei dem Projekt Nord Stream 2 “auch politische Faktoren zu berücksichtigen sind”. “Es handelt sich nicht nur um ein wirtschaftliches Projekt”, sagte sie. Ferner betonte sie angesicht der strategischen Bedeutung des Gastransit für die Ukraine: “Richtig ist, dass es nicht sein kann, dass durch Nord Stream 2 die Ukraine keinerlei Bedeutung mehr mit Blick auf den Transit von Erdgas hat.” Merkel zufolge ist Nord Stream 2, “ohne dass wir Klarheit haben, wie es mit der ukrainischen Transitrolle weitergeht, aus unserer Sicht nicht möglich”. Der dänische Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen erklärte in diesem Zusammenhang später, auch er wolle den Bau der Pipeline Nord Stream 2 davon abhängig machen, dass die Ukraine ihre Rolle als Transitland für Erdgas aus Russland behält.
Was steht für die Ukraine auf dem Spiel? Die Einnahmen der Ukraine von der Durchleitung russischen Erdgases in EU beliefen sich im Jahr 2017 auf rund drei Milliarden US-Dollar. Im Jahr 2017 transportierte die Ukraine 93,5 Milliarden Kubikmeter Gas zu den europäischen Verbrauchern, ein Rekord in den letzten sieben Jahren. Der Transitvertrag zwischen dem ukrainischen Energiekonzern Naftogaz und Gazprom wurde 2009 unterzeichnet. Er läuft am 31. Dezember 2019 aus. Ende Februar hatte das Schiedsgericht der Stockholmer Handelskammer in einem Rechtsstreit zwischen Naftogaz und Gazprom ein Urteil gesprochen, wonach Gazprom an Naftogaz einen Ausgleich in Höhe von 2,56 Milliarden US-Dollar zahlen muss, weil Russland weniger Gas durch die Ukraine geleitet habe als vereinbart. Daraufhin initiierte Gazprom die Kündigung aller Verträge mit Naftogaz. Da dies aber ein langwieriges Verfahren ist, werden die Verträge wohl bis zum Ende ihrer Laufzeit gelten. Sollte der Transitvertrag nicht zu Bedingungen verlängert werden, die für die Ukraine von Vorteil sind, und sollte Russland Nord Stream 2 bauen, dann wird Kiew bis zu 3,5 Milliarden Dollar jährlich verlieren.
Warum ist die Ukraine gegen Nord Stream 2? Nach Ansicht ukrainischer Experten ist es wichtig, dass die Ukraine – politisch, wirtschaftlich und sicherheitsmäßig – Transitland für russisches Gas nach Europa bleibt. Es geht nicht nur um Geld. Der Gastransit ist vor allem ein starker und wohl der einzige Hebel für die Ukraine, Einfluss auf den Kreml auszuüben. Zudem ist der Transit von russischem Gas eine reale Garantie dafür, dass Russland keine großangelegte militärische Aggression gegen die Ukraine unternimmt.
Gazproms jüngste Erklärungen. Vor drei Jahren drohte Gazprom-Chef Alexej Miller, die Durchleitung russischen Gases durch die Ukraine werde beendet, wenn der Transitvertrag ausläuft. Später schwächte er seine Erklärungen etwas ab. Millers jüngste Äußerung am 11. April zeigt, dass der russische Gas-Monopolist immer noch auf die Transitleitungen der Ukraine setzt, auch wenn es sich künftig nur noch um bescheidene Mengen von zehn bis 15 Milliarden Kubikmeter pro Jahr handeln soll. Für die Ukraine ist der Transport solcher Mengen unrentabel. Der ukrainische Energieminister Ihor Nasalyk sagte, erst ein Transit ab 40 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr sei für Kiew rentabel.
Ist Energie nur Business oder auch Politik? Jedes Großprojekt im Bereich Energie hat nicht nur kommerziellen, sondern auch politischen Charakter. Aber die beiden Faktoren Politik und Business sind nie gleich gewichtet. Es überwiegt immer die Politik. Und wenn beide Faktoren zueinander in Widerspruch stehen, dann ist es unmöglich, beide gleichermaßen zu berücksichtigen. Dann wird jedes Geschäft von der Politik rücksichtslos erdrückt.
Was bedeutet dies für die europäischen Partner? Deutschland und jedes andere europäische Land – ob es das will oder nicht und ob es das öffentlich zugibt oder nicht – wird in Bezug auf Nord Stream 2 gezwungen sein, sich gegen den kommerziellen Faktor und für den politischen zu entscheiden. Das Projekt Nord Stream 2 hat nicht nur einen, sondern zwei politische Faktoren, und zwar zwei entgegengesetzte: Entweder wird die Ukraine in ihrer Konfrontation mit Russland unterstützt oder es wird Russland in seiner Konfrontation mit der Ukraine unterstützt.
Was sind die Alternativen zu Nord Stream 2? Die einzige wirkliche Garantie, dass auch in Zukunft russisches Erdgas durch die Ukraine nach Europa fließt, ist, dass es Nord Stream 2 nicht geben wird. Die Ukraine sollte gemeinsam mit ihren europäischen Partnern ein realistisches Angebot für den Gastransit nach dem Jahr 2019 vorlegen. Nicht zu vergessen ist, dass die Frage der Fortführung des Transits schon lange keine rein wirtschaftliche Frage ist. Es ist heute eine Frage der nationalen Sicherheit und der politischen Unabhängigkeit der Ukraine.
Neue US-Sanktionen gegen die Russische Föderation
Maßnahmen gegen Personen auf der “Kreml-Liste”. Die Vereinigten Staaten haben wegen der Einmischung in die US-Präsidentschaftswahlen Sanktionen gegen russische Geschäftsleute und Beamte verhängt, die auf der sogenannten “Kreml-Liste” stehen.
Wer steht auf der Sanktionsliste? Auf der Liste sind der Milliardär Oleg Deripaska und der Vorstandsvorsitzende der Renova-Gruppe, Victor Vekselberg, der laut Forbes der reichste Mann Russlands ist. Sanktionen verhängt wurden auch gegen die Unternehmen En+, Renova, Rusal, Russian Machines, Rosoboronexport und acht weitere russische Firmen sowie gegen bfinance, hinter der Deripaska steht. US-Unternehmen und Bürgern ist es untersagt, mit ihnen Geschäfte zu machen.
Folgen der neuen Sanktionen. Aufgrund der US-Sanktionen haben die laut Forbes-Liste reichsten russischen Geschäftsleute bisher 12 bis 16 Milliarden Dollar verloren. Die Aktienkurse der größten russischen Unternehmen und der Rubel-Kurs brachen ein. 26 der 27 russischen Milliardäre erlitten Verluste. Am meisten, rund 2,25 Milliarden Dollar, verlor der Besitzer von “Norilsk Nickel”, Wladimir Potanin. Der Präsident von Lukoil, Vagit Alekperow, verlor 1,37 Milliarden Dollar und der Besitzer der Renova-Gruppe, Victor Vekselberg, 1,28 Milliarden Dollar. Die Verluste von Oleg Deripaska werden auf 905 Millionen Dollar geschätzt.
USA planen weitere Maßnahmen wegen des Falls Skripal. Am 13. April wurde im US-Kongress eine Gesetzesvorlage vorgestellt, die restriktive Maßnahmen gegen Russland aufgrund des Vorfalls in Salisbury vorsieht. Laut dem Gesetzentwurf darf der US-Präsident Sanktionen gegen Personen verhängen, die an dem Giftanschlag auf den ehemaligen Oberst des sowjetischen, später russischen Militär-Nachrichtendienstes GRU, Sergej Skripal, und seine Tochter Julia beteiligt waren.
Sanktionen von Großbritannien. Auch das Vereinigte Königreich plant wegen des Giftanschlags in Salisbury, aber auch im Zusammenhang mit dem Einsatz von Chemiewaffen in Syrien, Sanktionen gegen russische Oligarchen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Sanktionen der Ukraine. Dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko zufolge wird in den kommenden Tagen der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat des Landes über Maßnahmen gegen Russland beraten. “Die Sanktionen werden mit der Entscheidung der US-Regierung maximal abgestimmt, und sicherlich wird es auch Sanktionen gegen Deripaska geben”, sagte Poroschenko. Er betonte, dass auch weitere Oligarchen auf die ukrainische Sanktionsliste kämen. Die Maßnahmen der Ukraine sollen die Oligarchen treffen, die auf der von Russland besetzten Krim aktiv sind und Waffen an die russische Armee liefern.
Antwort der Russischen Föderation. Moskau will als Reaktion auf die US-Sanktionen schnell ein Gesetz mit Maßnahmen verabschieden. Das machte der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow gegenüber der russischen Nachrichtenagentur “RIA Nowosti” deutlich. Am 13. April brachten die Fraktionsführer und der Vorsitzende der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, einen entsprechenden Gesetzentwurf in das Unterhaus des Parlaments ein. Das Gesetz sieht insbesondere ein Einfuhrverbot für amerikanische Agrar-, Alkohol- und Tabakprodukte vor. Das russische Außenministerium teilte mit, es werde hart auf neue US-Sanktionen reagieren. Russland werde sich von den Maßnahmen nicht unter Druck setzen und nicht vom eingeschlagenen Kurs abbringen lassen. Der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew hat die Regierung angewiesen, als Reaktion auf neue Sanktionen Maßnahmen gegen die USA zu ergreifen. Ihm zufolge könnten sie bestehende Handelsabkommen treffen.