An diesem Sonntag, dem 31. März 2019, findet die erste Runde der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine statt. Wer von den drei führenden Kandidaten wird es nicht in die Stichwahl am 21. April schaffen? Der Fernsehkomiker Wolodymyr Selenskyj, der jetzige Präsident Petro Poroschenko oder die Chefin der Partei “Vaterland”, Julia Tymoschenko? Das Ukraine Crisis Media Center hat dazu einen Artikel von Andrij Sucharyna, Experte der Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen”, zusammengefasst:
Noch im Dezember vergangenen Jahres galt Julia Tymoschenko als unbestrittene Favoritin der Präsidentschaftswahl. Ihr Einzug in die Stichwahl war fast 100 Prozent sicher. Laut einer großen Umfrage der Gruppe “Rating”, die vom 16. November bis 10. Dezember 2018 mit 40.000 Befragten durchgeführt wurde, lag sie mit einem Abstand von sieben Prozent vor allen anderen Kandidaten.
Selenskyj – in, Tymoschenko – out?
Doch als der Komiker Wolodymyr Selenskyj offiziell bekannt gab, für das höchste Amt im Staate zu kandidieren, änderte sich die Situation dramatisch. Schon im Januar 2019 lag er in den Umfragen vorn. Er zog einen großen Teil der jungen Wähler und der Protestwähler auf seine Seite.
Somit haben sich kurz vor der Wahl die Chancen der Chefin der Partei “Vaterland”, Julia Tymoschenko, in die Stichwahl zu kommen, sichtlich verringert, was Umfragen bestätigen. Dennoch kann nicht mit Sicherheit gesagt werden, dass ihr Hauptgegner, der jetzige Präsident Petro Poroschenko, auf jeden Fall in die Stichwahl kommt. Doch es lohnt sich, genauer hinzusehen, wie sich Tymoschenkos Chancen auf einen Einzug die Stichwahl verändert haben.
Einer zwischen dem 5. und 14. März 2019 vom “Kiewer Internationalen Institut für Soziologie” (KIIS), dem Rasumkow-Forschungszentrum und der Gruppe “Rating” durchgeführten Umfrage zufolge lagen Tymoschenko und Poroschenko zu dem Zeitpunkt etwa gleichauf. 16,6 Prozent der Befragten gaben an, für Tymoschenko stimmen zu wollen, 16,4 Prozent für Poroschenko. Daher konnte man noch am 14. März sagen, dass beide ungefähr die gleichen Chancen hatten, in die Stichwahl zu kommen.
Doch dann änderte sich die Lage. Eine Umfrage des KIIS vom 14. bis 22. März stellte plötzlich einen Vorsprung von Poroschenko gegenüber Tymoschenko von knapp fünf Prozent (siehe Tabelle) fest. Eine ähnliche Tendenz zeigte auch eine Umfrage des Rasumkow-Forschungszentrums vom 21. bis 26. März 2019. Auch wenn sie andere Zahlen zu Selenskyj ergab, bestätigte die Umfrage den zunehmenden Abstand zwischen Poroschenko und Tymoschenko (siehe Tabelle). Auch eine gemeinsame Umfrage der Stiftung “Demokratische Initiativen” und des KIIS, die vom 18. bis 27. März durchgeführt wurde, bestätigte dies und verzeichnete einen Abstand von mehr als fünf Prozent zwischen den beiden Kandidaten.
Tabelle: Wähler, die sich entschieden haben und zur Wahl gehen wollen
Rasumkow-Zentrum, KIIS, Rating (5.-14. März) | KIIS (14.-22. März) | Rasumkow-Zentrum (21.-26. März) | KIIS, Demokratische Initiativen (18.-27. März) | |
Selenskyj | 27,7 | 32,1 | 24,8 | 27,6 |
Poroschenko | 16,6 | 17,1 | 22,1 | 18,2 |
Tymoschenko | 16,4 | 12,5 | 14,8 | 12,8 |
Trotz einiger Unterschiede bezüglich der Zahlen zu Selenskyj liefern die führenden ukrainischen Meinungsforschungsinstitute zu Tymoschenko ungefähr die gleichen Zahlen. Sie alle zeigen, dass sich Tymoschenkos Chancen auf einen Einzug in die Stichwahl deutlich verringert haben.
Eher Poroschenko?
Gleichzeitig sollten aber auch noch andere Umfragen erwähnt werden, die für Tymoschenko bessere Chancen sehen, in die Stichwahl zu kommen. Laut einer Umfrage der Gruppe “Rating”, die vom 22. bis 27. März 2019 durchgeführt wurden, liegt Selenskyj mit 26,6 Prozent unter den Wählern, die sich schon entschieden haben und zur Wahl gehen wollen, weiterhin in Führung. Den zweiten Platz teilen sich mit jeweils 17 Prozent Poroschenko und Tymoschenko.
Zu erwähnen ist auch eine gemeinsame Umfrage des ukrainischen Oleksandr-Jaremenko-Instituts für Sozialforschung und des Zentrums “Social Monitoring”. Demnach wollen 29,1 Prozent für Selenskyj, 16 Prozent für Tymoschenko und 15,3 Prozent für Poroschenko stimmen. Diese Zahlen befinden sich noch im Rahmen der möglichen Fehlerquote anderer Umfragen, darunter der des KIIS.
Auch wenn die Ergebnisse der Umfragen ein wenig unterschiedlich ausfallen, werden sie Tymoschenkos Wahlstab wohl kaum freuen. Denn wenn man die Zahlen von fünf unabhängigen Erhebungen vergleicht, dann kommt in drei von ihnen eher Poroschenko in die Stichwahl. In zwei Umfragen haben Tymoschenko und Poroschenko die gleichen Chancen auf einen Einzug.
Wahlbeteiligung und “unentschiedene” Wähler
Zusammenfassend kann man sagen, dass kurz vor der ersten Wahlrunde unklar ist, wer es in die Stichwahl schaffen wird. Größere Chancen hat nach wie vor Selenskyj, aber sein Ergebnis hängt stark von der Wahlbeteiligung ab, vor allem der junger Menschen.
Auch wenn es im Moment danach aussieht, dass eher Poroschenko und nicht Tymoschenko in die Stichwahl kommt, kann man nicht mit voller Sicherheit sagen, dass dies auch so kommen wird. Auch hier hängt das Ergebnis stark von der Wahlbeteiligung und der Mobilisierung der Wähler ab.
Vor allem muss dabei der große Anteil der Wähler berücksichtigt werden, die an den Wahlen teilnehmen wollen, sich aber noch nicht für einen bestimmten Kandidaten entschieden haben. Laut einer Umfrage der Stiftung “Demokratische Initiativen” und des KIIS, die eine Woche vor dem Wahltag beendet wurde, sind fast 30 Prozent der Wähler noch unentschieden. Ob sie sich zu gleichen Anteilen wie die übrigen Wähler entscheiden und ob sie überhaupt zur Wahl gehen werden, ist offen. Angesichts der raschen Veränderung der öffentlichen Meinung kann es auch wenige Stunden vor der Wahl noch zu Ereignissen kommen, die das Wahlergebnis radikal verändern werden.