Schwere russische Angriffe auf ukrainische Gasinfrastruktur
In der Nacht des 15. Januar hat Russland einen massiven kombinierten Angriff vom Schwarzen Meer aus gestartet. Moskau setzte dabei ein: eine ballistische Rakete vom Typ Iskander-M/KN; sieben Marschflugkörper vom Typ Ch-22/32 abgefeuert von Flugzeugen des Typs Tu-22M3; vier Kalibr-Marschflugkörper vom Schwarzen Meer aus (drei davon abgeschossen); 27 Marschflugkörper vom Typ Ch-101/Ch-55cm von strategischen Bombern des Typs Tu-95ms aus (23 davon abgeschossen); vier Lenkflugkörper vom Typ Ch-59/Ch-69 von taktischen Flugzeugen aus (alle abgeschossen); 74 Shahed-Drohnen und Simulator-Drohnen verschiedener Typen. Russland feuerte mehr als 40 Raketen ab, mindestens 30 wurden zerstört. Zu den Zielen hätten unter anderem die Gasinfrastruktur und Energieanlagen gehört, erklärte Präsident Wolodymyr Selenskyj.
Er betonte, dass die Ukraine ihre bestehende Luftabwehr ständig verstärken müsse. “Die Partner haben beim NATO-Gipfel in Washington und im Ramstein-Format Versprechungen gemacht, die bislang nicht vollständig umgesetzt wurden. Wir haben auch über Lizenzen für die Herstellung von Luftabwehr- und Raketenabwehrsystemen gesprochen, die zu einer der wirksamen Sicherheitsgarantien für die Ukraine werden können. Dies ist auch realistisch und muss umgesetzt werden”, betonte der Präsident der Ukraine. Er erinnerte daran, dass “die Verteidigung der Ukraine gerade jetzt beweist, ob Europa und die demokratische Welt insgesamt in der Lage sind, Kriege zu stoppen – zuverlässig und für lange Zeit.”
Serhij Nahornjak, Mitglied des Ausschusses für Energie und Wohnungswesen des ukrainischen Parlaments, sagte dem Fernsehsender Kyiv24, die Russen hätten am 15. Januar einen der unterirdischen Gasspeicher in den westlichen Regionen der Ukraine angegriffen. “Der Feind will seinen Zuschauern ein Bild präsentieren, wie unsere Gasspeicher brennen. Aber das wird er nicht schaffen”, so Nahornjak. Er betonte, dass an dem betroffenen Gasspeicher kein strategischer Schaden entstanden sei. “Die oben liegende Anlage ist zwar teilweise beschädigt, hat aber für unser Gastransportsystem keine strategische Bedeutung. Trotz teilweise erheblicher Schäden an den Anlagen ist eine Gasentnahme aus unseren Gasspeichern möglich. Es mag zwar finanzielle Belastungen geben, aber keine strategischen. Der Feind erreicht seine Ziele nicht”, fügte der Abgeordnete hinzu.
ISW: Russland wird darauf beharren, die Ukraine als Staat zu zerstören
Bei allen künftigen “Friedensgesprächen” wird der Kreml versuchen, die ursprünglichen Ziele seiner umfassenden Invasion in der Ukraine aufrechtzuerhalten: Diese bleiben die Zerstörung des ukrainischen Staates, die Auflösung der gegenwärtigen ukrainischen Regierung und Behörden, die Entmilitarisierung der Ukraine, und ein dauerhaftes Verbot einer künftigen Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO. Zu diesem Schluss kommen Analysten des Institute for the Study of War (ISW) nach dem jüngsten Interview von Nikolaj Patruschew, einem Berater von Wladimir Putin und ehemaligen Sekretär des Sicherheitsrats der Russischen Föderation, für die russische Zeitung Komsomolskaja Prawda.
In dem am 14. Januar veröffentlichten Interview weist Patruschew Vorschläge zurück, wonach Russland im Rahmen künftiger Verhandlungen bereit sein könnte, Teile der besetzten Gebiete an die Ukraine zurückzugeben. Er erklärte außerdem, dass diese Idee “nicht einmal diskutiert wird”. Patruschew behauptet außerdem, dass die Schein-Referenden in den besetzten Gebieten der Ukraine im September 2022 angeblich Russlands Ansprüche auf Teile der Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson “legitimiert” hätten. Patruschews Worte deuten auch darauf hin, dass Russland die “internationale Anerkennung” der illegalen Besetzung und Annexion von vier Regionen der Ukraine und der besetzten Krim durch die Besatzer als eine der Bedingungen für künftige Abkommen betrachtet.
Patruschew erklärte außerdem, dass die Ziele Russlands in der Ukraine unverändert seien und dass Moskau weiterhin entschlossen sei, alle Ziele zu erreichen, die Putin ursprünglich als Rechtfertigung für die groß angelegte Invasion angeführt hatte. Die ISW-Experten erinnern daran, dass Putin in einer Rede am 23. Februar 2022 die “Entmilitarisierung” und “Entnazifizierung” der Ukraine als Hauptziele der umfassenden russischen Invasion bezeichnete. Tatsächlich kämen diese Forderungen einer Zerstörung der Verteidigungsfähigkeit der Ukraine und der Ersetzung der legitimen ukrainischen Regierung durch eine prorussische Marionettenregierung gleich, betont das ISW.
Das Institut geht weiterhin davon aus, dass Putins Kriegsziele in der Ukraine darin bestehen, die NATO zu zerstören und die vollständige Kontrolle über die Ukraine zu erlangen, und dass Putin diesen Zielen auch weiterhin verpflichtet sei. Derzeit sieht das ISW keine Anzeichen dafür, dass Putin bei künftigen Verhandlungen hinsichtlich dieser Ziele zu Kompromissen bereit wäre. Zudem betont das ISW, dass russische Vertreter weiterhin die Existenz einer ukrainischen Identität und eines von Russland unabhängigen Staates Ukraine leugnen würden. So verwendete der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz am 14. Januar die Formulierung “das Land, das derzeit Ukraine heißt” und versuchte damit, die Existenz der Ukraine als souveränen und unabhängigen Staat zu diskreditieren. Patruschew seinerseits wies alle Behauptungen zurück, Russland und die Ukraine hätten unterschiedliche kulturelle und historische Identitäten. Im Juli 2021 hatte Putin in einem Artikel behauptet, ethnische Ukrainer, Belarussen und Russen gehörten derselben “russischen Nation” an.