- Die Ukrainer sehen in der Korruption nach wie vor eines der größten Probleme ihres Landes. Laut dem aktuellen Globalen Korruptionsbarometer (Global Corruption Barometer) 2016 von Transparency International gehört die Korruption weiterhin zu den drei größten Problemen in der Ukraine, meinen 56 Prozent der Befragten. Nur 29 Prozent der Befragten gaben an, bereit zu sein, keine Schmiergelder mehr zu zahlen, wenn dies helfen würde, die Korruption zu stoppen. Dies zeigt, dass das Korruptionsproblem in der Ukraine sehr vielschichtig ist. Eine ganze Reihe von Gründen bringen die Bürger dazu, Bestechungsgelder zu zahlen. Beamte sind nach wie vor bereit, Bestechungsgelder zu fordern und auch anzunehmen.
- Konkrete Erfahrungen der Ukrainer mit Korruption: unterschiedliche Ergebnisse. Bei der Frage, auf welche Weise die Ukrainer persönlich mit Korruption konfrontiert wurden, zeigen verschiedene Meinungsumfragen unterschiedliche Ergebnisse. Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Taylor Nelson Sofres Ukraine (TNS), die im Auftrag des staatlichen Nationalen Rates für Reformen durchgeführt wurde, sind nur 28 Prozent der Befragten persönlich mit Korruption konfrontiert worden, deutlich weniger als in der Studie von Transparency International. Laut einer Umfrage des Kiewer Internationalen Instituts für Soziologie (KIIS) ist das Gesundheitswesen der korrupteste Bereich in der Ukraine. So seien diesbezüglich 67,9 Prozent der Befragten schon einmal zu Schmiergeldern gezwungen gewesen. Die geplante Gesundheitsreform in der Ukraine sieht eine gesetzliche Krankenversicherung und eine private medizinischen Versorgung vor. Die Reform könnte in Zukunft dieses Korruptionsproblem lösen. Laut der Studie von KIIS gibt es in allen anderen Lebensbereiche weniger Korruption. An zweiter Stelle der korruptesten Bereiche stehen nach Angaben von 23,4 Prozent der Befragten die staatlichen Sozialleistungen.
- Laut dem aktuellen Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International befindet sich die Ukraine nach wie vor am unteren Ende der Liste. Die Ukraine ist unter 168 Staaten auf Rang 130, wenn es darum geht, wie oft die Bürger mit Korruption konfrontiert sind.
- Im Frühjahr 2014 wurden in der Ukraine Anti-Korruptions-Reformen in die Wege geleitet, die 2018 abgeschlossen sein sollen. Deren Hauptziel ist, größere Transparenz und Rechenschaftspflicht des öffentlichen Dienstes sowie strenge Strafen für korrupte Beamte zu gewährleisten. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Reformen ist die Kontrolle der Finanzen der politischen Parteien. Sie werden Finanzmittel vom Staat erhalten und sollen weniger von Oligarchen abhängig sein.
- Anti-Korruptions-Behörden: greifbarer Fortschritt. In der Ukraine sind neue Anti-Korruptions-Behörden geschaffen worden. Aufgabe des Nationalen Anti-Korruptions-Büros der Ukraine (NABU) ist die Prävention, Erkennung, Bekämpfung und Aufdeckung von Korruptionsstraftaten. Die Nationale Agentur zur Verhütung von Korruption (NASK) gewährleistet die Entwicklung und Umsetzung einer staatlichen Politik zur Korruptionsbekämpfung. Sie überprüft die Einkommens- und Vermögenserklärungen von Beamten und deren Lebensstil, um Betrügereien in den Erklärungen sowie ungerechtfertigte Bereicherung aufzuzeigen. Die Spezielle Anti-Korruptions-Staatsanwaltschaft (SAP) übt die Aufsicht über die von den NABU-Mitarbeitern durchgeführten strafrechtlichen Ermittlungen aus. Die SAP unterstützt die Staatsanwaltschaft in Verfahren, in denen es um Korruptionsfälle geht.
- Die Behörden funktionieren gut, solange Politiker nicht gegen sie arbeiten. Laut einer Studie der Nichtregierungsorganisation Reanimation Package of Reforms (RPR) haben mit dem Stand von September 2016 NABU und SAP insgesamt 208 Verfahren gegen Direktoren staatlicher Unternehmen, Staatsanwälte, Richter und andere Beamte eingeleitet und 100 Personen unter Verdacht gestellt. Darüber hinaus wurden 25 Gerichtsverfahren eröffnet. Mit dem Stand von August 2016 wurden insgesamt 45 Millionen Hrywnja sichergestellt und wieder dem Staatshaushalt zugeführt. Ein weiterer wichtiger Erfolg der NASK war die Einführung der elektronischen Einkommens- und Vermögenserklärung für Staatsdiener (E-Declaration). Etwa 103.000 hochrangige Amtsvertreter haben bereits eine Erklärung abgegeben.
- Die Justiz ist immer noch ein Problem. Einer der Gründe, warum das System der Anti-Korruptions-Behörden nicht reibungslos funktioniert, ist das Fehlen einer angemessenen Justizreform. Man kann Ermittlungen einleiten und auch Gerichtsverfahren eröffnen, aber das Justizsystem ist immer noch nicht reformiert. Gerichte können deswegen Korruptionsfälle einfach blockieren oder korrupte Personen sogar freisprechen. So ist die Idee entstanden, eine weitere Institution zu schaffen: ein spezialisiertes unabhängiges Anti-Korruptions-Gericht. Es könnte dafür sorgen, dass sich die rechtlichen Folgen von Korruption in der Ukraine wesentlich ändern.
- Die Ukraine entwickelt Vorzeigeprojekte im Bereich der Korruptionsbekämpfung und bezüglich der Transparenz der Regierungsarbeit. Laut der Studie von RPR ermöglicht beispielsweise ProZorro (elektronisches Systems für das öffentliche Beschaffungswesen) eine Kontrolle der öffentlichen Auftragsvergabe. Seit Februar 2015 haben 15.510 Beauftragte der Regierung das System für 295.970 Ausschreibungen im Wert von rund 155,56 Milliarden Hrywnja genutzt. Die dabei erzielten Einsparungen haben bislang einen Wert von 6,06 Milliarden Hrywnja erreicht.
- Sabotage der Anti-Korruptions-Reformen seitens der politischen Eliten. Viele Abgeordnete hatten sich gegen die Einführung der E-Declaration ausgesprochen und sie sogar behindert. Einige von ihnen gehören zur “alten Garde” aus Janukowytschs Zeiten. Aber es gibt auch Personen, die mit Präsident Petro Poroschenko verbunden sind und auch gegen die E-Declaration waren. Durch die Veröffentlichung der Einkommens- und Vermögenserklärungen wurden unermessliche Reichtümern ukrainischer Amtsvertreter bekannt. Somit wurde auch klar, warum die E-Declaration auf so heftigen Widerstand gestoßen war. Die Eliten hatten auch versucht, die Unabhängigkeit der NASK zu untergraben und einen Konflikt zwischen dem NABU und der Generalstaatsanwaltschaft zu stiften.
- Die Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Korruption. In der Ukraine wurden viele Nichtregierungsorganisationen (NGO) gegründet, die sich auf die Korruptionsbekämpfung konzentrieren. Eine der einflussreichsten ist UKR.AW. Die NGOs spüren Korruptionsfälle auf, sammeln Beweise und informieren die Rechtsschutzorgane. Um Korruption aufzudecken haben Journalisten verschiedene Projekte gestartet: Die Sendung Slidstvo.Info läuft bei Hromadske TV und im ersten Kanal des staatlichen Fernsehens. Die Sendung “Schemy” erscheint auf den Webseiten von Radio Liberty und der Zeitung “Ukrajinska prawda”. Es gibt aber auch noch weitere Projekte dieser Art.
Die oben genannten Angaben basieren auf Material von Transparency International, TNS, KIIS, RPR, The Reforms Guide und Euromaidan Press.
Die englischsprachige Version dieses Textes ist veröffentlicht unter: http://bit.ly/2gAYiSa