Reformen in Kiew, Menschenrechtsverletzungen auf der Krim, ukrainischer Großmeister und mehr: Übersicht der ukrainischen Pressenachrichten, 16.-22.10.2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

Die Situation in der Konfliktzone im Osten der Ukraine hat sich verschlechtert. Der Beschuss nimmt zu.

OSZE. Der erste stellvertretende Vorsitzende der OSZE-Sonderbeobachtermission (OSZE-SMM) in der Ukraine, Alexander Hug, berichtet, dass seit Beginn der Waffenruhe Anfang September bis heute die Verstöße gegen den Waffenstillstand im Donbass um 140 Prozent zugenommen haben.

MH17: Neuer Beweis für russische Beteiligung. Das internationale investigative RecherchenetzwerkBellingcat hat ein neues Foto von einem Buk-Raketensystem vom Tag der MH17-Katastrophe veröffentlicht. Nach Einschätzung der Netzaktivisten gleichen die Kennzeichnungen des Raketensystems auf dem Foto denen, die auf der rechten Seite des Buk-Raketensystems 332 zu sehen sind, das in Russland fast vier Wochen vor dem Abschuss des Flugzeugs der Malaysia Airlines über dem Osten der Ukraine zu sehen sind. “Heute ist der neunte Beweis dafür veröffentlicht worden, dass sich ein Raketensystem im Osten der Ukraine befand, das den Streitkräften der Russischen Föderation gehört. Von nun an gibt es diesbezüglich keine Zweifel mehr”, so der Bellingcat-Bericht.


Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

In Donezk ist eine Frau verhaftet worden, weil sie ein Wohnhaus fotografiert hat. Sie sei jetzt der Spionage angeklagt, sagte Denis Denisenko, stellvertretender Vorsitzender des Luhansker Menschenrechtszentrums “Alternativa”, das von Kiew aus arbeitet. “In Donezk hat eine Frau, die bei einem städtischen Betrieb angestellt ist, versehentlich ein Mehrfamilienhaus fotografiert. Aber es stellte sich heraus, dass dies der Wohnsitz eines der Anführer der illegalen bewaffneten Gruppierungen ist. Sie wurde verhaftet und der Spionage beschuldigt. Sie ist jetzt im Gefängnis. Rechtsanwälte versuchen ihr irgendwie zu helfen. Wir haben das UN-Büro, das Vertretungen in Donezk und Luhansk hat, darüber informiert”, sagt er.

Die Anzahl der Studenten aus den besetzten Gebieten ist um 30 Prozent gestiegen. In diesem akademischen Jahr sind über die Bildungszentren “Donbass-Ukraine” und “Krim-Ukraine” 1550 Studenten an ukrainische Hochschulen zugelassen worden. Das ist um ein Drittel mehr als im letzten Jahr, berichtet der Pressedienst der Behörden im von Kiew kontrollierten Teil der Region Luhansk.


Demos vor dem Parlament: Was ist letzte Woche passiert?

Wie fing alles an? Aktivisten und Politiker von der Plattform “Europa-Optimisten” haben bereits im Sommer darüber nachgedacht, Kundgebungen durchzuführen, und zwar mit den Forderungen, die Abgeordnetenimmunität abzuschaffen, ein neues Wahlgesetz anzunehmen und ein Anti-Korruptions-Gericht zu schaffen. Die Mitglieder des Organisationskomitees reisten einen Monat lang durch die Regionen des Landes und forderten die Menschen auf, am 17. Oktober nach Kiew zu kommen oder in ihren Städten zu demonstrieren.

Wie verlief die Demo-Woche? Vor dem Parlament entstand ein Zeltlager der DemonstrantenDie ersten beiden Tage verliefen relativ ruhig, mit Ausnahme vereinzelter Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei, die sich gegenseitig Provokationen vorwarfen. Der Anführer der “Bewegung neuer Kräfte”, Micheil Saakaschwili, erklärte mehrmals auf einer aufgestellten Bühne, der ukrainische Präsident solle zurücktreten. Er drohte: “Wenn Poroschenko Euch heute nicht erhört, werden wir uns alle an einen anderen Ort begeben.” Unterdessen kam es innerhalb des Organisationskomitees zu Streit darüber, was als nächstes zu tun ist. Saakaschwili sowie die Abgeordneten Jegor Soboljew, Semen Semenchenko und Serhij Leschtschenko bestanden darauf, sollte das Parlament bis Donnerstag die geforderten Gesetze nicht beschließen, dann sollte die Demo vor dem Parlament unbefristet fortgesetzt werden. Doch die Abgeordneten Mustafa Najem, Switlana Salischtschuk, Viktor Tschumak und sogar Saakaschwilis Berater in der “Bewegung neuer Kräfte”, Jurij Derewjanko, sprachen sich für die Beendigung der Demo aus, da die nächsten zwei Wochen im Parlament sitzungsfrei seien.

Was geschah letztendlich? Am 19. Oktober kam das Parlament den Demonstranten doch noch einen Schritt entgegen. Die Abgeordneten verabschiedeten gleich zwei Gesetzentwürfe, die Verfassungsänderungen beinhalten. Sie sehen die Abschaffung der Abgeordnetenimmunität vor und wurden nun dem Verfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt. Darüber hinaus erörterte das Parlament alle eingebrachten Entwürfe für ein neues Wahlgesetz und beauftragte den zuständigen Ausschuss, auf deren Grundlage einen endgültigen Entwurf zu erarbeiten. Doch Fortschritte bei der Verabschiedung eines Gesetzes über ein Anti-Korruptions-Gericht gab es keine.


Krim: Verletzung des Rechts auf friedlichen Protest und Tataren unter Druck

Hunderte Verurteilungen und Bestrafungen. Seit der Besetzung der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland haben die Besatzungsbehörden 268 Teilnehmer friedlicher Versammlungen verurteilt. 256 Personen erhielten eine Strafe. “Seit März 2014 gibt es auf der Krim kein Recht auf friedlichen Protest mehr”, sagte die Koordinatorin der “Medien-Initiative für Menschenrechte”, Maria Tomak, auf einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center. Die häufigsten Gründe für die Festnahmen und Bestrafungen seien eine “eindeutige ukrainische oder krimtatarische Identifizierung”, die Teilnahme an Aktionen anlässlich des Jahrestags der Deportation der Krimtataren im Jahr 1944, die Religionszugehörigkeit und andere. Die Ukraine hat bereits Dutzende von Beschwerden gegen Urteile der Besatzungsbehörden auf der Krim beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereicht.

Ilmi Umerow im Krankenhaus. Einer der Anführer der Krimtataren, der Ende September auf der von Russland besetzten Krim von einem Gericht in Simferopol illegal zu zwei Jahren Haft verurteilt worden war, musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Das berichtet Umerows Anwalt Edem Semledjajew, der ihn im Krankenhaus besucht hat. Umerow selbst sagte, dass er aufgrund von Bluthochdruck ins Krankenhaus eingeliefert worden sei. Die von Russland kontrollierten Behörden auf der Krim werfen Umerow Extremismus vor. Dieser erkennt die Annexion der ukranischen Halbinsel Krim durch die Russische Föderation nicht an.

 


Menschenrechte: Ukraine nun Mitglied im UN-Menschenrechtsrat

Bei einer Abstimmung auf einer Plenarsitzung der UN-Vollversammlung am 16. Oktober ist die Ukraine in den UN-Menschenrechtsrat gewählt worden. Die Ukraine wird ein Mandat für die nächsten drei Jahre haben. Die Mitarbeit der Ukraine im UN-Menschenrechtsrat gilt als wichtiges Instrument der ukrainischen Außenpolitik. Sie bietet der Ukraine zusätzliche Möglichkeiten, ihre Positionen zu zentralen Fragen der Menschenrechte deutlich zu machen und eine effektive internationale Zusammenarbeit in diesem Bereich aufzubauen.

Reaktion der G7-Länder auf die ukrainische Gesundheitsreform

Die G7-Länder sind überzeugt, dass die Annahme der Gesundheitsreform deutlich macht, dass die Ukraine notwendige Reformen im Gesundheitswesen angehen und die Korruption bekämpfen will. Das geht aus einer Mitteilung der Botschaft des Vereinigten Königreichs in der Ukraine auf Facebook hervor. “Großbritannien und andere G7-Länder sind davon überzeugt, dass die Verabschiedung einer Reform des Gesundheitswesens, die staatliche Garantien zur Finanzierung von Versicherungsleistungen in der Medizin sowie von Medikamenten durch den Nationalen Dienst für Gesundheitsversorgung der Ukraine festlegt, ein Zeichen dafür ist, dass die Ukraine bereit und bestrebt ist, wichtige Reformen im Gesundheitswesen umzusetzen und die Korruption zu bekämpfen”, heißt es in der Erklärung.

Am 19. Oktober hatte das ukrainische Parlament das Gesetz “Über die staatlichen Finanzgarantien für medizinische Leistungen und Arzneimittel” (Registrierungsnummer 6327) verabschiedet. Einzelheiten zu dem Gesetz bietet der Artikel “Ein erster Schritt zur Gesundheitsreform” des Ukraine Crisis Media Center. Weitere Informationen gibt es in dem Artikel “Was man über die Gesundheitsreform in der Ukraine wissen muss“.


Kultur: “Kiewer Biennale” – Kunstprojekt über das heutige gesellschaftspolitische Leben unter Beteiligung internationaler Künstler

In Kiew hat am 20. Oktober eine Serie künstlerischer Veranstaltungen der ukrainischen Künstlergruppe “Hudrada” mit dem Titel “The Kyiv International – Kyiv Biennial 2017” begonnen. Die Gruppe “Hudrada” ist während der ukrainischen Orange Revolution 2004 entstanden. Den Organisatoren zufolge findet die “Kyiv Biennial 2017” im 100. Jahr der revolutionären Ereignisse von 1917 statt. Die Veranstaltungen der Biennale bieten jedoch aktuelle Themen und regen zum Nachdenken an. So über die Geschichtsschreibung, über die Konstruktion eines kollektiven Gedächtnisses und über die Zensur. Die Veranstaltungen bestehen aus mehreren thematischen Blöcken, darunter aus Ausstellungen und Performances, aus Konzerten experimenteller Musik, Filmvorführungen und Vorträgen. An der Biennale nehmen auch Künstler aus Deutschland, Österreich, Großbritannien, den USA, China, Polen und Griechenland teil.


Sport: Ukrainer feiern Erfolge im Schach

Zweitjüngster Großmeister. Der 15-jährige ukrainische Schachspieler Kyryl Schewtschenko aus Kiew ist beim Kongress des Internationalen Schachverbandes (FIDE) in der Türkei zum internationalen Großmeister ernannt worden. Derzeit ist der Junge einer der jüngsten Großmeister weltweit. Jünger ist nur der Amerikaner Awonder Liang, der 14 Jahre alt ist.

Ukrainerin Europameisterin im Blitzschach. Die Schachspielerin Anna Musytschuk hat die Frauen-Europameisterschaft im Blitzschach in Monaco mit neun von elf Punkten gewonnen. Musytschuk erhielt im Jahr 2012 den Titel einer Internationalen Großmeisterin. Im Jahr 2010 wurde sie Weltmeisterin beim Mädchen-Wettbewerb unter 20 Jahren und im Jahr 2014 gewann sie die Frauen-Weltmeisterschaft im Blitzschach. Bei der Einzel-Europameisterschaft 2012 gewann sie eine Bronzemedaille und beim FIDE-Grand-Prix in Kasan belegte sie im selben Jahr Platz 2. Als Mitglied des ukrainischen Frauen-Teams gewann sie bei der Schacholympiade 2014 den dritten Platz.