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Fall Poroschenko: Wichtiger Ermittler beklagt Druck auf Untersuchungen

Am 8. Juli hat Oleh Korezkyj, ein leitender Ermittler des Staatlichen Ermittlungsbüros, der für die Untersuchungen gegen den ukrainischen Ex-Präsidenten Petro Poroschenko zuständig ist, eines der Verfahren eingestellt. Zugleich erklärte er den Anwälten des Politikers und vor Journalisten, bei den Untersuchungen unter Druck gesetzt worden zu sein. Seine aufsehenerregende Erklärung gab Korezkyj an dem Tag ab, an dem ein Kiewer Gericht eine vorbeugende Maßnahme gegen Poroschenko beschließen sollte. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Was ist passiert? Am Mittwoch, dem 8. Juli, hielt das Gericht im Kiewer Bezirk Petschersk auf Ersuchen der Generalstaatsanwaltschaft eine fast sechsstündige Anhörung ab. Dabei sollte gegen Petro Poroschenko eine vorbeugende Maßnahme beschlossen werden, und zwar in dem Verfahren, in dem Poroschenko vorgeworfen wird, als Präsident im Jahr 2018 im Umgehung aller Verfahren Serhij Semotschko als Vizechef der Auslandsaufklärung durchgesetzt zu haben. 

Doch am Mittag des 8. Juli veröffentlichte Poroschenkos Anwalt Ilja Nowikow auf seiner Facebook-Seite Dokumente, denen zufolge ein anderes Verfahren gegen seinen Mandanten eingestellt wurde, bei dem es um den Verkauf der Kiewer Werft “Kusnja na Rybalskomu” geht. Nowikow zufolge hat der zuständige Ermittler Oleh Korezkyj den entsprechenden Beschluss gefasst. Im selben Post veröffentlichte Poroschenkos Anwalt auch ein Video, in dem Korezkyj über seine Motive spricht.

Was hat der Ermittler erklärt? Korezkyj behauptet, dass in vielen Verfahren gegen Poroschenko keine Straftat vorliege, auch nicht im Fall Semotschko. Das Verfahren werde beim Staatlichen Ermittlungsbüro als aussichtslos betrachtet. Darüber hinaus behauptet Korezkyj, dass die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa und ihr “Charkiw-Team” das Staatliche Ermittlungsbüro unter Druck setzen würden.

Korezkyj sagte: “Erst habe ich ganz normal gemäß Gesetz ermittelt. Dann kamen diese seltsamen Jungs aus Charkiw und begannen, unverständliche Anweisungen zu geben. Ich habe ihnen gesagt, dass keine Straftat vorliegt und dass wir legale Entscheidungen treffen sollten. Sie sagten, ich solle verschwinden, es gebe für mich keinen Platz. Nur weil ich ihnen nicht passe. Daher habe ich beschlossen, an die Presse zu gehen.”

Vor dem Hintergrund von Korezkyjs sensationeller Erklärung forderte Poroschenkos Verteidigung und der Politiker selbst das Petschersk-Gericht auf, den Ermittler zu einer Anhörung einzuladen und ihn als Zeugen anzuhören.

Was hat Poroschenko gesagt? Der ukrainische Ex-Präsident betonte, man könne ihm nur schwer vorhalten, Sympathien für Korezkyj zu haben. “Ich habe persönlich ungefähr ein Dutzend Berichte zu Straftaten und Verstößen unterschrieben, die bei der Arbeit von Korezkyjs Ermittlergruppe, die für alle 20 Strafsachen zuständig ist, begangen wurden. Ich betone offiziell, dass ich mich glücklicherweise seit etwa drei Monaten nicht mehr mit Korezkyj getroffen habe”, so der Politiker gegenüber dem Gericht.

Gleichzeitig wandte sich Poroschenko an den Richter Serhij Wowk und bezeichnete Korezkyjs Erklärung als “äußerst wichtig”. Sie habe, so Poroschenko, das Potential zu einer politischen Krise, sollte bewiesen werden, dass nicht nur die Anwälte von Poroschenkos Amtsvorgänger Viktor Janukowytsch, der 2014 nach Russland geflüchtet war, darauf drängen würden, Poroschenko hinter Gitter zu bringen, sondern dass auch die Generalstaatsanwältin Iryna Wenediktowa, das Präsidialbüro und Präsident Wolodymyr Selenskyj persönlich jene Anwälte entsprechend anweisen würden.

Kurz, nachdem beantragt wurde, Korezkyj vor Gericht anzuhören, wurde die Sitzung zunächst unterbrochen und dann abrupt beendet. Die Staatsanwälte, die zuvor eine Verlängerung der Untersuchungen bis Oktober 2020 erreicht hatten, gaben plötzlich bekannt, dass die Voruntersuchung abgeschlossen sei und es keinen Sinn mache, eine vorbeugende Maßnahme gegen Poroschenko zu verhängen. Am Ende beschloss der Richter Serhij Wowk, den Antrag der Generalstaatsanwaltschaft nicht weiter zu verfolgen.

Staatliches Ermittlungsbüro nimmt Stellung zu Vorwürfen. Der leitende Ermittler der Behörde, Oleh Korezkyj, gab während seiner Erklärung zu verstehen, dass auch innerhalb des Staatlichen Ermittlungsbüros Untersuchungen gegen Poroschenko um jeden Preis verlangt worden seien. “Es gibt angemessene Fristen. Wenn man bereits alle möglichen Ermittlungsmaßnahmen durchgeführt hat, muss man entscheiden. Entweder man meldet Verdacht an, wenn man eine Straftat erkennt, oder man stellt das Verfahren ein. Und mir wurde gesagt, dass man es noch nicht einstellen sollte, dass noch ermittelt werden sollte. Was untersuchen und wofür? Vor drei Monaten wurden mir diese Bedingungen gestellt, als man begann, mir das Verfahren aufgrund meiner Haltung zu entziehen”, sagte Korezkyj.

Am Abend des 8. Juli reagierte das Staatliche Ermittlungsbüro auf Korezkyjs Aussagen und bezeichnete diese als Spekulation. Korezkyj beabsichtige, die Behörde zu verlassen. Bei einem Disziplinarverfahren unter Anwendung eines Lügendetektors sei festgestellt worden, dass Informationen in Strafverfahren weitergegeben worden seien. 

Ferner erklärte die Behörde, Korezkyjs Aussagen seien “unwahr und politisch motiviert”. Außerdem würden die öffentlichen Äußerungen des Ermittlers “bestimmte Merkmale einer Straftat aufweisen, nämlich die Offenlegung von Informationen aus vorgerichtlichen Ermittlungen”. Korezkyj agiere, so das Staatliche Ermittlungsbüro, im Interesse Poroschenkos – wobei die Behörden den Namen des ehemaligen Präsidenten nicht direkt nannte. Zu diesem Schluss kam die Behörden, ausgehend davon, mit welchen Medien Korezkyj sprach, darunter mit den Webportalen Glavkom und censor.net sowie dem Sender “Prjamyj”.

Das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat auf den Skandal bislang öffentlich noch nicht reagiert.