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Bildung auf der annektierten Krim

Невчення – пітьма: освіта в окупованому Криму. Український Кризовий Медіа Центр, 27 серпня 2015

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Kiew, 27. August 2015 – Das Bildungssystem auf der Krim wurde nun fast vollständig russischsprachig. 14 Schulen mit Unterricht in krimtatarisch, die es bereits vor der Annexion gab, blieben erhalten. Aber die Situation mit ukrainisch verschlechterte sich dramatisch. Von 3.500 Klassen blieben nur 40 mit ukrainischsprachigem Unterricht. Experten besprachen in einer Diskussion, die von „Free Crimea“ gemeinsam mit dem Ukrainischen Crisis Media Center organisiert wurde, die Probleme bei der Bildung auf der besetzten Krim.

Seit der Annexion wurde das mittlere Bildungssystem praktisch vollständig russischsprachig. „Die Ausbildung in ukrainisch umfasste bis zur Annexion im März 2014 7,3 Prozent der ukrainischen Schüler. Eigentlich gab es 7 ukrainischsprachige Schulen in den Städten und keine einzige ukrainischsprachige Schule auf dem Land. Ukrainisch war an allen Schulen der Autonomen Republik Krim und in Sewastopol Pflichtfach. Nach der Okkupation bemerken wir erschreckende Zahlen: von 586 Schulen blieb keine einzige mehr auf der Halbinsel und in Sewastopol ukrainischsprachig“, berichtete Taras Beresowez, der Ideengeber des Projekts „Free Crimea“, als er die Informationsgraphik zum Stand des Bildungssystems auf der Krim erklärte.

In diesem Jahr schlossen 14.500 Schüler Schulen auf der Krim ab. Davon legten 1.040 die Einheitliche Staatsprüfung (ESP) ab. Valentina Potapowa, die Koordinatorin der Bildungsprogramme „Almenda“, teilte mit, dass derzeit, gegenüber den Jahren zuvor, sich viel weniger an Hochschulen einschreiben wollen. Wer weiter lernen will, zieht die Ausbildung an einer Fachschule vor.

Ukrainisch wird natürlich nicht mehr an allen Schulen als Fach unterrichtet. Es ist ein sehr unbedeutender Wert gegenüber anderen Ländern, wo es eine große ukrainische Diaspora gibt: in Australien, zum Beispiel, gibt es 15 Schulen mit ukrainischem Unterricht; in Argentinien 73, in Brasilien 12 und in der Slowakei 150. Wenn man diese Situation berücksichtigt, besteht die Gefahr, dass unter diesen Bedingungen die Schüler und Studenten auf der Krim bald das Zugehörigkeitsgefühl zur Ukraine und zu deren Sprache und Kultur verlieren werden. „Gerade besteht die Frage darin, wie weiter. Es geht nicht um ein, zwei, drei oder fünf Jahre. Wir brauchen eine gewisse humanitäre Strategie als Soft Power, um im ukrainischen humanitären Raum eine Generation von Kindern zu erziehen, die auf der Krim aufwachsen“, erklärte Oleg Derewjanko, der stellvertretende Minister für Bildung und Wissenschaft in der Ukraine. Er merkte an, dass es sehr wichtig ist, Experten und die Öffentlichkeit einzuladen, um nach kreativen Ideen zu suchen und um daraus letztlich eine Strategie für die Gesetzgebung zu entwickeln.

Derzeit muss man das Einschreibungsverfahren für Absolventen von der Krim an ukrainischen Hochschulen vereinfachen. Kürzlich erklärte der Minister für Bildung und Wissenschaft, Sergej Kwit, dass man die Möglichkeit vorsieht, dass diese Absolventen ukrainische Zeugnisse durch eine externe Prüfung an Schulen im Gebiet von Cherson erhalten, da die von der Russischen Föderation ausgestellten Zeugnisse in der Ukraine nicht anerkannt werden. In der aktuellen Immatrikulationszeit schrieben sich laut offiziellen Angaben des Bildungsministeriums 963 Abiturienten von der Krim an ukrainischen Hochschulen ein. Allerdings beinhaltet diese Zahl auch jene, die bereits in den vergangenen Jahren auf dem ukrainischen Festland lebten.

Nach Meinung von Valentina Potapowa, ist dies zu wenig. „Wir unterhielten uns mit Journalisten, die über „VKontakte“ [Anm. russisches Facebook-Äquivalent] mit Kindern in Kontakt traten und sie erzählten, dass man keine Ahnung hatte, dass man sich nicht so einfach an Hochschulen in der Ukraine einschreiben kann“, berichtete sie. „Zeigen wir nicht damit, dass wir die Menschen auf der Krim als Verräter sehen und nicht als „unsrige“? Vielleicht sollte man damit beginnen, dass sie sich nicht als Verräter fühlen, sondern vielmehr in einer schwierigen Lebenssituation. Um so mehr, weil sich 191.000 Schüler in dieser Situation wieder finden, die ein Menschenrecht auf Bildung haben, das ihnen der ukrainische Staat gewähren müsste“, erklärte Valentina Potapowa.

Sie betonte, dass es wichtig ist, ein einheitliches Dokument zu entwerfen, wo ihre Eltern alle notwenigen Informationen finden, wie sich ihre Kinder an ukrainischen Hochschulen einschreiben können. Bisher fehlt eine solche zentrale Informationsquelle. Valentina Potapowa merkte an, dass nach der Annexion der Halbinsel dem Staat automatisch die Last genommen wurde, 18 Hochschulden auf der Krim zu finanzieren. Entsprechend wurden allein für Stipendien 136 Mio. Hryvna eingespart, wobei nicht bekannt ist, wofür diese Mittel 2014 sonst verwendet wurden.

Andrej Schtschekun, Vorsitzender des Zentrums für gesellschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit mit der Krim „Ukrainisches Haus“, schlug vor, ein Programm zur Zusammenarbeit zwischen Hochschulen in der Westukraine und den Schulen auf der Krim zu entwickeln. Voraussichtlich wird während der Immatrikulationszeit eine Ausschreibungskommission auf die Krim reisen, um die Besten zur Ausbildung auf Kosten des Staatsbudgets an ukrainischen Hochschuleinrichtungen auszusuchen. Entsprechend werden sich die Abiturienten von der Krim nicht auf allgemeiner Grundlage einschreiben, sondern untereinander um eine gewisse Zahl von Quotenplätzen konkurrieren. „In den 24 Jahren der ukrainischen Unabhängigkeit schuf das Bildungsministerium keine einzige ukrainischsprachige Hochschule auf der Krim. Lassen Sie uns die Nationale Taurische Universität [Anm. die Nationale Taurische Wernadskyj-Universität ist eine Hochschule in Simferopol] im Exil in Cherson gründen, um damit ein Vorbild zu schaffen“, schlug er vor.

Die Hauptaufgabe, vor der das Bildungsministerium gerade steht, ist die Budgetplanung für 2016. „Wir haben eineinhalb Monate für das Budget. Wenn die Mittel nicht bis zum 1. Januar 2016 bestimmt sind, können wir noch so viel tun wollen, aber es wird sich nichts ändern“, sagte Valentina Potapowa dazu. Nach ihrer Meinung ist das Mindeste für 2016, wenn schon keine Möglichkeit der Online-Ausbildung, dann wenigstens die Möglichkeit zum Fernstudium. Andrej Schtschekun sprach den Wunsch aus, wieder die Möglichkeit zu schaffen, Studenten von der Krim an ukrainische Hochschulen zu holen: diese Möglichkeit gab es letztes Jahr, aber war dann nicht mehr für 2015 vorgesehen.

Oleg Derewjanko teilte mit, dass die Beratungen im Finanzministerium in Bezug auf die Schaffung eines Online-Content gerade angefangen haben – einschließlich für Kinder vom Land. Danach soll eine besondere Arbeitsgruppe damit beginnen, gemeinsam mit Zivilorganisationen notwendige Änderungen an der Gesetzgebung auszuarbeiten, um ein Verfahren zur Einschreibung für die Krimbewohner an Sonderplätzen zu entwerfen.