Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten, 04.09.-10.09.2017: Urteil im Fall Tschijgos, Friedenstruppen im Donbass, Saakaschwili in der Ukraine


Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Zuspitzung an der Front. Die Lage in der Zone der Anti-Terror-Operation (ATO) spitzt sich weiter zu. Die prorussischen Rebellen setzen zunehmend schwere Waffen ein, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Aufgrund der ständigen Angriffe müssen die ukrainischen Militärs das feindliche Feuer erwidern.

Russische Truppen und Waffen im Donbass. Freiwillige von InformNapalm haben neun Berufssoldaten der 8. Brigade der Streitkräfte der Russischen Föderation identifiziert, die im Osten der Ukraine im Sommer und Herbst 2014 gekämpft haben. Leonid Kalaschnikow, Abgeordneter der russischen Staatsduma, erklärte,  Russland “wird gezwungen” sein, “offen und unverdeckt” Waffen in den Donbass zu liefern, sollten die Streitkräfte der Ukraine von westlichen Verbündeten Waffen erhalten.

OSZE. Der Leiter der Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE-SMM), Ertugrul Apakan, betonte, dass in den ersten sechs Monaten des Jahres 2017 75 Prozent der Fälle, wo die Bewegungsfreiheit der SMM eingeschränkt wurde, auf die besetzten Gebiete des Donbass entfallen, die von russischen Rebellen und Söldnern kontrolliert werden.

Friedenstruppen im Donbass. Letzte Woche hat die ukrainische Delegation bei der UNO den Partnern im UN-Sicherheitsrat ihren Entschließungsentwurf zum Einsatz von Friedenstruppen im Donbass vorgelegt. Am 5. September beauftragte auch der russische Präsident Wladimir Putin den russischen Außenminister, dem UN-Sicherheitsrat eine Resolution über Friedenstruppen im Donbass vorzulegen. Die Tatsache, dass der Kreml über eine Friedensmission im Donbas spricht, weist auf gewisse Veränderungen hin und kann einige Möglichkeiten eröffnen. “Ohne Zweifel, die Friedensmission, die Putin anbietet, ist zum Scheitern verurteilt. Er will leichte Kräfte entlang der Kontaktlinie zwischen den Kräften der Separatisten und dem Rest der Ukraine stationieren. Dies stellt den Konflikt als interne ukrainischen Angelegenheit dar und verleiht den russischen Streitkräften, die sich dort befinden, Deckung und die Russische Föderation behält die Kontrolle über die internationale Staatsgrenze”, schreibt der ehemalige schwedische Außenminister Carl Bildt in einem Artikel für die Washington Post. Der Außenminister der Ukraine, Pawlo Klimkin, bezeichnete die vom Kreml vorgeschlagene Optionen für Friedenstruppen im Donbass als Manipulation. “Der Versuch, Friedenstruppen nur entlang der Kontaktlinie nur zu stationieren, führt direkt dazu, die bestehende Situation einzufrieren. Wir sehen hier den Wunsch Russlands, seine Kolonie, sein Protektorat im besetzten Teil des Donbass zu legalisieren“, so Klimkin. DerResolutionsentwurf der Russischen Föderation für eine UN-Friedensmission im Donbass fand unter den Mitgliedern des Sicherheitsrats keine Unterstützung.


Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Rebellen bestätigen, dass sie den ukrainischen Journalisten Wasin festhalten. Vertreter der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” haben mitgeteilt, dass der Journalist Stanislaw Asejew (Pseudonym: Wasin) auf einer Austausch-Liste steht. Das erklärte die Vertreterin der Ukraine in der trilateralen Kontaktgruppe in Minsk, Iryna Heraschtschenko. Der Kontakt zu dem Donezker Bloggerund Mitarbeiter von RadioDonbas.Realii, Wasin, war am 2. Juni in Donezk abgebrochen. Vertreter der sogenannten “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” hatten zunächst erklärt, ihnen lägen keine Informationen über seinen Verbleib vor. Unterdessen haben Menschenrechtler und Journalisten (darunter die Journalistenverbände in der Ukraine und RusslandReporter ohne Grenzen, das amerikanische Komitee zum Schutz von Journalisten sowie Amnesty International) dazu aufgerufen, zu klären, was mit Wasin geschehen ist. Im Falle einer Inhaftierung müsse man sich für seine Freilassung einsetzen. Auch die UN-Sonderbeobachtermission für Menschenrechte setzt sich für Wasin ein.


Saakaschwili zurück in der Ukraine

Politische Show. Am 10. September hat der ehemalige Gebiets-Chef von Odessa, der georgische Ex-Präsident Micheil Saakaschwili, ohne Pass die ukrainischen Grenze passiert. Zu Beginn des Tages hatte er zunächst versucht, die Grenze im Zug Przemysl-Kiew zu überqueren, doch die Ukrainische Eisenbahn stoppte den Zug. Daraufhin fuhr Saakaschwili mit einem Bus bis zur Grenze. Er sagte, er werde um Papiere für eine staatenlose Person bitten. Dies würde die ukrainische Seite dazu verpflichten, ihn einreisen zu lassen. Dazu kam es aber nicht mehr. Denn nach den langwierigen Verhandlungen trug ihn eine Schar von Anhängern buchstäblich auf die ukrainische Seite. Er wurde von ukrainischen Abgeordneten begleitet, darunter von Julija Tymoschenko. Später sagte Saakaschwili, er fahre nachLwiw. Dort wolle er entscheiden, was er als nächstes zu tun werde.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte am 16. Juli per Dekret Saakaschwili die ukrainische Staatsbürgerschaft entzogen. Der formale Grund dafür war, dass Saakaschwili angeblich Informationen über gegen ihn laufende Strafverfahren in Georgien verheimlicht habe. Die georgischen Behörden hoffen nun, dass die Ukraine Saakaschwili ausliefern wird. Das ukrainische Justizministerium hat bestätigt, dass eine entsprechende Anfrage Georgiens vorliegt.

Reaktion der Behörden. Der ukrainische Generalstaatsanwalt Jurij Luzenko sagte, dass diejenigen, die Saakaschwilis illegalen Grenzübertritt organisiert hätten, vor Gericht gestellt würden. Der ukrainischeGrenzschutz teilte mit, dass mehrere Polizisten und Grenzbeamte verletzt worden seien, als jene Menschenmenge die Staatsgrenze durchbrochen habe. Das Innenministerium erklärte, insgesamt zwölf Polizisten und fünf Grenzschützer hätten dabei Verletzungen davon getragen. Innenminister Arsen Awakow sagte, der ehemalige Leiter der Staatlichen Administration im Gebiet Odessa, Micheil Saakaschwili, der sich in der Ukraine aufhalte, habe nun zwei Möglichkeiten: Er müsse wieder zum Checkpoint Scheheni fahren und dort das Verfahren zur Einreise durchlaufen oder sich zu einer Stelle des Migrationsdienstes begeben.

Reaktion der Öffentlichkeit. Saakaschwilis Rückkehr ist zu einem wahren Skandal geworden. Politiker, Meinungsführer, Journalisten und Experten haben den ganzen Tag über das Ereignis diskutiert. Viele von ihnen verurteilten Saakaschwilis Vorgehen, denn er habe auf diese Weise die Staatsgrenze als Institution untergraben. Er habe gezeigt, dass eine Gruppe unbewaffneter Menschen die Grenze ungehindert überqueren kann. Und es sei dabei nicht so wichtig, ob es sich um die Grenze im Osten oder im Westen des Landes handele. Premierminister Wolodymyr Hrojsman sprach von einem “Angriff auf den ukrainischen Staat“, die Vertreterin der Ukraine in Minsk, Iryna Heraschtschenko, von einer “Erniedrigung des Landes“. Gleichzeitig machen viele Menschen darauf aufmerksam, dass Saakaschwilis Vorgehen eine Antwort auf eine politisch motivierte Ausbürgerung sei, die Poroschenko veranlasst habe. Aber auch viele Maßnahmen der ukrainischen Behörden am 10. September stünden im Widerspruch zur ukrainischen Gesetzgebung, meinen Kritiker. So sei der Stopp des gesamten Zuges, in dem sich Saakaschwili befunden habe, gesetzwidrig gewesen, aber auch die Schließung des Grenzüberganges wegen einer angeblichen “Bombendrohung”.


Russisches Gericht auf der Krim: Acht Jahre Haft für Achtem Tschijgos

Achtem Tschijgos wurde im Januar 2015 verhaftet, weil er am 26. Februar 2014 vor dem Obersten Rat der Krim an einer Kundgebung zur Unterstützung der territorialen Integrität der Ukraine teilgenommen hatte. Damals stellten sich prorussische Aktivisten den Demonstranten in den Weg, darunter von der Partei “Russische Einheit“. Die russischen Behörden auf der annektierten Krim werfen Tschijgos vor, Massenunruhen organisiert zu haben. Am Morgen des 11. September wurden vor dem Obersten Gericht der Krim, wo das Urteil im Fall Tschijgos erwartet wurde, Polizeikräfte und Metalldetektoren aufgestellt.

Menschenrechte: Wo ist Oleh Senzow?

Der ukrainische Regisseur und politische Gefangene Oleh Senzow ist erneut verlegt worden – jetzt aus dem Gefängnis im russischen Irkutsk an einen unbekannten Ort. Das teilte sein Anwalt Dmytro Dinse mit. Senzow selbst hatte zuvor Menschenrechtler darüber informiert, dass er nicht wisse, warum er aus einem Straflager in Jakutien in das Gefängnis in Irkutsk gebracht worden war.


Kultur: Internationale Buchmesse und Literaturfestival in Lwiw

Diese Woche ist Lwiw Gastgeber des “Publishers’ Forum”, einer der wichtigsten Buchmessen in Osteuropa. Die Messe bietet ein vor allem auf Verleger zugeschnittenes Programm, aber auch Literaturveranstaltungen von Schriftstellern für ein breites Publikum. Traditionell ist ein wesentlicher Teil der literarischen Veranstaltungen des Forums der Poesie gewidmet. An dem Forum werden Dichter aus Litauen, der Slowakei, Kroatien, Tschechien, den USA und anderen Ländern teilnehmen – darunter Marie Iljašenko, eine tschechische Dichterin mit ukrainischen Wurzeln, Nathalie Handal, eine Dichterin palästinensischer Herkunft sowie die litauischen Dichter Marius Burokas und Sara Poisson. Erwartet werden auch andere ausländische Gäste: Philippe Sands (Vereinigtes Königreich), Henry Marsh (Vereinigtes Königreich), Hanna Krall (Polen), Peter Watson (Kanada), Karl-Markus Gauß (Österreich) Witold Szabłowski (Polen) sowie weitere 50 Autoren aus 25 Ländern. Unter den ukrainischen Schriftstellern, die beim Forum zu Gast sein werden, sind Serhij Zhadan, Ljubko Deresch, Oksana Sabuschko, Natalka Sniadanko und andere. (Programm des Forums)


Sport: Boxer Oleksandr Usyk verteidigt seinen WBO-WM-Titel

Der ukrainische Boxer Oleksandr Usyk hat am Samstagabend (09.09.) in Berlin den Deutschen Marco Huck im Viertelfinale des Cruisergewichts-Turniers durch technischen Knockout besiegt. Damit hat Usyk seinen WBO-Gürtel verteidigt. Während des gesamten Kampfes behielt der Ukrainer die Führung. Ab der dritten Runde attackierte Usyk sicher seinen Gegner. In der zehnten Runde zwang eine schwere Attacke von Usyk den Schiedsrichter, den Kampf zu beenden.


Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos
zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Hrojsmann verurteilt Saakaschwilis Vorgehen – Reportage von UNIAN

Iryna Heraschtschenko: Saakaschwilis Vorgehen ist eine Erniedrigung der Ukraine – Reportage vonUNIAN

Meinung

Militärübungen in der Ukraine als Zankapfel für die Behörden der Republik Moldau – Kolumne von Taras Berezovets für UNIAN

Analyse

Was wollen die russischen “Friedenstruppen“? – Analyse von UNIAN

Chaos an der Grenze: Was bedeutet Saakaschwilis Zirkus? – Analyse von Hromadske International

Was bedeutet Putins Vorschlag für UN-Friedenstruppen im Donbass? – Analyse von Hromadske International