Ukrainischer Nationalgardist in Italien verurteilt, Ausblick auf die bevorstehenden Parlamentswahlen und weitere Themen

Die Lage im Kampfgebiet im Osten der Ukraine

Bewaffnete Verbände der Russischen Föderation verletzen weiterhin die Waffenruhe, indem sie Artilleriesysteme des Kalibers 122 mm sowie Mörser des Kalibers 120 mm und 82 mm einsetzen, die durch die Minsker Vereinbarungen verboten sind. Außerdem beschießt der Feind die ukrainischen Verteidiger mit Granatwerfern verschiedener Systeme, mit Waffen von Schützenpanzern sowie mit großkalibrigen Maschinengewehren und Kleinwaffen.

Zivilist kommt ums Leben.Am Abend des 11. Juli haben die Besatzer 20 Minuten lang die Wohnviertel der Stadt Marjinka an der Frontlinie aus Schützenpanzern beschossen. Ebenfalls am 11. Juli, gegen 21 Uhr, wurde in der Ortschaft Tschermalyk, ein ukrainischer Staatsbürger, Jahrgang 1970, beim feindlichen Artilleriebeschusses verletzt. Im Krankenhaus erlag er seinen Verletzungen.

Zivilist muss Stellungen erkunden. Am 13. Juli haben Angehörige der illegalen bewaffneten Gruppierungen einen Zivilisten gezwungen, durch vermintes Gebiet zu gehen. Das berichtet das Pressezentrum der ukrainischen Vereinten Kräfte. Ein Mann aus Donezk, Jahrgang 1949, wurde von den russischen Besatzern erst eingeschüchtert und dann gezwungen, in Richtung der ukrainischen Armee zu gehen. So sollten die Stellungen der ukrainischen Kräfte erkundet werden. Der Mann nahm keinen Schaden und erreichte die von ukrainischen Soldaten kontrollierten Stellungen.


Ukrainischer Nationalgardist in Italien zu 24 Jahren Haft verurteilt

Am 12. Juli hat das Gericht der italienischen Stadt Pavia den ukrainischen Nationalgardisten Witalij Markiw schuldig befunden, zur vorsätzlichen Ermordung des italienischen Fotografen Andrea Rocchelli im Donbass im Jahr 2014 beigetragen zu haben. Markiw, der zu 24 Jahren Haft verurteilt wurde, besitzt sowohl die italienische als auch ukrainische Staatsbürgerschaft. Er wurde im Juni 2017 bei der Einreise nach Italien festgenommen. Der Prozess dauerte ungefähr ein Jahr.

Das Urteil war ein Schock für die ukrainische Gemeinschaft. Die Verteidigung, aber auch die Anklage waren von der Härte überrascht. In den nächsten 90 Tagen soll die Urteilsbegründung vorliegen.

Der Vorwurf.Laut Anklage hatte der Sergeant der ukrainischen Nationalgarde Witalij Markiw keinen Mord begangen, aber er hatte das Kommando der Nationalgarde über die Bewegung von Zivilisten in der Nähe der Fabrik Zeus Ceramica am Fuße der Anhöhe Karatschun informiert. Diese hatten wiederum die Soldaten der ukrainischen Streitkräfte kontaktiert, die die Gruppe ausländischer Journalisten mit Mörsern beschossen. Die Anklage basiert im Wesentlichen auf einem Artikel des italienischen Journalisten Ilaria Morani für die Zeitung “Corriere della Sera”, der Beobachtern zufolge nicht völlig korrekt ist und keine dokumentierende Belege enthält. Ferner basiere die Anklage auf Aussagen des Zeugen und Journalisten William Rougelon. Sie würden jedoch Vermutungen enthalten und Fakten durcheinander bringen.

“Es gibt keinen einzigen Beweis für die Schuld des Soldaten. Die Entscheidung der Geschworenen in Pavia sorgt für Misstrauen gegenüber der italienischen Justiz”, sagte Markiws Anwalt Raffaele Della Valle gegenüber “Radio Liberty”. Auch für den Chefankläger Andrea Zanoncelli ist das Urteil überraschend. Er hatte für den Angeklagten 17 Jahre Haft gefordert.

Die italienische Öffentlichkeit. Während des gesamten Prozesses gab es häufig Fälle, in denen die italienischen Medien über den Prozess nicht ausgewogen berichteten. Sie bezeichneten den Angeklagten entgegen jeder Ethik als “Mörder” und die Vertreter der ukrainischen Gemeinschaft vor Ort (siehe Foto) als Skinheads mit rechtsextremer Gesinnung. “Radio Liberty” zufolge sagten Ukrainer vor Gericht, die Staatsanwaltschaft und die Anwältin Alessandra Ballerini, die die Familie des Journalisten Rocchelli vertritt, hätten mit Fragen an die Zeugen nicht nur den Angeklagten, sondern auch das Kommando der Nationalgarde und den ukrainischen Staat insgesamt negativ darstellen wollen. Italien habe nicht nur Markiw, sondern die Ukraine verurteilt.

Maßnahme des Präsidenten.Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat unterdessen das Außenministerium des Landes und die Generalstaatsanwaltschaft angewiesen, sich umgehend mit der Rückführung von Witalij Markiw in die Ukraine zu befassen.

Berufung gegen das Urteil. Markiws Verteidiger wollen in Berufung gehen. Doch dies wird erst nach Veröffentlichung der Urteilsbegründung möglich sein. Das Urteil soll vor dem Mailänder Berufungsgericht angefochten werden. Dem Anwalt zufolge kann im Frühjahr 2020 mit einer Entscheidung gerechnet werden.


Beratertreffen zur Wiederbelebung des “Normandie-Formats” in Paris

Die außenpolitischen Berater der Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Deutschlands, Frankreichs und Russlands haben sich am 12. Juli in Paris getroffen, um die Arbeit im “Normandie-Format” wiederzubeleben. Das berichtet die ukrainische Internetzeitung “Jewropejska Prawda” (Europäische Wahrheit) unter Berufung auf die Deutsche Welle.

Nach dem Treffen erklärte die deutsche Seite, die Gespräche hätten auf den jüngsten positiven Entwicklungen im Osten der Ukraine beruht. Während des Treffens seien weitere Schritte zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen unternommen worden, vor allem bezüglich der Waffenruhe.

Während der Besuche des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Juni in Paris und Berlin war vereinbart worden, ein Treffen der außenpolitischen Berater im “Normandie-Format” durchzuführen. Insbesondere in Berlin hatten sich Selenskyj und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit der Wiederbelebung des “Normandie-Formats” zufrieden gezeigt. Vor wenigen Tagen führten Selenskyj und der russische Präsident Wladimir Putin ihr erstes Telefongespräch.


Eine Woche vor den Parlamentswahlen: Parteien und Prognosen

6000 Kandidaten bewerben sich um 424 Mandate. Die meisten treten in Wahlkreisen an, andere über Parteilisten. Insgesamt 22 Parteien werden auf den Stimmzetteln stehen. Umfragen zufolge werden aber nur fünf von ihnen die für den Einzug ins Parlament geltende Hürde von fünf Prozent überwinden.

“Diener des Volkes”.Die Partei wird das phänomenale Ergebnis ihres Kandidaten Wolodymyr Selenskyj bei den Präsidentschaftswahlen wohl nicht wiederholen können, rechnet aber damit, eine eigene Mehrheit im Parlament zu erhalten. Zu den 130 bis 140 Abgeordneten, die bei einem Wahlergebnis von 47 Prozent (laut Umfragen) über die Parteiliste ins Parlament einziehen würden, könnten noch rund 100 Abgeordnete hinzu kommen, die in Wahlkreisen gewinnen.

Zu den wichtigsten programmatischen Punkten der Partei gehören: die Umsetzung des Assoziierungsabkommens mit der EU, die Ausweitung der Zusammenarbeit mit der EU und der NATO, die Wiedereingliederung der besetzten Gebiete in den ukrainischen Informationsraum und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP.

“Oppositions-Plattform”.Viktor Medwedtschuk, Oligarch und enger Freund des russischen Präsidenten Wladimir Putin, als Vizepräsident des Parlaments ist ein sehr reales Szenario für das neue Parlament. Die Partei “Oppositions-Plattform – Fürs Leben” kann laut Umfragen mit mehr als 10 Prozent der Stimmen und dementsprechend mit 40 Abgeordneten rechnen. Dies würde sie zur wichtigsten Oppositionskraft im Parlament machen. Sie stützt sich auf Wähler, die für eine Freundschaft mit Russland eintreten. Vertreter der Partei waren bereits im März, kurz vor den Präsidentschaftswahlen, nach Moskau geflogen, um über eine Zusammenarbeit zu sprechen.

Zu den wichtigsten programmatischen Punkten der “Oppositions-Plattform” zählen die Rückkehr zu einer “multivektoralen” Politik, die Wiederaufnahme des Handels mit Russland, die Beilegung des Konflikts im Donbass durch einen “Dialog”, die Abschaffung der Gesetze über die Sprache, Dekommunisierung und Lustration.

Hauptkonkurrent der Partei ist der “Oppositionsblock” mit Jewgenij Murajew und Oleksandr Wilkul an der Spitze, der ihr definitiv einige Prozentpunkte nehmen wird.

“Europäische Solidarität”. Für die umbenannte Partei des früheren Präsidenten Petro Poroschenko wollen 8 bis 9 Prozent der Wähler votieren. Die Partei hat sich umstrittener Kandidaten entledigt und Online-Primaries durchgeführt, wobei deren Ergebnisse bei der Aufstellung der Parteiliste allerdings nicht berücksichtigt wurden. Die Partei will mit Freiwilligen, überzeugten Europäern und Militärs für “frisches Blut” sorgen.

Der “Europäischen Solidarität” hat sich ein Teil der Partei “Volksfront” aus dem Umfeld des Parlamentspräsidenten Andrij Parubij und des ehemaligen Sekretärs des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates, Oleksandr Turtschynow, angeschlossen. Höchstwahrscheinlich wird die “Europäische Solidarität” mit der “Oppositions-Plattform” um den Status als wichtigste Oppositionskraft ringen.

Zu den wichtigsten programmatischen Punkten der Partei zählen der Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft und die Gewährung eines Aktionsplans für eine NATO-Mitgliedschaft, Sanktionen gegen Russland und eine starke Armee, die Gleichstellung der Geschlechter und eine patriotische Erziehung.

“Stimme”.Die Partei des Sängers Swjatoslaw Wakartschuk kann mit sechs Prozent der Wählerstimmen rechnen. Wakartschuk hatte Anfang 2019 nicht für das Präsidentenamt kandidiert. Er suchte währenddessen aber bereits Mitstreiter für seine neue Partei.

Sie lehnt Verbindungen zu prorussischen Kräften ab, ist gegen den Einfluss von Oligarchen und tritt für Professionalität ein. Wakartschuk verspricht den Wählern eine Partei und Politik neuer Qualität.

“Vaterland”. An der Spitz der Liste der Partei steht Julia Tymoschenko, gefolgt von dem Abgeordneten und Geschäftsmann Serhij Taruta und dem ehemaligen Chef des Sicherheitsdienstes der Ukraine (SBU), Walentyn Nalywajtschenko. Unter den restlichen auf der Liste, die mit einem Einzug ins Parlament rechnen können, sind wenig neue Gesichter.

Tymoschenkos Partei wirbt mit Konservatismus. Hauptbotschaft der Kampagne ist, dass die Bürger bei der Parlamentswahl den nächsten Regierungschef bestimmen. Gespielt wird auch mit der populären Farbe Grün – der Farbe der Kampagne des Präsidenten Selenskyj. Tymoschenko schreibt mit großen Buchstaben, dass ein neuer, aber erfahrener Premier dem unerfahrenen Präsidenten helfen könnte.