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Gesetz über Anti-Korruptions-Gericht, Austausch politischer Gefangener, ein Jahr Visafreiheit und weitere Themen: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten #60, 4. – 11. Juni 2018

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

In der Ostukraine hat sich die Intensität der Kampfhandlungen in der letzten Woche leicht erhöht, vor allem im Frontabschnitt Donezk. Die prorussischen Rebellen setzen weiterhin Waffen ein, die gemäß den Minsker Vereinbarungen verbotenen sind, darunter 82-mm- und 120-mm-Mörser, 122-mm-Artillerie sowie Panzer.

Am 4. Juni haben die Besatzer erneut die Wasserfilterstation von Donezk beschossen. Während des Angriffs mussten die Beschäftigten der Station in einem Bunker Schutz suchen.


Die Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts: Ein Schritt nach vorn

Am 7. Juni hat das ukrainische Parlament den Gesetzentwurf des Präsidenten (Nr. 7440) über ein Oberstes Anti-Korruptions-Gericht in zweiter Lesung im Ganzen verabschiedet. Dafür stimmten 315 Abgeordnete. Einige Bestimmungen des Gesetzes wurden in der zweiten Lesung nach Beratungen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) noch geändert. Am meisten gestritten wurde über die Bestimmung, die für den “Gesellschaftlichen Rat internationaler Experten” bei der Auswahl von Richtern eine entscheidende Rolle vorsieht. Das neue Gesetz und die aktuellen Änderungen werden von vielen Experten positiv bewertet. Ihrer Meinung nach könnte mit dem Gesetz eine neue Etappe bei der Korruptionsbekämpfung in der Ukraine eingeleitet werden.

Warum ist ein Anti-Korruptions-Gericht nötig? Mit der Einrichtung des Gerichts soll die gesamte Anti-Korruptions-Reform abgeschlossen werden, mit der 2015 in der Ukraine begonnen wurde. Die Führung des Nationalen Anti-Korruptions-Büros der Ukraine (NABU) und der Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft betonte, da bisher ein unabhängiges Anti-Korruptions-Gericht gefehlt habe, hätten die Ermittler und Staatsanwälte in aufsehenerregenden Fälle keine Verurteilungen erreichen können.

Das NABU besteht seit zwei Jahren. In dieser Zeit konnten die Detektive der Behörde Untersuchungen in 127 Fällen abschließen und sie an Gerichte weiterleiten. Doch ein Drittel der Fälle wurde von den Gerichten noch nicht einmal geprüft. Nur in 29 Fällen gab es Urteile, in denen aber meist nur die Schuld zweitrangiger Verantwortlicher in korrupten Machenschaften festgestellt wurde. Verurteilt wurden nur drei Personen. Zum Beispiel findet in dem aufsehenerregenden Fall um den ehemaligen Leiter des Staatlichen Fiskal-Dienstes, Roman Nasirow, nur einmal im Monat eine Sitzung statt. In sechs Monaten ist es der Staatsanwaltschaft nicht einmal gelungen, die Anklageschrift zu verlesen. Wenn sich das nicht ändert, wird man für den Fall Nasirow noch Jahre brauchen.

Reaktion des NABU. Der Leiter des Nationalen Anti-Korruptions-Büros, Artem Sytnyk, erklärte, die Verabschiedung des Gesetzes über ein Anti-Korruptions-Gericht sei der erste Schritt auf dem Weg zur Schaffung einer unabhängigen Anti-Korruptions-Institution in der Ukraine. Aufgabe des Gericht werde nun sein, Antworten in den Fällen zu liefern, die vom NABU untersucht würden. “Mit der Verabschiedung des Gesetzes über ein Oberstes Anti-Korruptions-Gericht wird endlich nach zwei Jahren die Diskussion darüber beendet, ob die Ukraine eine solche Institution überhaupt braucht”, betonte Sytnyk nach Angaben des Pressedienstes des NABU.

Bewertung durch den IWF. Der IWF benötige noch Zeit, um das Gesetz über das Anti-Korruptions-Gericht zu bewerten. Das erklärte der Sprecher des IWF, Gerry Rice. Ihm zufolge ist es dem IWF wichtig, dass ein unabhängiges Anti-Korruptions-Gericht eingerichtet wird, das Vertrauen verdient und den Erwartungen des ukrainischen Volkes gerecht wird.

Nur mit der Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts wird die Ukraine drei Milliarden Dollar vom IWF erhalten. In erster Linie geht es um eine Tranche in Höhe von 1,9 Milliarden Dollar. Die Einrichtung eines Anti-Korruptions-Gerichts ist eine wesentliche Bedingung des IWF für die Gewährung des Kredits. Derzeit sind noch zwei wichtige Forderungen des IWF nicht erfüllt: die Erhöhung der Gaspreise abhängig vom Preis des Imports sowie ein ausgeglichener Staatshaushalt. Der IWF hält den Staatshaushalt für das laufende Jahr für unausgewogen und beharrt auf einer Revision bei den Ausgabenkürzungen.

Reaktion der EU. Der Vizepräsident der Europäischen Kommission, Valdis Dombrovskis, betonte auf Twitter, die Verabschiedung des Gesetzes über ein Anti-Korruptions-Gericht sei ein Beweis dafür, dass die Ukraine die Korruption bekämpfen wolle. Doch entscheidend wird ihm zufolge die Umsetzung des Gesetzes sein. Sollte die Ukraine kein Anti-Korruptions-Gericht einrichten, kann das Europäische Parlament seinen Beschluss widerrufen, der Ukraine eine makrofinanzielle Hilfe in Höhe von einer Milliarde Euro zu gewähren.

Reaktion der Venedig-Kommission. Der Präsident der Venedig-Kommission, Gianni Buquicchio, sagte, die Verabschiedung des Gesetzes über ein Anti-Korruptions-Gericht zeige, dass die Ukraine den Weg der Reformen und der europäischen Integration fortsetzen wolle.


Oleh Senzow und der Austausch politischer Gefangener

Mögliche Listen für einen Austausch. Die erste stellvertretende Vorsitzende des ukrainischen Parlaments, Iryna Heraschtschenko, hat erklärt, sie habe den Vertretern Russlands in den Untergruppen der Trilaterale Kontaktgruppe einen Brief mit den Namen von 23 Russen übergegeben, mit der Bitte, Kiew mitzuteilen, ob die 23 Personen gegen Ukrainer ausgetauscht werden können, die als politische Häftlinge in Russland festgehalten werden. Das britische Außenministerium erklärte, Russland sollte die politischen Gefangenen Oleh Senzow, Oleksandr Koltschenko, Oleksandr Schumkow und Wolodymyr Baluch freilassen. Der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, unterstützte den Aufruf der European Film Academy, das Leben des ukrainischen Regisseur Senzow zu retten, der sich in einem Hungerstreik befindet.

Wird Senzow gegen Wyschynskij ausgetauscht? Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hat am 9. Juni mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über einen Austausch von Häftlingen gesprochen. Das Telefonat fand auf Poroschenkos Initiative statt. Thema war auch der Chef der Vertretung der russischen Nachrichtenagentur RIA-Nowosti in der Ukraine, Kirill Wyschynskij. Er war im Mai wegen des Verdachts auf Hochverrat verhaftet worden. Laut den ukrainischen Ermittlern platzierte Wyschynskyj auf dem Internetportal der Agentur in der Ukraine propagandistisches Material. Möglicherweise kommt es zu einem Austausch der Gefangenen.


Ein Jahr Visafreiheit: So viele Ukrainer reisen ohne Visum in die EU

555.000 reisen ohne ein Visum ein. Vor einem Jahr entfiel die Visumpflicht für ukrainische Staatsbürger für Reisen in den Schengen-Raum. Seitdem sind fast 20,3 Millionen Ukrainer in EU-Staaten gereist, die meisten davon noch mit einem Visum. Fast 4,8 Millionen sind mit einem Visum in einem neuen biometrischen Pass eingereist. Insgesamt rund 555.000 Bürger der Ukraine nahmen alle Vorteile einer visafreien Einreise in Anspruch, also ohne Visum und nur mit einem biometrischen Reisepass, der für eine visafreie Einreise nötig ist. Das teilte der ukrainische Grenzschutz mit. Ein gewisser Ansturm auf die visafreie Einreise in EU-Staaten war in den ersten Monaten nach der Einführung der Visafreiheit zu beobachten. Im Schnitt waren es rund 90.000 Reisen pro Monat. Im November ging die Zahl auf rund 32.500 Personen pro Monat zurück.

44.000 Ukrainer durften nicht in die EU einreisen. Die EU-Grenzagentur Frontex hat seine ukrainischen Kollegen darüber informiert, dass im Jahr 2017 44.000 Bürgern der Ukraine die Einreise verweigert worden sei. Das erklärte auf einer Pressekonferenz in Kiew der Erste stellvertretende Leiter des ukrainischen Grenzschutzes, Wasyl Serwatjuk. Ihm zufolge geben die europäischen Grenzschutz-Beamten mehrere Gründe für eine Ablehnung an. Vor allem seien es Ungereimtheiten bei der Angabe des Zwecks der Reise gewesen. Ferner hätten die Reisenden nicht genügend Geld bei sich gehabt und so mancher habe sich zu lange in der EU aufgehalten.


Umfrage: Rating möglicher Präsidentschaftskandidaten

Die Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” und das Kiewer Razumkov-Forschungszentrum haben die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage über mögliche Präsidentschaftskandidaten veröffentlicht. Die nächsten Präsidentschaftswahlen finden in der Ukraine im Mai 2019 statt. Laut Umfrage haben sich die meisten Befragten noch nicht entschieden, wen sie wählen würden. Sogar die Werte der populärsten Politiker schwanken zwischen 7 und 10 Prozent. Auf Platz eins liegt die Chefin der Partei “Vaterland”, Julia Tymoschenko, mit 10 Prozent, gefolgt vom Vorsitzenden der Partei “Bürgerliche Position”, Anatolij Hryzenko, mit 9 Prozent. Auf Platz drei liegen mit jeweils 7 Prozent der jetzige Präsident Petro Poroschenko und der Vorsitzende des “Oppositionsblocks” (ehemals “Partei der Regionen”), Jurij Bojko, gleichauf. Der Chef der “Radikalen Partei”, Oleh Ljaschko, kommt auf 6 Prozent. Die Umfrage ergab auch, dass 62 Prozent der Ukrainer der Ansicht sind, dass die Ukraine neue politische Führer braucht. Außerdem finden 60 Prozent der Befragten, dass gesellschaftliche Aktivisten in die Politik gehen sollten.