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Mustafa Dschemilew: Als Russland die Krim annektierte, übernahm es die volle Verantwortung für deren wirtschaftliche Situation

Kiew, 26. Februar 2015 – Zum Jahrestag der Kundgebung der Krimtataren zur Verteidigung der territorialen Integrität des Staates fand im Ukrainischen Crisis Media Center die Konferenz „26. Februar. Die Krim gehört zur Ukraine“ statt. Vor einem Jahr gab es vor dem Parlamentsgebäude der Autonomen Republik Krim eine friedliche Kundgebung, die der Madschlis der Krimtataren organisierte und wo Separatismus kategorisch verneint wurde. Die Teilnehmer störten die Sitzung der Werchowna Rada der Autonomen Republik Krim. Aber sie vermochten es nicht, den sogenannten „Grünen Männchen“ etwas entgegenzusetzen. Nach Meinung von Mustafa Dschemilew war die Krim immer ein wunder Punkt des Landes und ein schwaches Glied, wo seit Jahren, insbesondere in der Regierungszeit von Janukowitsch, separatistische pro-russische Propaganda betrieben wurde. „Die Ukraine unternahm keine Maßnahmen gegen die separatistischen Tendenzen, die von der Russischen Föderation auf dem Gebiet der Krim unterstützt und finanziert wurden. Sie machte nichts zur Aufrechterhaltung der pro-ukrainischen Ideen“, erklärte er.

Heute jedoch, seit die Krim besetzt ist, werden nach Angaben von Dschemilew neue Konzepte für die Autonome Republik Krim erarbeitet. Aber wir müssen über das Recht des Urvolkes zur Selbstbestimmung sprechen, um die Rechte dieses Volkes in Zukunft zu schützen. Mustafa Dschemilew rief den Präsidenten Petro Poroschenko dazu auf, die Lieferung von Energie und Nahrungsmittel an die Krim einzustellen. „Als Russland die Krim annektierte, übernahm es die volle Verantwortung für deren wirtschaftliche Situation, für die Nahrungsmittelversorgung der dort lebenden Menschen und wie sie ihre Häuser beleuchten“, erklärte Dschemilew. Nach seinen Angaben wandten sich auch Bewohner der okkupierten Krim mit dieser Bitte an ihn. Sie sind bereit, Einschnitte für die Beendung der Okkupation hinzunehmen.

Nach den Worten von Refat Tschubarow gab es im Februar 2014 nur wenig Zeit, in der man Maßnahmen hätte beschließen müssen, damit es nicht zur Annexion kommt. „Es war am 27./28. Februar, als ein breiter Einfall von außen erfolgte“, erklärte Refat Tschubarow seine Gedanken. „Damit sich die Situation nicht wiederholt, darf man nicht nur von Militär sprechen, sondern muss auch die Rolle der Beamten auf der Krim in jener Zeit klar sehen. Einschließlich des SDU-Vorsitzenden, der Polizei und des dortigen Ministerpräsidenten“, erklärte der Vorsitzender der Madschlis der Krimtataren. Heute muss alles unternommen werden, um die Bevölkerung auf der Krim zu verteidigen. „Die Verkehrsverbindungen zwischen der Halbinsel und dem Festland müssen für den normalen Verkehr zwischen den Menschen wiederhergestellt werden. Es ist Aufgabe der Sonderdienste, wenn diese Verbindungen von einigen Saboteuren genutzt werden“, ergänzte Tschubarow.

Andrei Sentschenko, Vorsitzender der Parteigliederung von “Batkiwschtschina” auf der Krim, merkte an, dass die Repressalien in Bezug auf die Krimtataren relativ weit gehen. „Die Führung interessierte sich mit Krim nur für den Kauf von Land am Meer für Beamte und dafür wurde eine Elite der Krim gebildet, die bereit war, sich von diesem Interesse an den Krümeln fern zu halten“, erklärte er. Nach Meinung von Sentschenko konnte die Ukraine der Okkupation militärisch nichts entgegenstellen, da man sich weder auf den Geheimdienst der Krim, noch auf die Sondereinheit „Berkut“, noch auf die Polizei, bei der Frage zur Verteidigung der territorialen Integrität eindeutig verlassen durfte. Hinzu kam in jener Zeit ein sogenanntes Machtvakuum. „Allerdings hätte es ohne Militär und ohne Waffen keine Annexion gegeben“, ergänzte der Politiker. Seiner Meinung nach ist es wichtig, jetzt zu kämpfen, aber nicht mit einer Verkehrsblockade, sondern um den Verstand der Menschen auf der Krim. Dabei „soll es sich nicht nur um Propaganda handeln, sondern um wirkliche Inhalte zur Entwicklung der Krim“.

Der Journalist und Publizist Vitalij Portnikow denkt nicht, dass es jetzt sinnvoll ist, zu versuchen, die Krimbewohner zurückzugewinnen, da dies gerade, während der Okkupation, zu einer stärkeren Spaltung führen kann. Solche Maßnahmen sind nach einer Rückkehr der Krim besser. Insbesondere nach den Gerichtsprozessen, wer alles für die Annexion der Krim von russischer, aber auch von ukrainischer Seite verantwortlich ist. Danach muss man den Krimbewohnern eine gewisse Übergangszeit lassen, damit sie für sich entscheiden, welche Staatsangehörigkeit sie wollen. „Wer ukrainischer Staatsbürger bleiben will, soll seinen russischen Pass abgeben; wer das nicht will, aber auf der Krim bleiben möchte, soll als Ausländer bleiben, aber nicht über das Schicksal des Landes mitbestimmen können. Es gibt auch eine dritte Kategorie: Jene, die nicht mehr auf der Krim leben wollen und auch nicht wünschen, Bürger der Ukraine zu sein. Wir werden ihnen helfen, in ihre echte Heimat auszureisen. Sie kamen mit Panzern, also können sie auch auf Panzern zurück nach Hause“, merkte Portnikow an. Gerade sollte eine sogenannte Exil-Regierung und ein Exil-Parlament der Autonomen Krim gegründet werden, das als einziges Organ die Interessen der Krimbevölkerung vertritt.

Der russische Politologe Andrej Piontkowskij sieht die sich bildende Situation als weltweite Krise. Nach seiner Meinung wurde das Datum des 18. März letzten Jahres wichtig. Aber nicht deshalb, weil zu dem Zeitpunkt Russland die Krim annektierte, sondern aufgrund der Rede von Wladimir Putin zur Krim, als er nicht den Schutz seiner Bürger betonte, sondern den von ethnischen Russen und Russischsprachiger. „Es ist ein Lehrstück der Sudetenrede von Hitler, in der ein neues Konzept ertönte, insbesondere das Konzept der „Russischen Welt“, das ein Analogon zum Deutschen Reich ist“, erklärte er. Die Rede Putins zur Ukraine, aber auch zur ganzen Welt enthielt eine Art Drohung, Ultimatum und Erpressung. Nach Meinung von Piontkowskij helfen die Vereinigten Staaten nicht deshalb, weil sie die Ukraine lieben, sondern weil sie sich um ihre eigene Sicherheit sorgen. Ein Sieg Putins in der Ukraine bedeutet, dass die Baltischen Länder danach an der Reihe sein können, was zu einem Zusammenstoß mit Russland bis zu einem nuklearen Konflikt führen kann. Nach Meinung von Piontkowskij besteht die Frage zur Rückkehr der Krim aus einer Serie hybrider Kriege – einem Krieg der Putinschen Welt mit der westlichen Zivilisation – und am Ausgang dieses Kriegs hängt die Zukunft der westlichen Welt ab. Aber die Niederlage Putins ist für den russischen Politologen offensichtlich. Eine Rückkehr der Krim ist nach dem Sturz des Regimes von Putin möglich. Und dies kann nur die russische Elite selbst tun, wobei er Parallelen mit der Zeit Stalins anführt. „Wie funktioniert der russische Staat? Hier stehlen, Aktiva im Westen aufbauen, ein bequemes Leben für sich und seine Nachkommen über Generationen sichern. Aber um das zu „beackern“, sind konstruktive Beziehungen mit der westlichen Elite notwendig. Doch all das wird unnütz, wenn man isoliert ist und seine Aktiva eingefroren wurden“, sagte Andrej Piontkowskij.