Top-Präsidentschaftskandidaten im Zentrum von Korruptions-Enthüllungen

In dieser Woche sind in der Ukraine Korruptions-Skandale entbrannt, an der zwei führende Präsidentschaftskandidaten beteiligt sein könnten. Die Journalistin Lesja Iwanowa berichtete im TV-Magazin “Naschi Hroschi” (Unser Geld) des Antikorruptionsprojekts “Bihus.info” vom 25. Februar 2019 über räuberische Machenschaften im ukrainischen Verteidigungsbereich, in die hochrangige Vertreter aus dem unmittelbaren Umfeld von Präsident Petro Poroschenko verwickelt sein könnten. In einem anderen Bericht des TV-Magazins ging es um die Präsidentschaftskandidatin Julia Tymoschenko. Den Recherchen zufolge wurden im Namen einfacher Bürger an ihre Partei “Vaterland” Millionenbeträge überwiesen, was die Vermutung nahelegt, dass es sich dabei um Fake-Spender handelt. Einzelheiten vom Ukraine Crisis Media Center:

Räuberische Machenschaften im Verteidigungsbereich?

Was beinhalten die Recherchen? Die investigativen Journalisten von “Bihus.info” behaupten, dass sie im Herbst 2018 einen anonymen Brief erhalten haben, der ein ganzes Archiv mit Korrespondenz zwischen Personen enthält, die an räuberischen Machenschaften im Verteidigungsbereich beteiligt sind. Eine Prüfung habe ergeben, dass der Brief echt sei, so die Journalisten.

Ihnen zufolge haben die Beteiligten seit Beginn des Krieges im Donbass militärische Ersatzteile aus Russland geschmuggelt und aus Beständen der ukrainischen Armee beschafft. Zu völlig überhöhten Preisen verkauften sie diese dann weiter an Firmen des staatlichen ukrainischen Rüstungskonzerns “Ukroboronprom”. Dabei floss Bargeld in die Taschen der Direktoren der Firmen.

Nach Angaben der Journalisten wurden durch diese Machenschaften mindestens 250 Millionen Hrywnja generiert. Den Recherchen nach soll an ihnen Ihor Hladkowskyj beteiligt gewesen sein. Er ist Sohn des Stellvertretenden Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats, Oleh Hladkowskyj. Dieser wiederum ist ein enger Freund von Präsident Petro Poroschenko, der sein langjähriger Geschäftspartner ist. Hladkowskyj wurde von Poroschenko zu seinen Posten berufen.

Reaktionen.Oleh Hladkowskyj bezeichnete die Informationen der Journalisten als Provokation. “Ich bin Opfer von Unsinn und provokativen Informationen geworden”, sagte er im ukrainischen TV-Sender “ZIK” und fügte hinzu: “Meine Reaktion, wie bei jedem anderen, dessen Ehre und Würde betroffen ist, kann nur die Forderung nach Gerechtigkeit sein.” Hladkowskyj forderte zudem die Generalstaatsanwaltschaft und das Nationale Anti-Korruptions-Büro (NABU) auf, die Recherchen der Journalisten zu überprüfen.

Für die Zeit der Untersuchungen ist Oleh Hladkowskyj vom Posten des Stellvertretenden Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats zurückgetreten, was vom ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko begrüßt wurde. Die Vertreterin des Präsidenten im Parlament, Iryna Luzenko, erklärte, der Konzern “Ukroboronprom” und Oleh Hladkowskyj würden die Journalisten vor Gericht verklagen. “Genau dann, als wir damit begannen, über Diebstahl in der Armee in früheren Jahre zu sprechen, taucht irgendeine Geschichte aus dem Jahr 2015 auf, und das vor den Wahlen”, sagte sie.

Nach Angaben des Senders “Hromadske” heißt es aus dem Umfeld des Präsidenten, dass die Informationen der Journalisten für Poroschenko neu gewesen seien und dass er noch am Abend des 25. Februar entscheiden habe, Hladkowskij aus dem Amt zu entfernen.

Folgen für Poroschenkos Wahlchancen.Hat der Präsident sein Einverständnis für den Schmuggel von Ersatzteilen aus Russland gegeben, mit dem Oleh Hladkowskyjs Sohn Ihor und dessen Partner nach Angaben der Journalisten Geld gemacht haben sollen? Was wird aus Hladkowskyj? Werden die Strafverfolgungsbehörden es kurz vor den Wahlen wagen, gegen ihn Verdacht zu erheben? Werden sie die Recherchen der Journalisten überhaupt bestätigen?

Es gibt viele offene Fragen. Jedenfalls wird sich Hladkowskyjs Schicksal erst nach den Präsidentschaftswahlen entscheiden. Denn es ist unmöglich, innerhalb von zwei Monaten Ermittlungen und einen Gerichtsprozess durchzuführen. Sollte Poroschenko die Wahlen verlieren, wird er keine Verantwortung für das Schicksal seines Freundes übernehmen müssen. Sollte Poroschenko aber wiedergewählt werden, dann muss er transparente Ermittlungen und einen fairen Gerichtsprozess garantieren. Andernfalls würde er der Opposition sofort Gelegenheit bieten, seinen Rücktritt zu verlangen. Julia Tymoschenko fordert schon jetzt eine sofortige Amtsenthebung von Poroschenko.

Fake-Spender für Julia Tymoschenko?

Die Chefin der Partei “Vaterland”, Julia Tymoschenko, hat sich aber zu früh über die Recherchen der Journalisten gegen ihren Rivalen Poroschenko gefreut. Denn nur wenige Tage nach den Enthüllungen der Machenschaften im Verteidigungsbereich berichtete das TV-Magazin “Naschi Hroschi” über Tymoschenko selbst. Demnach wird ihr Wahlkampf von Hausfrauen, Kassiererinnen und Arbeitern von Autowaschanlagen “gesponsert”, und das mit Millionenbeträgen.

Einfache Ukrainer und kleine Firmen haben im ersten und zweiten Quartal des letzten Jahres ungefähr 23 Millionen Hrywnja auf das Parteikonto überwiesen. Im dritten und vierten Quartal, als Tymoschenkos Wahlkampf begann, 130 Millionen Hrywnja. In der zweiten Hälfte des Jahres 2018 begannen Einwohner kleiner Städte und Dörfer massiv verdächtig hohe Beträge der Führerin der Partei “Vaterland” zu spenden. Einige sogar mehrmals.

Auf der Suche nach den größten Geldgebern besuchten die Journalisten vier ukrainische Regionen. Zu den “Spendern” gehört eine Kassiererin eines Supermarkts im Dorf Sawallja in der Region Kirowohrad. In ihrem Namen wurden 1,5 Millionen Hrywnja überwiesen. Auch ihre Schwester unterstützte zur gleichen Zeit Tymoschenko mit 1,5 Millionen und ihr Sohn, der als Wächter arbeitet, überwies 1,2 Millionen. Rund eine halbe Million erhielt Tymoschenko im vergangenen Oktober von einer Angestellten einer Autowaschanlage. Auch in anderen Regionen wurden im Namen von Arbeitern und Rentnern, aber auch von kleinen Firmen, die oft fiktiv erscheinen, rund zwei Millionen Hrywnja auf Partei-Konten überwiesen.

Tymoschenkos Reaktion. Die Parteichefin äußerte sich im TV-Sender “1plus1” zu den Recherchen der Journalisten. Sie sagte, verschiedene Geschäftsleute, die “Angst vor der Unterdrückung der Behörden” hätten, seien angeblich gezwungen, über Strohleute Geld an die Partei zu spenden. Die Präsidentschaftskandidatin betonte, die Fakten seien geprüft worden. Man habe dabei herausgefunden, dass mittelständische Unternehmer, die mit der Partei “Vaterland” sympathisieren würden, angeblich kein Geld direkt an die Partei überweisen können. Der Grund sei, so Tymoschenko, dass gegen die Unternehmer sofort Strafverfahren eingeleitet würden.

Wie geht es weiter?

Beide Skandale können den Wahlkampf beeinflussen und die Liste derer, die in Umfragen führen, verändern. Unterdessen hat der Führer der Partei “Selbsthilfe”, Andrij Sadowyj, seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen zurückgezogen. Er kündigte an, ab nun den Führer der Partei “Bürger-Position”, Anatolij Hryzenko, zu unterstützen. “Die ‘Selbsthilfe’ ist die Plattform, die alle demokratischen Kräfte vereinen sollte. Jetzt haben wir die Chance, einen ukrainischen und korruptionsbekämpfenden Präsidenten zu wählen”, sagte Sadowyj am 1. März auf einer Pressekonferenz. Der Zusammenschluss der beiden politischen Kräfte wird wahrscheinlich die pro-europäischen demokratischen Wähler im letzten Monat vor dem Urnengang am 31. März mobilisieren. Unterdessen haben die Angehörigen der informellen Gruppe “Europa-Optimisten”, die Parlamentsabgeordneten Mustafa Najem, Switlana Salischtschuk und Serhij Leschtschenko, ihren Austritt aus der Fraktion der Partei “Block Petro Poroschenko” erklärt.