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Selenskyj, Erdogan, Patriarch Bartholomäus: Erster offizieller Besuch des neuen ukrainischen Präsidenten in der Türkei

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich am 7. August in Ankara mit seinem türkischen Amtskollegen Recep Tayyip Erdogan getroffen. Einen Tag später besuchte er in Istanbul den Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I. Was waren die wichtigsten Ergebnisse? Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Treffen mit Erdogan: Donbass, Wirtschaft, Krim.Das Treffen zwischen den Präsidenten der Ukraine und der Türkei unter vier Augen dauerte eine Stunde länger als geplant. Sie sprachen über den Donbass, die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die Annexion der Krim durch Russland und das Problem der Verfolgung der Krimtataren sowie über eine Zusammenarbeit beim Bau von Straßen und Flughäfen.

Während der gemeinsamen Pressekonferenz drückte Recep Tayyip Erdogan im Zusammenhang mit den jüngsten Verlusten des ukrainischen Militärs im Donbass sein Beileid aus. Er nannte Wolodymyr Selenskyj einen Freund.

Das ukrainische Staatsoberhaupt erklärte, er hoffe auf eine Steigerung des bilateralen Handels und lud die türkische Wirtschaft ein, in der Ukraine aktiv zu werden. Auf Fragen von Journalisten bezüglich der Krim sagte Selenskyj, die Sanktionen gegen Russland dürften nicht aufgehoben werden und diese Frage müsse weltweit zur Sprache gebracht werden. Selenskyj rief ferner dazu auf, an die in Russland inhaftierten ukrainischen Seeleute, Militärs und politischen Gefangenen zu denken. Er sagte, er trage zwei Armbänder mit den Namen der ukrainischen Seeleute, die ihm die Eltern der Männer gegeben hätten. Die Armbänder würden ihn ständig an die Gefangenen erinnern.

Treffen mit dem Patriarchen.Im Laufe seines ersten offiziellen Besuchs in der Türkei traf sich Präsident Wolodymyr Selenskyj auch mit dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomäus I. Dieser hatte Anfang des Jahres der neuen vereinigten Orthodoxen Kirche der Ukraine den Tomos, eine Urkunde über Autokephalie überreicht. Damit schuf die Mutterkirche, das Patriarchat von Konstantinopel, in der Ukraine eine unabhängige orthodoxe Landeskirche.

Laut “BBC News Ukraine” ging das Treffen mit dem Patriarchen auf die Initiative des ukrainischen Präsidenten zurück. Selenskyj sprach mit dem Patriarchen sowohl in engem Kreis als auch in einem erweiterten Format in Anwesenheit der Delegationen, jedoch ohne Journalisten. Anschließend fand ein feierliches Mittagessen statt, das über eine Stunde dauerte.

Vor dem Treffen war es offenbar zwischen Vertretern des Patriarchats von Konstantinopel und dem ukrainischen Präsidialamt zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Ursprünglich sollten der Patriarch und der Präsident eine gemeinsame Erklärung unterzeichnen. Das bestätigten gegenüber “BBC News Ukraine” Quellen sowohl in Kiew als auch in Istanbul. Demnach sei es im letzten Moment zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Seiten gekommen, worauf das Team des ukrainischen Präsidenten es abgelehnt habe, die gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen. Das Dokument war im Vorfeld des Besuchs vom Patriarchat gemeinsam mit dem ukrainischen Außenministerium erarbeitet worden.

Nach Angaben eines der Gesprächsteilnehmer bezog sich die Erklärung vor allem auf Umweltfragen. Patriarch Bartholomäus I. ist für sein Engagement auf diesem Gebiet bekannt. Daher wird er häufig auch als “grüner Patriarch” bezeichnet.

Das ukrainische Präsidialamt ist auf die Frage von “BBC News Ukraine”, warum keine gemeinsame Erklärung unterzeichnet worden sei, nicht eingegangen. In einer später veröffentlichten kurzen Erklärung des Präsidialamtes heißt es lediglich, Patriarch Bartholomäus I. unterstütze die Souveränität der Ukraine und Selenskyj habe ihm für diese Unterstützung gedankt.

Selenskyj und der Tomos.Einige Beobachter hatten befürchtet, Selenskyj könnte ein kühles Verhältnis zum Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und zur neuen autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine haben, da sich sein Amtsvorgänger, der frühere ukrainische Staatschef Petro Poroschenko, für die Schaffung einer unabhängigen orthodoxen Landeskirche stark eingesetzt hatte und bei Patriarch Bartholomäus I. häufig zu Gast war. Poroschenkos Name wird sogar im Tomos erwähnt.

Bei einem TV-Auftritt Anfang Januar 2019, kurz vor der Überreichung des Tomos, hatte der damalige Satiriker Selenskyj noch Scherze darüber gemacht und Poroschenko durch den Kakao gezogen. Poroschenko hatte damals auch den Schwerpunkt seines Präsidentschaftswahlkampfs auf die Erlangung der Autokephalie gelegt. Allerdings muss gesagt werden, dass sich auch Selenskyj im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen positiv über die Autokephalie und den Tomos geäußert hatte. Während seines Rededuells mit Poroschenko im März 2019 befürwortete Selenskyj durchaus die Autokephalie der Kirche in der Ukraine. Doch er würdigte dabei nicht Poroschenko, sondern den Ehren-Patriarchen Filaret, das ehemalige Oberhaupt der im Zuge der Kirchenvereinigung aufgelösten Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Kiewer Patriarchats.

Nach Selenskyjs Sieg bei den Präsidentschaftswahlen lehnte das Oberhaupt der neuen vereinten autokephalen Orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epifanij, es ab, in einer Videobotschaft des neugewählten Präsidenten aufzutreten. Mit ihr sollten sich die Vertreter aller Religionsgemeinschaften in der Ukraine an die Menschen im Donbass wenden. Metropolit Epifanij missfiel der ihm angebotene Text. Darin hieß es, man “darf nicht mit der Sprache der Waffen sprechen”. Metropolit Epifanij befürchtete, diese Äußerung könnte als Aufruf zu direkten Gesprächen mit den Anführern der selbsternannten “Volksrepubliken” im Donbass gewertet werden. Schließlich übernahm der Vorsteher der Ukrainischen Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, Metropolit Onufrij, diese Textpassage in der Videobotschaft.