Direkter Dialog mit den “Volksrepubliken”?, Kampf gegen COVID-19 und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

 

Die Situation im Kampfgebiet ist weiterhin angespannt. Am 9. März missachtete der Feind die Regeln des humanitären Völkerrechts und beschoss ein Sanitätsfahrzeug. Der Feind setzte mit Hilfe von Drohnen zwei Geschosse vom Typ VOG-17 ein, die das Dach des Fahrzeugs trafen, auf dem das Symbol des Roten Kreuzes aufgetragen war.

Am 10. März eröffnete der Feind dreimal provokativ mit automatischen Granatwerfern und Kleinwaffen den Beschuss im Bereich der Truppenentflechtung Nr. 3 im Abschnitt Bohdaniwka-Petriwske. Die Einheiten der ukrainischen Vereinten Kräfte erwiderten das Feuer nicht und hielten sich an die Waffenruhe.


Ein Versuch, Kiew in einen direkten Dialog mit den “Volksrepubliken” hineinzuziehen

 

Die ukrainische Öffentlichkeit ist durch Nachrichten aus Minsk alarmiert. Veröffentlichten Dokumenten zufolge steht das offizielle Kiew kurz vor einer Zustimmung zu einem direkten Dialog mit den sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”.

Was ist passiert?Am 11. März 2020 wurden in Minsk ein Protokoll der Sitzung der Trilateralen Kontaktgruppe und ein Beschluss über die Einrichtung eines Konsultativ-Rates unterzeichnet. Laut den Dokumenten haben sich die Parteien geeinigt, faktisch eine gemeinsame Plattform für einen direkten Dialog zwischen Kiew und Vertretern von Teilen der Regionen Donezk und Luhansk zu schaffen.

Der Rat soll an Entscheidungen zu den dringendsten politischen Punkten der Minsker Dokumente mitarbeiten: über Wahlen im besetzten Donbass, über das Gesetz eines ständigen “Sonderstatus des Donbass” und über Änderungen der Verfassung.

Im vereinbarten Text wird vorgeschlagen, dass dem Rat 24 Personen angehören. 20 von ihnen mit Stimmrecht –  jeweils zehn Vertreter “von der Ukraine” und zehn “von einzelnen Bezirken der Regionen Donezk und Luhansk”. Die restlichen vier werden nur eine beratende Stimme haben. Sie sollen Russland, die OSZE, Deutschland und Frankreich vertreten.

Was sind die Risiken?Schon die Zusammensetzung des Rates ist ein Problem, da dies ein neues Format ist und es sich von dem der Trilateralen Kontaktgruppe, also von den “Minsker Verhandlungen”, unterscheidet. An den Gesprächen in Minsk nehmen nur drei Teilnehmer teil: die Ukraine, Russland und die OSZE als Vermittler. Der Begriff “trilateral” bedeutet, dass es keine anderen Teilnehmer gibt. Die von Russland kontrollierten Separatisten sind in Minsk nur als “nicht stimmberechtigte” Beobachter dabei.

In all den Jahren des Konflikts war dies für die Ukraine entscheidend. Auch der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat wiederholt betont, dass er einen direkten Dialog mit den prorussischen Separatisten ausschließe. Ein neuer Konsultativ-Rat würde gegen dieses Prinzip verstoßen.

Das Hauptrisiko einer solchen Entscheidung besteht darin, dass die Vertreter der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” als Subjekt vertreten sein würden, obwohl eigentlich nur Russland als Aggressor Partei des Konflikts mit der Ukraine ist. Entsprechende Dokumente, mit denen bisherige “rote Linie” überschritten würden, könnten bereits am 25. März bei einem Treffen der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk unterzeichnet werden.

Gegen die Verfassung und das Gesetz. Ein Schritt in Richtung Anerkennung der besetzten Gebiete als Subjekt würde nicht im Einklang mit der Verfassung und den Gesetzen der Ukraine stehen. Laut dem ukrainischen Gesetz “Über Besonderheiten der staatlichen Politik zur Gewährleistung der staatlichen Souveränität der Ukraine in den vorübergehend besetzten Gebieten in der Regionen Donezk und Luhansk” Nr. 2268 aus dem Jahr 2018 gelten jene Gebiete als von der Russischen Föderation vorübergehend besetzt.

Die ukrainische Gesetzgebung macht es daher unmöglich, Behörden der sogenannten “Volksrepubliken” in irgendeiner Form anzuerkennen. Alle Verhandlungen zum Schutz der Rechte und Interessen der ukrainischen Bürger in den vorübergehend besetzten Gebieten der Ukraine sowie über die Beendigung der bewaffneten Aggression Russlands gegen die Ukraine sollten ausschließlich mit der Russischen Föderation und ihren Vertretern unter Vermittlung internationaler Partner geführt werden.

Erneut Vorrang für Politik statt Sicherheit.Nach der Unterzeichnung des Minsker Protokolls war für die Ukraine klar: Sicherheit geht vor Politik. Erst muss Russland die bewaffnete Aggression beenden und sich an die Waffenruhe halten, und erst dann ist ein Übergang zu einer politischen Regelung möglich. Stattdessen zielen die Verhandlungen heute wieder auf politische Zugeständnisse der Ukraine ab, noch vor einer Regelung der Sicherheitsfrage.

Zu einem großen Problem können die Befugnisse des Konsultativ-Rates werden. Der Leiter des ukrainischen Präsidialamts, Andrij Jermak, erklärte, er beabsichtige, die Punkte der Minsker Vereinbarungen (9, 11, 12) einzuhalten, die die Ukraine verpflichten, mit den “Vertretern” jener Gebiete ein künftiges Gesetz über Wahlen und Änderungen der Verfassung zu vereinbaren.

Ohne die Stimmen der prorussischen Separatisten werden Beschlüsse im Konsultativ-Rat unmöglich sein, da eine Dreiviertelmehrheit nötig sein soll. Daher könnte dieser Rat anstelle eines beratenden Gremiums zu einer entscheidenden Plattform zur Entwicklung praktischer Lösungen werden, und die politische Untergruppe, bei der jener Rat angesiedelt werden soll, würde seine Vorschläge nur noch billigen.

Vor allem ist bei all dem kein Wort über die Sicherheit und die Nichteinhaltung der Verpflichtungen Russlands zu finden, die es beim Gipfeltreffen im Normandie-Format in Paris übernommen hat. Während an der Front sich die Lage verschärft und sogar in Abschnitten der Truppenentflechtung geschossen wird, ist eine solche Entscheidung äußerst riskant.

Kritik von der Opposition: Poroschenko.Präsident Selensky, müsse Auskunft geben, auf welcher Grundlage der Leiter des Präsidialamts, Jermak, das Protokoll der Sitzung der Trilateralen Kontaktgruppe vom 11. März 2020 unterzeichnet habe, erklärte der frühere ukrainische Präsident  und Vorsitzende der Partei “Europäische Solidarität”, Petro Poroschenko. “Die Schaffung irgendwelcher Konsultativ-Räte mit russischen Marionetten ist der Weg in eine schleichende Kapitulation. Die Gründe für eine Abkehr von einer NATO-Mitgliedschaft und eine Wiederaufnahme der Wasserversorgung der besetzten Krim werden immer deutlicher. All dies will der Kreml. Die Umsetzung solcher Initiativen ist gleichbedeutend mit Hochverrat”, betonte Poroschenko in seiner Erklärung.

Position von Julia Tymoschenko.Die Vorsitzende der Partei “Vaterland” meint, dass das Team von Präsident Selenskyj bei den Gesprächen mit Russland Dokumente unterzeichnet, die den nationalen Interessen der Ukraine zuwiderlaufen. “Meine Position ist und war immer klar und eindeutig. Es gibt keinen internen Konflikt in der Ukraine. Es gibt einen Krieg Russlands gegen die Ukraine im Donbass. Es gibt eine Besetzung der Krim durch Russland. Die unterzeichneten Dokumente sprechen erneut von einem nicht existierenden Bürgerkrieg”, betonte Tymoschenko.

Spaltung innerhalb der Präsidenten-Partei “Diener des Volkes”.Ein Teil der Abgeordneten der Fraktion appellierte an Selenskyj, die Schaffung eines Konsultativ-Rates bei der politischen Untergruppe der Trilateralen Kontaktgruppe in Minsk nicht zu erlauben. Einen entsprechende Appell unterzeichneten bereits 60 Abgeordnete der Fraktion. Laut den Parlamentariern könnte dies die Aggression Russlands gegen die Ukraine in Frage stellen.

“Wirappellieren an den Präsidenten der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj, angesichts der kontroversen öffentlichen Reaktion auf die jüngsten Minsker Initiativen, die ukrainischen Vertreter in der Trilateralen Kontaktgruppe und alle Verhandlungsführer der Ukraine anzuweisen, in den Rahmen der ukrainischen Gesetze zurückzukehren und eine Umsetzung der angekündigten Entscheidungen zu verhindern, was die Schaffung einer Konsultativ-Gruppe in einer Art und Weise angeht, die bei der Bevölkerung der Ukraine keine Zustimmung findet und die den geltenden Gesetzen und den nationalen Interessen widerspricht”, heißt es in der Erklärung.


Wie kämpft die Ukraine gegen COVID-19?

In der Ukraine wurde bisher nur ein Coronavirus-Todesfall gemeldet, aber die Regierung hat zu strengen Maßnahmen gegriffen: Schließung aller Schulen und Verbot von Massenversammlungen. Der Nationale Sicherheits- und Verteidigungsrat beschloss, alle Flugverbindungen einzustellen und Ausländern vorübergehend die Einreise zu untersagen. Die lokalen Behörden in Kiew und anderen Großstädten haben für den 17. März die Schließung aller Einrichtungen angekündigt, mit Ausnahme von Lebensmittelgeschäften, Apotheken und Krankenhäusern.

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