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Selenskyjs Besuch in Italien, Zwei Ex-“Berkuts” wieder in Kiew sowie weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Der Feind beschießt weiterhin ukrainische Stellungen mit 120-mm- und 82-mm-Mörsern, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind, aber auch mit Granatwerfern verschiedener Systeme, großen Maschinengewehren und andere Kleinwaffen. Im Verantwortungsbereich der taktischen Gruppe “Ost” feuerte der Feind mit einem lafettierten automatischen Granatwerfer, mit großen Maschinengewehren und anderen Kleinwaffen auf ukrainische Stellungen in der Nähe der Siedlung Lebedynske.

Ukrainischer Verteidigungsminister über Truppenentflechtung.Andrij Sahorodnjuk sagte in einem Interview für “Radio Liberty”, die Ukraine sei gegen eine Truppenentflechtung entlang der gesamten Kontaktlinie im Donbass, da dies gegen die Minsker Vereinbarungen sei.

“Erstens widerspricht es den Vereinbarungen von Minsk. Sie besagen, dass die ausländischen Militärformationen die Ukraine verlassen und die illegalen Militärformationen entwaffnet und aufgelöst werden müssen. Aber wenn alte Vereinbarungen durch neue ersetzt werden, haben die neuen natürlich größere Priorität und die neuen könnten eine Truppenentflechtung beinhalten. Wir würden also tatsächlich so alle Anstrengungen zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen was diesen Teil angeht erschweren”, sagte er. Nach Angaben des Ministers wurde die Truppenentflechtung sowohl im Verteidigungsministerium als auch im Generalstab, auf den Sitzungen des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates sowie in anderen Sicherheitsbehörden geprüft. Sahorodnjuk betonte, wenn “jene Seite” den Konflikt eskalieren wolle, dann würden “zwei Kilometer keinen großen Unterschied machen”.

Vertreter in den besetzten Gebieten der Region Donezk hatten erklärt, dass sie zu einer Entflechtung der Truppen entlang der Demarkationslinie bereit seien, wenn die Parteien “einen Konsens über die Ergänzung des Rahmenbeschlusses erreichen, auf voller Gegenseitigkeit und bei Einhaltung des umfassenden Waffenstillstands durch die ukrainische Seite”.


Selenskyjs Besuch in Italien: Was waren die Themen?

Am 8. und 9. Februar war der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zu Besuch in Italien. Im Vatikan traf er sich mit dem Papst und sprach mit ihm über Frieden in der Ukraine. Selenskyj betonte, die Ukraine wolle Frieden und appelliere an den Heiligen Stuhl und persönlich an Papst Franziskus, eine friedliche Beilegung und Beendigung des Donbass-Krieges zu unterstützen sowie sich für die Freilassung ukrainischer Bürger einzusetzen.

In Rom erörterte Selensky, bei einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte allgemeine politische Fragen, aber auch den Fall Witalij Markiw. Der Soldat der ukrainischen Nationalgarde ist in Italien zu 24 Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Die italienische Justiz warf ihm vor, im Mai 2014 im Donbass für den Tod des italienischen Fotoreporters Andrea Rocchelli verantwortlich gewesen zu sein. Thema bei den Gesprächen in Rom war auch eine Schließung der Büros der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” in Italien.

Bei dem Treffen mit Conte bekräftigte Selenskyj das Interesse der Ukraine an einer Vertiefung der bilateralen Beziehungen. “Italien gehört zu den drei größten Wirtschaftspartnern der Ukraine innerhalb der EU und zu den größten Handelspartnern weltweit. Der Handel belief sich im vergangenen Jahr auf über vier Milliarden US-Dollar. Ich bin überzeugt, dass wir dieses Ergebnis verbessern und unsere Freundschaft stärken können”, sagte Selenskyj. Er lud italienische Investoren ein, sich in der Ukraine an der großen Privatisierung, an Infrastrukturprojekten und am Energiesektor zu beteiligen.


Zwei Ex-Berkuts nach Gefangenenaustausch wieder in Kiew: Was bedeutet das?

 

Letzte Woche sind Oleksandr Maryntschenko und Serhij Tamtura nach Kiew zurückgekehrt. Sie waren erst im Dezember 2019 im Rahmen eines Gefangenenaustauschs der sogenannten “Volksrepublik Luhansk” übergeben worden. Ihnen wird nach wie vor seitens der Ukraine vorgeworfen, an der Erschießung von 48 und Verletzung von 80 Menschen während der Proteste auf dem Kiewer Maidan im Februar 2014 beteiligt gewesen zu sein. Die Journalistin des ukrainischen Senders “Hromadske”, NastjaStanko, ist der Sache nachgegangen:

Chronologie der Ermittlungen.Beide Männer, die einst in der inzwischen aufgelösten ukrainischen Spezialeinheit “Berkut” dienten, wurdenim Sommer 2015 festgenommen und waren bis 2019 in Untersuchungshaft. Im Dezember 2019 wurde die Haft für Maryntschenko in Hausarrest umgewandelt. Tamtura stand schon seit Juli 2019 unter Hausarrest.

Wie und warum sind sie zurückgekommen?Die Anwälte der beiden Männer fotografierten sich nun mit ihren Mandanten in der von der ukrainischen Regierung kontrollierten Stadt Schtschastja in der Region Luhansk, unweit der Frontlinie. Zusammen mit dem Foto veröffentlichte Maryntschenkos Anwalt, Oleksandr Horoschynskyj, eine Erklärung im Namen der Mandanten. Darin wenden sie sich an den Präsidenten, den Parlamentspräsidenten und den Generalstaatsanwalt. Sie erklären, dass sie im Dezember 2019 gezwungen waren, an dem Austausch teilzunehmen, damit dieser nicht scheitert.

Warum wollten sie keinen Austausch?Für Maryntschenko war es überhaupt gefährlich, in die besetzten Gebiete zu fahren, denn er hatte 2014 im Donbass auf der Seite der Ukraine gekämpft. Und Tamturas Frau sagte auf die Frage des Senders “Hromadske”, warum ihr Mann sich zum damaligen Austausch bereit erklärt habe: “Fragen Sie Selenskyj.” Sie machte aber auch klar, dass ihr Mann nicht an dem Austausch teilnehmen wollte.

Beweise für die Beteiligung an den Erschießungen auf dem Maidan.Die Verteidiger der beiden Männer haben stets darauf bestanden, dass ihre Mandanten zu unrecht inhaftiert waren. Die Angeklagten haben in den vier Jahren des Prozesses kein vollständiges Zeugnis abgelegt. Maryntschenko bestätigte aber vor Gericht, dass er ein Maschinengewehr gehabt hatte. Das Gewehr, mit einer Nummer versehen, wurde aber wie viele andere vernichtet. Untersuchungen ergaben jedoch, dass zwei Kugeln, die von Zeugen auf dem Boden der Institutska-Straße nahe dem Maidan gefunden wurden, aus Maryntschenkos Maschinengewehr abgefeuert wurden. Gleichzeitig gibt es aber keine Beweise dafür, dass durch diese Kugeln jemanden getötet oder verletzt wurde.

Was Tamtura angeht, so sagte er selbst vor Gericht, dass er am Tag der Erschießungen auf der Institutska-Straße war. Doch es gibt keine Beweise dafür, dass mit seinem Maschinengewehr jemand getötet oder verletzt wurde. Viele der gefundenen Kugeln können aufgrund von Beschädigungen nicht mehr identifiziert werden.

Was wird nun aus dem Gerichtsprozess? Es gibt weiterhin Anhörungen in dem Fall. Vielleicht wird es nach vier Jahren ein Urteil geben. Mit den heute verfügbaren Beweisen ist es aber unwahrscheinlich, dass Maryntschenko und Tamtura eine längere Haftstrafe erhalten werden, als die, die sie bereits in Untersuchungshaft abgesessen haben – Maryntschenko fast fünf und Tamtura viereinhalb Jahre, unter Berücksichtigung des sogenanntn “Sawtschenko-Gesetzes”, wo ein Jahr doppelt zählt. Drei “Berkut”-Kollegen der beiden Männer, die ebenfalls Ende Dezember ausgetauscht wurden, Janischewskyj, Abroskin und Sintschenko, sind nicht nach Kiew zurückgekehrt. Drei weitere “Berkut”-Mitglieder, mit denen sie in Untersuchungshaft saßen, sind ebenfalls in den von Kiew nicht kontrollierten Gebieten des Donbass geblieben.


Der Fall Markiw: Doku soll Tod von Andrea Rocchelli klären

Eine italienisch-ukrainische Gruppe von Journalisten dreht eine Doku über den Tod des italienischen Fotoreporters Andrea Rocchelli und des russischen Menschenrechtsaktivisten Andrej Mironow im Jahr 2014 in Donbass. Im Juli 2019 hatte ein italienisches Gericht in diesem Fall den Sergeanten der ukrainischen Nationalgarde Witalij Markiw wegen Mordes zu 24 Jahren Gefängnis verurteilt.

“Es schien, als wäre der Fall abgeschlossen. Das ist er aber nicht. Viele Fragen sind offen. Der Fall ist politisch geworden, und es scheint, dass der inhaftierte Soldat, der die Staatsbürgerschaft der Ukraine und Italiens besitzt, kein Mörder, sondern nur ein Sündenbock ist”, so die Autoren des Films, die Journalisten Cristiano Tinazzi, Olha Tokarjuk, Ruben Lagattolla und Danilo Elia.

Der Titel des Films lautet “The Wrong Place”. Das Team filmt Zeugenaussagen von Journalisten, Militärs und Zivilisten über die Ereignisse dieser Zeit. Die Journalisten drehten auch im Donbass, um die Umstände des Todes von Rocchelli und Mironow so genau wie möglich zu rekonstruieren.

Das Projekt ist eine Initiative der Journalisten und das Team hat eine Spendenaktion gestartet, um es zu finanzieren. Der Trailer und weitere Videos sind auf Facebook zu sehen.