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Wirtschaft und Pandemie: Ukraine kommt mit zwei Schritten IWF entgegen

IMF Headquarters. Source: Financial Tribune

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat im Parlament Gesetze durchgesetzt, die der Ukraine den Weg für eine weitere Zusammenarbeit mit dem IWF ebnen. In Zeiten der Wirtschaftskrise ist klar, dass nur eine Kooperation mit dem IWF die Ukraine retten kann.

Ende März fanden sich Präsident Wolodymyr Selenskyj und das gesamtes Land in einem Bermuda-Dreieck voller Probleme wider. Auch die Ukraine wurde von der Coronavirus-Pandemie erreicht, was die Krise im Land noch verstärkte. Klar ist, dass die Volkswirtschaft diese Krise nur mit Hilfen des Internationalen Währungsfonds (IWF) bewältigen kann. Die Ukraine braucht dringend die Zusammenarbeit mit dem IWF, mit dem Kiew schon seit Monaten über ein neues Finanzierungsprogramm in Höhe von 5,5 Milliarden US-Dollar verhandelt.

Die Unterzeichnung eines IWF-Programms wird Kiew den Zugang zu zusätzlichen Finanzmitteln im Kampf gegen das Coronavirus sowie zu Geldern anderer internationaler Institutionen öffnen. Daher kann der Gesamtbetrag der Finanzhilfen auch höher ausfallen.

Doch der IWF stellte Kiew zwei wichtige Bedingungen: Erstens, die Verabschiedung eines Gesetzes, das die Rückgabe von Banken, die vom Markt genommen worden waren, an ihre ehemaligen Eigentümer verbietet. Dieses Gesetz richtet sich vor allem gegen den Milliardär Ihor Kolomojskyj, der es auf die im Jahr 2016 verstaatlichte PrivatBank abgesehen hat. Zweitens, die Verabschiedung eines Gesetzes, mit dem in der Ukraine der Handel mit Agrarland freigegeben wird.

Selenskyj und seine Fraktion, die regierende Partei “Diener des Volkes” hielten daher am 30. März drei außerordentliche Sitzungen im Parlament ab. Das Gesetz über den Handel mit Agrarland wurde in zweiter Lesung und das Bankengesetz in erster Lesung angenommen.

Gesetz über Agrarland. Das Parlament hatte das Gesetz zuvor fast zwei Monate lang geprüft. In dieser Zeit wechselte die Regierung des Landes, die Welt wurde von der Coronavirus-Pandemie erfasst und die Bestimmungen für den Handel mit Agrarland wurde geändert.

Ursprünglich wollte die Regierung den Handel mit Agrarland ab dem 1. Oktober 2020 freigeben, doch das nun verabschiedete Gesetz sieht einen Start neun Monate später, am 1. Juli 2021, vor. Dies war Teil eines Kompromisses, den die Regierung eingehen mussten, damit das Gesetz auch von Abgeordneten anderer, oppositioneller Fraktionen unterstützt werden konnte. Denn von der regierenden Partei “Diener des Volkes” kamen nur 206 von 226 notwendigen Stimmen.

Laut der endgültigen Fassung des Gesetzes wird der Handel mit Agrarland in mehreren Phasen freigegeben:

  • Ab dem 1. Juli 2021 können nur natürliche Personen – Bürger der Ukraine – landwirtschaftliche Flächen in der Ukraine kaufen. Sie dürfen bis zum 1. Januar 2024 nicht mehr als 100 Hektar Ackerland pro Person erwerben.
  • Am 1. Januar 2024 beginnt die nächste Phase. Ab dann können auch ukrainische Unternehmen – und nur solche – landwirtschaftliche Flächen kaufen. Dabei gelten Beschränkungen. Es dürfen nur 10.000 Hektar landwirtschaftlicher Flächen in einer Hand konzentriert werden. Dies war schon in der ursprünglichen Fassung des Gesetzentwurfs so vorgesehen.

Auch Banken dürfen Land besitzen, aber nur für kurze Zeit. Sie dürfen bei Darlehen verpfändetes Land übernehmen, müssen dieses allerdings innerhalb von zwei Jahren nach Erhalt versteigern.

Ausländer, Staatenlose, ausländische Unternehmen und solche Firmen, deren Eigentümer nicht identifiziert werden können, weil sie zum Beispiel in Offshore-Gebieten registriert sind, dürfen kein Land erwerben. Der Staat wird Ausländern erst nach einem landesweiten Referendum und nur in dem Fall, wenn das ukrainische Volk dafür stimmt, erlauben, landwirtschaftliche Flächen zu kaufen.

Das Bankengesetz. Am 30. März bestätigte das Parlament in erster Lesung das sogenannte “Anti-Kolomojskyj-Gesetz” Nr. 2571-d. Das Gesetz, mit dem bestimmte Regulierungsmechanismen im Bankenwesen verbessert werden sollen, war unter den Volksvertretern umstritten. Letztlich stimmten 267 Abgeordnete für den Entwurf – darunter Vertreter der regierenden Partei “Diener des Volkes”, der Partei des ehemaligen Präsidenten Petro Poroschenko “Europäische Solidarität”, der Partei “Stimme”, der Abgeordnetengruppe “Vertrauen” sowie mehrere Fraktionslose.

Die “Vaterlandspartei” von Julia Tymoschenko stimmte mit klarer Mehrheit gegen das Gesetz und die prorussische Partei “Oppositionsplattform – Für das Leben” enthielt sich. Darüber hinaus stimmten die Abgeordneten dafür, die Prüfungsfrist für die zweite Lesung zu verkürzen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Eigentümer und ehemalige Eigentümer von Banken, deren Interessen verletzt wurden, als ihre Banken vom Markt genommen wurden, eine Entschädigung erhalten können, allerdings nur in Geldform.

Was kommt als nächstes? Die Abstimmung über das Bankengesetz in zweiter Lesung steht noch bevor. Mit ihr soll die Erfüllung der IWF-Bedingungen durch die Ukraine abgeschlossen werden. Aber selbst die drei Sondersitzungen des Parlaments können nicht die Strukturreformen ersetzen, die die Ukraine noch dringend braucht. Denn das Defizit im Staatshaushalt könnte nach Schätzungen des ukrainischen “Zentrums für Wirtschaftsstrategie” (CES) in diesem Jahr von den vorgesehenen zwei Prozent des BIP auf zehn Prozent steigen.

Der IWF ist laut vorheriger Vereinbarung bereit, der Ukraine bis zu acht Milliarden US-Dollar zur Verfügung zu stellen, weitere Mittel könnten von der Weltbank und in der Europäischen Union aufgebracht werden. Sie erwarten jedoch von der Ukraine strukturelle Reformen.

Nach der Verhängung der Quarantäne-Maßnahmen Mitte März wurde klar, dass die ehrgeizigen Pläne der Regierung um mindestens ein Jahr verschoben werden müssen. Der neue Premierminister Denys Schmyhal hat kürzlich erklärt, dass die ukrainische Wirtschaft im Jahr 2020 nicht wachsen, sondern um 4,8 Prozent schrumpfen könnte. Die Regierung werde einen Rückgang der Industrieproduktion und der Geschäftstätigkeit sowie eine steigende Arbeitslosigkeit bekämpfen müssen.

“Das Positive ist, dass Selensky in dieser Situation im Interesse der Ukraine handelt, und nicht im Interesse von Kolomojskyj”, sagte Wolodymyr Dubrowskyj, Wirtschaftsexperte an der unabhängigen Denkfabrik CASE-Ukraine, der ukrainischen Zeitung “NW”. Die Verabschiedung der Gesetze bezüglich der Banken und über den Handel mit Agrarland, aber auch die Ernennung des liberalen Finanzministers Serhij Martschenko, seien der Beginn eines umfassenden Programms zur Rettung der Ukraine aus der Krise.