Der Sonderbeauftragte der Bundesregierung für den OSZE-Vorsitz im Jahr 2016 und der Koordinator für die zwischengesellschaftliche Zusammenarbeit mit Russland, Zentralasien und den Ländern der Östlichen Partnerschaft, Gernot Erler, hat die Ukraine besucht. In Sewerodonezk nahm er an dem zivilgesellschaftlichen “Ostukrainschen Forum” teil, traf sich mit Vertretern der lokalen Behörden, von NGOs und der OSZE. Einzelheiten berichtete er auf einer Pressekonferenz im Ukraine Crisis Media Center.
Gernot Erler betonte vor den Journalisten im Ukraine Crisis Media Center, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) habe in dem Konflikt im Osten der Ukraine eine doppelte Rolle: einmal die Projektkoordination in der Ukraine (PCU) und andererseits die Sonderbeobachtermission (SMM).
“Die Projektkoordination in der Ukraine kommt zu einer Zeit, wo sich vieles in diesem Land verändert, wo viele Reformen stattfinden. Wir alle wissen, dass das überhaupt nur funktionieren kann, wenn dabei ein Dialog mit der Bevölkerung gesucht wird, wenn das transparent ist, wenn Kommunikation stattfindet und auf diese Weise auch Vertrauen zu diesen Veränderungen hergestellt wird. Das ist ein klassisches Thema der OSZE. Diese Projektkoordination ist am besten vorbereitet, diese Rolle wahrzunehmen”, sagte Erler. Ihm zufolge hat sich das Vorsitz-Programm Deutschlands in der OSZE zum Ziel gesetzt, Vertreter der Zivilgesellschaft sehr stark einzubinden und die Jugend verstärkt einzubinden. “Ich war sehr froh, in Sewerodonezk genau zu sehen, dass beides funktioniert hat – die Zivilgesellschaft sehr stark einzubinden und es waren auch sehr viele junge Leute, die an dem Forum teilgenommen haben”, sagte der Sonderbeauftragte der deutschen Bundesregierung.
Vaidotas Verba, der seit gut zwei Jahren OSZE-Projektkoordinator in der Ukraine ist, betonte, seine Organisation stelle in der Ukraine positive Veränderungen fest. Vor allem über die vergangenen anderthalb Jahre könne gesagt werden: “Der Wunsch und die Bereitschaft der Ukraine und der ukrainischen Stakeholders, Expertise und Hilfe anzunehmen und Reformen umzusetzen, hat deutlich zugenommen.” Zugleich betonte er, dass er zu denjenigen gehöre, die noch vorsichtige Optimisten seien. Zwar gebe es in vielen Bereichen Fortschritte, doch es könnte noch größeres Engagement geben.
Die Beilegung des Konflikts im Donbass
Auf der Pressekonferenz unterstrich Erler, dass es für den Konflikt im Osten der Ukraine keine militärische Lösung geben könne, sondern nur eine politische, also über den Dialog. “Wenn man sagt, man will reden, dann ist da die Frage, wo sind eigentlich die Druckmittel, die man hat. In diesem Kontext hat es dann den Konsens über Sanktionen gegen Russland gegeben, das die Prinzipien der OSZE und internationale Verträge verletzt hat. Die Sanktionen sind ein Teil der Entscheidung für eine friedliche Konfliktbeilegung und sind unverzichtbar, solange Russland das nicht macht, was es zugesagt hat, nämlich auf der Basis des Minsker Abkommens die eigenen Verpflichtungen wahrzunehmen”, sagte er.
Während seines Besuchs in der Ukraine traf sich Erler auch mit Alexander Hug, dem ersten stellvertretenden Leiter der OSZE-Sonderbeobachtermission (SMM). Mit ihm besprach er die Lage in den Zonen der Truppenentflechtung im Osten der Ukraine. Erler betonte, die SMM sei unverzichtbar, denn nur durch sie wisse man, was in der Konfliktzone und an der Kontaktlinie überhaupt passiere. “Wir tun alles, um das Leben der Menschen vor Ort in dem Konfliktgebiet erträglicher zu machen, zum Beispiel durch lokale Waffenstillstands-Vereinbarungen, die dann genutzt werden, um Reparaturen an der Infrastruktur wie Strom- und Wasserleitungen zu machen oder auch Vereinbarungen zur Minenräumung zu treffen”, erläuterte Erler. Er betonte, das sei nicht nur eine Beobachterrolle.
Der Waffenstillstand und eine OSZE-Polizeimission
Der Sonderbeauftragte der deutschen Bundesregierung sagte außerdem, dass es jetzt einen qualitativen Neuansatz mit der sogenannten Entflechtungs-Strategie gebe. Es handele sich um ein Rahmenabkommen über die drei Gebiete Solote, Petriwske und Stanyzja Luhanska. “Die Idee ist, mit dem Waffenstillstand inselartig vorzugehen, der flächendeckend nicht funktioniert”, sagte er. Es sollten kleine Gebiete ausgesucht und dann versucht werden, Region an Region zu knüpfen. So könnte eine schrittweise Ausbreitung des Waffenstillstands herbeigeführt werden.
Zur Frage einer Polizeimission im Donbass sagte Erler: “Eine Polizeimission soll ja die Kommunalwahl absichern und dass da irgendeine Sicherheit sein muss, das versteht jeder. Die Frage ist: Wer soll den Auftrag kriegen und kann man darüber einen Konsens herstellen? Wenn man keinen Konsens zwischen der ukrainischen, russischen und auch der Seite der Separatisten hat, dann kann das nicht funktionieren. Dann wird es keine Kommunalwahlen geben können, die gesichert sind. Hier liegen leider die Auffassungen noch sehr weit auseinander”, so Erler. Er betonte, die Ukraine werbe für eine Polizeimission im Rahmen der OSZE, doch eine bewaffnete OSZE-Polizeimission habe es bisher noch nie gegeben. Alle 57 OSZE-Teilnehmerstaaten müssten ihr zustimmen. Es dürfte auch schwierig werden, glaubt Erler, qualifiziertes Personal mit Sprach- und Landeskenntnissen für eine solche Mission bereitzustellen.