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Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 19. bis 25. April 2016

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation

Im Vergleich zur vergangenen Woche hat sich die Anzahl der Angriffe der prorussischen Militärverbände verringert. Die ukrainischen Streitkräfte wurden 225 Mal beschossen. Infolge der Kampfhandlungen kamen sieben ukrainische Soldaten ums Leben und 30 weitere wurden verletzt.

Die Situation in der Zone der Anti-Terror-Operation bleibt schwierig. Ende der Woche wurden die ukrainischen Checkpoints in einigen Frontabschnitten häufiger beschossen. Wie in den Wochen zuvor wurde Awdijiwka am häufigsten beschossen. Hier setzten die prorussischen Militärverbände Minenwerfer mit einem Kaliber von 82 und 120 Millimetern ein. Außerdem wurden die ukrainischen Streitkräfte bei Sajzewe, Opytne, Marijinka, Schyrokine und Pisky beschossen (Meldung über die Situation in der ATO-Zone am 24. April auf Englisch).

110 Ukrainer sind immer noch in Gefangenschaft der prorussischen Militärverbände im Donbass. Das berichtete Jurij Tandyt, Berater des Chefs des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU) (Meldung auf Englisch). 681 Ukrainer gelten im Donbass als vermisst. Das berichtete Iryna Heraschtschenko, erste Vize-Vorsitzende des ukrainischen Parlaments und Vertreterin der Ukraine in der Dreiseitigen Kontaktgruppe zu humanitären Fragen.

Die Militärführung der russischen Besatzungstruppen beabsichtigt, die Kampfhandlungen vor dem 9. Mai (Tag des Sieges) als Demonstration der Stärke an den Frontabschnitten von Donezk und Mariupol wieder aufflammen zu lassen. Dabei wollen sie Siedlungen in der sogenannten Pufferzone (Grauzone) einnehmen. Das teilte die ukrainische Militäraufklärung mit.

Die prorussischen Militärverbände haben 20 ukrainische Gefangene freigelassen. Die ukrainische Seite ist bereit, 50 Personen an die von Russland kontrollierten Militärverbänden im Tausch gegen 25 ukrainische Geiseln zu übergeben. Das wurde auf der Sitzung der Dreiseitigen Kontaktgruppe in Minsk vereinbart, teilte Iryna Heraschtschenko mit.

Die Hauptverwaltung des ukrainischen Nachrichtendienstes sammelt weiterhin Beweise über reguläre Militärangehörige der Russischen Föderation, die sich an den Kampfhandlungen im Donbass beteiligen, um sie an ein internationales Strafgericht bezüglich Kriegsverbrechen zu übergeben (zwei dienten als Generäle in der Russischen Föderation) (Artikel auf Englisch).

In Minsk erklärte der Sondervertreter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, Martin Sajdik, gegenüber Journalisten, dass die Feuerpause von beiden Konfliktparteien verletzt wird. Er merkte an, dass beim Beschuss wieder schwere Waffen eingesetzt werden, die eigentlich entsprechend früher erreichter Vereinbarungen von der Kontaktlinie abgeführt werden sollten aber wieder auf ihre frühere Positionen aus den Lagern zurückgebracht wurden.

Moskau versorgt weiterhin die von Russland kontrollierten (pro-)russischen Kräfte mit Munition. Die ukrainische Aufklärung stellte fest, dass fünf Waggons mit Munition und Ersatzteilen für militärische Ausrüstung aus Russland im von den (pro-)russischen Kräften besetzen Ilowajsk (Gebiet Donezk) eingetroffen sind.

Am 21. April wurde in Kiew eine interaktive Karte zur Hilfe von Opfern der russischen Aggression vorgestellt. Die Organisatoren rechnen damit, dass diese Ressource sowohl für Binnenflüchtlinge nützlich sein kann, die dadurch erfahren, wo sie umfangreiche Hilfe erhalten, als auch für Journalisten und internationale Geber, die Kontakte zu verifizierten Gesellschaftsorganisationen suchen.

Verluste der russischen Invasionskräfte. Russische Soldaten sterben weiter – streng geheim. Wadym Skibizkyj von der Hauptabteilung der Militäraufklärung im Verteidigungsministerium der Ukraine gab bekannt, dass der Feind innerhalb einer Woche 32 Militärangehörige verloren hätte, weitere 71 seien verwundet worden. „Das Putin-Regime unternimmt weiterhin größte Anstrengungen, um die Verbreitung von Informationen zu den russischen Verlusten (von Soldaten und Offizieren, die es offiziell nicht gibt) zu verhindern“, stellt Skibizkyj heraus und erklärte, dass den russischen Militärangehörigen fiktive Dokumente ausgestellt werden und deren Grenzübertritt nicht fixiert wird. Ihnen werden private Mobiltelefone, Fotoapparate und andere mobile Geräte und Tablets abgenommen und die persönlichen Informationen aus den sozialen Netzwerken werden gelöscht (Mehr zum Thema auf Deutsch).

Die besetzte Krim

Dmitrij Peskow, Sprecher des Präsidenten Russlands, hat ein Verbot des Medschlis der Krimtataren auf der besetzten Halbinsel als “interne russische Angelegenheit” bezeichnet. Russland werde “Empfehlungen” von außen unbeachtet lassen. Das sagte Peskow auf die an Russland gerichtete Forderung des US-Außenministeriums, die Entscheidung des russischen Justizministeriums zurückzunehmen, das die Tätigkeit des Medschlis als “extremistisch” eingestuft hat.

Die OSZE ist wegen der Bedrohung der Meinungs- und Medienfreiheit in der von Russland besetzten Krim besorgt. Dies erklärte die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic, heißt es in einer Erklärung auf der Webseite der Organisation. Insbesondere sei man wegen der Einschüchterung des Krim-Journalisten Mykola Semen besorgt (Nachricht in englischer Sprache). Berichten zufolge wurde am Dienstagmorgen sein Haus in Simferopol durchsucht. Dabei wurden Computer beschlagnahmt. Der Journalist selbst wurde über mehrere Stunden festgehalten und gegen Kaution freigelassen. Mijatovic betonte, dass ähnliche Einschüchterungsaktionen gegen mehrere andere Einwohner der Krim unternommen worden seien, darunter gegen die Fotografin Lenjara Abibulajewa und Ruslana Ljumanowa (Erklärung der OSZE in englischer Sprache).

Stellungnahme der Menschenrechtsgruppe Charkiw bezüglich der Inhaftierung von Journalisten auf der annektierten Krim in englischer Sprache.

Menschenrechte

Das russische Justizministerium hat vom ukrainischen Justizministerium einen Antrag auf Auslieferung der ukrainischen Pilotin und Parlamentsabgeordneten Nadija Sawtschenko erhalten.

Der Anwalt der illegal in Russland verurteilten Ukrainerin Nadija Sawtschenko, Mark Feigin, veröffentlichte eine Erklärung von ihr, in der sie darum bittet, in die Ukraine zurückzukehren. Am 19. April war es dem ukrainischen Präsident Petro Poroschenko und Sawtschenkos Angehörigen gelungen, sie davon zu überzeugen, den trockenen Hungerstreik zu beenden (Artikel in englischer Sprache).

In Russland ist der Ukrainer Serhij Lytwynow wegen Diebstahls, den er während Kämpfen in der Region Luhansk begangen haben soll, zu 8,5 Jahren Haft verurteilt worden. Lytwynow wurde im Sommer 2014 von der russischen Polizei in einem Bezirkskrankenhaus der russischen Region Rostow festgenommen, wohin er zusammen mit Flüchtlingen geraten war, nachdem er die Grenze zu Russland überquert hatte. Ihm wurden Massenvergewaltigungen und Tötungen von Zivilisten vorgeworfen, die er als Mitglied des ukrainischen Freiwilligen-Bataillons “Dnipro-1” begangen haben soll. Die Menschenrechtlerin und Anwältin Maria Tomak aus Kiew sowie der ukrainische Konsularische Dienst konnten allerdings nachgewiesen, dass die “toten” Zivilisten nie existiert haben. Daraufhin mussten die russischen Ermittlungsbehörden die Vorwürfe gegen Lytwynow, Kriegsverbrechen begangen zu haben, fallen lassen. Sie hielten nur noch den Vorwurf des Diebstals aufrecht (Stellungnahme der Menschenrechtsgruppe Charkiw in englischer Sprache).

Verbot russischer Filme

Präsident Petro Poroschenko hat ein Gesetz zum Verbot russischer Filme unterzeichnet, die nach dem Jahr 2013 produziert wurden, sowie von Filmen, die die russische Staatsmacht, den Aggressor, popularisieren. Der Gesetzgeber ist der Ansicht, dass dieses Gesetz zur nationalen Sicherheit der Ukraine beitragen und separatistische Stimmungen in der Gesellschaft verringern wird.

Die OSZE-Beauftragte für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic, glaubt, dass das jüngste gesetzliche Verbot russischer Filme in der Ukraine den freien Informationsfluss einschränken könne. Das teilte der Pressedienst der OSZE mit. Mijatovic zufolge sollte der “heutige deutliche Fortschritt der Ukraine im Bereich der Medienfreiheit bewahrt und gestärkt und nicht untergraben werden” (Nachricht in englischer Sprache).

Umfrage: Korruptionsindex in den ukrainischen Medien

Die Ilko-Kutscheriw-Stiftung “Demokratische Initiativen” hat eine Studie zur Transparenz der Arbeit ukrainischer Medien durchgeführt. Ziel der Studie war es, Expertenmeinungen über die Qualität der journalistischen Beiträge im Fernsehen und Radio, in Print- und Online-Medien sowie bei Nachrichtenagenturen einzuholen. Die Mehrheit der Befragten waren Medienvertreter (Journalisten und Redakteure, etc.).

Jeder vierte Befragte gab zu, dass bei seinem Arbeitgeber ständig oder häufig bestellte Beiträge platziert würden. 38 Prozent gaben an, dass so etwas gelegentlich oder eher im Ausnahmefall vorkomme. Nur zehn Prozent sagten, dass so etwas bei ihnen nie passiere. Die meisten bestellten Beiträge sind den Befragten zufolge politischer Natur, seltener mit wirtschaftlichen Interessen oder mit einer bestimmten Person verbunden. Einige der Befragten gaben auch ungefähre “Tarife” für die Platzierung bestellter Beiträge in Medien an. Am höchsten sind sie beim Fernsehen, wo sie zwischen 14.000 und 83.000 Hrywnja (450 bis 2.800 Euro) liegen. Am günstigsten sind Online-Medien mit 4.000 bis 21.000 Hrywnja (130 bis 700 Euro). Volltext der Studie in ukrainischer Sprache.

Die Reformen

Das Justizministerium schlägt vor, bei der Durchführung der Justizreform ausländische Richter einzubeziehen. Das erklärte Justizminister Pawlo Petrenko. Ihm zufolge soll die Justizreform, die Ausschreibungen und Prüfungen einschließen wird, zwei Jahre dauern. Laut Konzept sollen für diese Zeit ein Paket von Übergangsgesetzen verabschiedet und Sondergerichte eingerichtet werden.

Die Europäische Union hat erklärt, dass die Unterstützung der Ukraine vom Tempo der Reformen im Land abhängt. Der EU-Kommissar für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik, Johannes Hahn, der sich zu einem Besuch in Kiew aufhält, sagte, je schneller die ukrainische Regierung und das Parlament mit Reformen vorankämen, desto größere Unterstützung werde die EU gewähren können. Normalerweise habe eine neue Regierung 100 Tage Schonfrist, aber im Falle der Ukraine müssten es 100 Tage voller konkreter Schritte und Arbeit werden. “Die Regierung muss mit dem Parlament zusammenarbeiten und beweisen, dass sie ernsthaft Reformen durchführen will”, sagte Hahn. Die EU erwarte eine entschiedene Bekämpfung der Korruption, die Ernennung eines unabhängigen und reformorientierten Generalstaatsanwalts, eine gründliche Reform der Strafverfolgung, eine effektive Arbeit der Anti-Korruptions-Behörden sowie eine Umsetzung der elektronischen Einkommenssteuererklärung. Nur nach “hervorragenden Ergebnissen” werde die EU bereit sein, die zweite Tranche der Finanzhilfe in Höhe von 600 Millionen Euro auszuzahlen, fügte der Kommissar hinzu.

Europäische Integration. Nach mehr als zehn Jahren Kampf für Visafreiheit mit der EU ist die Ukraine diesem Status, von dem die Bürger des Landes schon lange träumen, sehr nahe gekommen. Die Europäische Kommission hat einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Damit wird offiziell anerkannt, dass die Ukraine alle Anforderungen des Aktionsplans zur Visaliberalisierung erfüllt hat. Wenn der Vorschlag vom Europäischen Parlament und vom EU-Ministerrat gebilligt wird (die entsprechenden Verfahren beginnen schon in zwei Wochen) und ein entsprechender Entscheid veröffentlicht wird, wird man in der Visafrage einen Schlusspunkt setzen können. Während die Bürger der Ukraine auf das “visafreie Wunder” warten, lässt sich die europäische Geschäftswelt von rationalen Motiven leiten. Allein in der vergangenen Woche haben mehrere Investoren angekündigt, bestehende Projekte auszuweiten oder neue zu starten, unter anderem im Bereich der Automobilindustrie.

Nachfolgend eine Auswahl an englischen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportage

Die EU-Kommission unterstützt die Visaliberalisierung zwischen der EU und der Ukraine. Reportage von Ukraine Today.

Der vor kurzem ernannte Finanzminister der Ukraine, Oleksandr Danyljuk, hat zugegeben, dass er Offshore-Unternehmen hatte. Reportage von KyivPost.

Nadija Sawtschenko hat ihren trockenen Hungerstreik beendet. Reportage von Ukraine Today.

Eine ukrainische gesellschaftliche Organisation unterstütz die Eltern von LGBT-Kindern. Reportage von KyivPost.

Unschuldige Opfer des Krieges: die lokalen Behörden haben die Anzahl der Kinder genannt, die in der ATO-Zone getötet oder verletzt wurden. Reportage von Ukraine Today.

Tschernobyl: in einem ukrainischen Dorf in der Sperrzone kehrt langsam wieder Leben ein. Reportage von KyivPost.

Interviews

Präsident Petro Poroschenko will die Staatsanwaltschaft kontrollieren, anstatt sie zu reformieren. Interview von Ukraine Today mit dem ehemaligen stellvertretenden Generalstaatsanwalt, Dawid Sakwarelidze.

Die neue Regierung der Ukraine: hat sie gute Voraussetzungen? Inetrview von Hromadske International mit Alina Poljakowa, Stellvertretende Leiterin des Euroasiatischen Zentrums beim Atlantic Council.

Tschernobyl: 30 Jahre später. Interview von Hromadske Inetrnational mit Rebecca Harms, Abgeordnete des EU-Parlaments.

Wie reagiert der Kreml auf den Skandal mit den Panama-Papers? Interview von Hromadske International mit der wissenschaftlichen Mitarbeiterin der amerikanischen Brookings Institution, Lilija Schewzowa.

Analyse

Die Visafreiheit für die Ukraine wird bald zur Realität. Analyse von Ukraien Today.

Die Ukraine verbesserte ihr Ranking der Pressefreiheit. Analyse von Ukraine Today.

Die Struktur des ukrainischen Exports hat sich verändert. Infografik von Ukraine Today.

Fast 10.000 russische Soldaten befinden sich auf ukrainischem Territorium, so Experten von Stratfor. Artikel von Ukraine Today.

Artikel von UCMC (auf Deutsch)

Tschernobyl, 30 Jahre später: Radioaktiver Zugzwang? Dieses Jahr begeht die Welt den 30. Jahrestag der Tschernobyl-Katastrophe, die weltweit die Vorstellung vom “sicheren Atom” verändert und kommenden Generationen eine Menge von Problemen hinterlassen hat. Wie ging die Bewältigung der Katastrophe vonstatten? Ist es gelungen, die Folgen der Katastrophe zu minimieren? Steht die Ukraine mit ihrer Tragödie allein da? Das Ukraine Crisis Media Center (UCMC) hat versucht, diesen schwierigen Fragen in einem Gespräch mit Jurij Kostenko nachzugehen, der persönlich an der Bewältigung des Tschernobyl-Problems beteiligt war. Der ehemalige ukrainische Minister für Umwelt und Reaktorsicherheit (1992-1998) und stellvertretende Vorsitzender des einstigen parlamentarischen Ausschusses zur Untersuchung der Ursachen der Tschernobyl-Katastrophe war an Gesprächen zur Bewältigung der Katastrophe beteiligt. Er war es, der im Jahr 1995 ein Memorandum über Verständigung unterzeichnete, das zur kompletten Stilllegung des Kernkraftwerks Tschernobyl im Jahr 2000 führte (Mehr zum Thema).

Ein (un)möglicher Austausch. Drei Unterschiede zwischen dem Gerichtsprozess gegen Sawtschenko und dem gegen die russischen Offiziere der GRU-Spezialkräfte. Am 18. April endete der Prozess gegen die russischen Militärangehörigen der GRU-Spezialkräfte, Aleksandr Aleksandrow und Jewgenij Jerofejew. Beide wurden jeweils zu 14 Jahren Freiheitsentzug verurteilt. Vor einem Monat, am 22. März 2016, hatte ein Gericht im südrussischen Donezk im Rostower Gebiet die Offizierin der ukrainischen Armee, Nadija Sawtschenko, zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt. In letzter Zeit wird viel über einen möglichen Austausch von Sawtschenko gegen Aleksandrow und Jerofejew gesprochen. Die beiden Urteile machen alle Unterschiede zwischen der ukrainischen und der russischen Haltung im russisch-ukrainischen Krieg deutlich (Mehr zum Thema).