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Wochenübersicht der ukrainischen Pressenachrichten vom 28. März bis 3. April 2017

Die Situation im Kampfgebiet in der Ostukraine

In der vergangenen Woche hielten die Kampfhandlungen im Osten der Ukraine an. Der vor kurzem vereinbarte Waffenstillstand, der ab 1. April gelten sollte, hat keine lang erwartete Ruhe entlang der Trennlinie gebracht.

Österliche Waffenruhe. In der vergangenen Woche hat die Trilaterale Kontaktgruppe für die Regelung des Konflikts in der Ostukraine eine vollständige Waffenruhe ab dem 1. April vereinbart, um der Bevölkerung vor Ostern das Leben zu erleichtern. Trotz des Waffenstillstands stellte die ukrainische Seite Verstöße seitens der prorussischen Rebellen fest, auch wenn sich die Intensität des Beschusses verringerte.

OSZE. Die Sonderbeobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa hat eine Zunahme von Verstößen gegen die Waffenruhe um 60 Prozent festgestellt. Es wurden Mehrfachraketenwerfersysteme, Artillerie und Granatwerfer eingesetzt.

Gefangenenaustausch. Die ukrainische Vertreterin der Trilateralen Kontaktgruppe für die Regelung des Konflikts in der Ostukraine, Iryna Heraschtschenko, hat mitgeteilt, dass einige der von der Ukraine festgenommenen Personen, die aufseiten der prorussischen Rebellen kämpften oder sie unterstützt haben, einen Austausch gegen ukrainische Gefangene ablehnen und nicht in die vorübergehend besetzten Gebiete zurückkehren wollen. Die UN-Beobachtermission solle dies dokumentieren, so Heraschtschenko.

Das Leben in den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk”

Staatsangehörigkeit gegen Teilnahme am Krieg. In den “Volksrepubliken Donezk und Luhansk” wird den Menschen die russische Staatsangehörigkeit versprochen, wenn sie sich den Reihen der Rebellen anschließen. Das teilte die Hauptverwaltung für Aufklärung des ukrainischen Verteidigungsministeriums mit. Ihr zufolge hat eine neue Etappe bei der Agitation begonnen, mit der Menschen für den Militärdienst beim 1. und 2. Armeekorps der “Volksrepubliken” gewonnen werden sollen.

Hochrangige russische Beamte besuchen die “Volksrepublik Luhansk”. In der vergangenen Woche haben angeblich Personen aus dem nahen Umfeld des russischen Präsidenten Wladimir Putin Luhansk besucht. Der Nachrichtenagentur “Ostrow” zufolge soll es sich dabei um Putins Pressesprecher Dmitrij Peskow, nach Angaben der Internetzeitung “Ukrajinska Prawda” um Putins Berater Wladislaw Surkow gehandelt haben. Beide Medien beriefen sich dabei auf eigene Quellen in Geheimdiensten. Mögliches Ziel des Besuchs war, die Führung der sogenannten “Volksrepublik Luhansk” auszutauschen. Beobachter vermuten, dass der Kreml in letzter Zeit ernsthaft über einen Wechsel an der Spitze der der beiden “Volksrepubliken” nachdenkt. Vorgesehen seien neue vom Krieg unbefleckte Kandidaten, mit denen die Ukraine Verhandlungen führen könnte.

Die Folgen der Blockade: Die Situation vor Ort

Unter der sogenannten “Handelsblockade” leiden Unternehmen des ukrainischen Oligarchen Rinat Achmetow. Doch leiden genauso Unternehmen, die sich in den von der Ukraine kontrollierten Gebieten befinden?

Die Kokerei in Awdijiwka: Am Rande des Abgrunds. Die Kokerei in Awdijiwka gehört zur Holding “Metinvest”, dessen Hauptaktionär der ukrainische Oligarch Achmetow ist. Die Kohle, die früher für die Kokerei geliefert wurde, wird in den vorübergehend besetzten Gebieten gefördert. Durch die sogenannte “Handelsblockade” des Donbass wurden die Kohlelieferungen vollständig gestoppt. Der Geschäftsführer der Kokerei in Awdijiwka, Musa Magamedow, sagte im Interview für die DW, zwei Blöcke der Kokerei würden wegen des Mangels an Kohle stillstehen. Dies habe die Kapazitäten der Kokerei verringert. Jetzt produziere sie nur noch 5000 Tonnen Koks pro Tag statt 10000 Tonnen. Ein Teil der Belegschaft sei nach Hause geschickt worden und erhalte zwei Drittel ihres Gehaltes.

Das Hüttenwerk “Asowstal” in Mariupol: Steigerung der Produktion. Nach Angaben von Radio Liberty hat “Asowstal” hingegen seine Metallproduktion erhöht (von 27 auf 40 Tonnen pro Tag). Dazu hätten Kohlelieferungen aus Russland beigetragen. Das berichteten Gewerkschaftsvertreter des Unternehmens und Veteranen der Anti-Terror-Operation aus Mariupol. Entgegen einer Anordnung des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrates der Ukraine laufen in den Hafen des Hüttenwerks Schiffe mit Kohle aus Russland ein. Den Schiffsverkehr im Asowschen Meer kann man hier verfolgen. Aktivisten vor Ort vermuten, dass die Kohle aus der sogenannten “Donezker Volksrepublik” stammt.

Eurovision Song Contest: Kritik von der European Broadcasting Union

Die EBU droht. Die Generaldirektorin der European Broadcasting Union (EBU), Ingrid Deltenr, hat in einem Brief an den ukrainischen Premierminister Wolodymyr Hrojsman davor gewarnt, die Ukraine könnte von künftigen Wettbewerben ausgeschlossen werden, sollte die ukrainische Regierung die Kandidatin aus Russland am diesjährigen Eurovision Song Contest in Kiew, Julia Samoilova, nicht einreisen lassen. Darüber hinaus teilte sie Hrojsman mit, einige Kandidaten aus anderen Ländern würden nicht ausschließen, den Wettbewerb zu verlassen. “Kein Land zuvor, das den europäischen Liederwettbewerb bisher ausgetragen hat, hat einem Interpreten den Auftritt verboten. Die EBU möchte daher im Jahr 2017 keinen Präzedenzfall schaffen. Aus unserer Sicht ist der Ausschluss der russischen Sängerin von dem Wettbewerb ein unangemessener Schritt”, heißt es in dem Brief.

Reaktion der Ukraine. Wjatscheslaw Kyrylenko, Vize-Premierminister der Ukraine, erklärte, dass Russland an dem Wettbewerb in Kiew teilnehmen könnte, wenn es einen Teilnehmer entsendet, der nicht gegen ukrainische Gesetze verstoßen hat. Am 22. März hatte der Sicherheitsdienst der Ukraine (SBU) der russischen Kandidatin Julia Samoilova für drei Jahre die Einreise in die Ukraine untersagt. Der SBU begründete dies damit, dass die Sängerin im Jahr 2015 auf die von Russland annektierte ukrainische Halbinsel Krim gefahren ist und damit gegen ukrainisches Recht verstoßen hat.

Menschenrechte: Journalist auf der Krim kommt vor Gericht

Am 3. April ist in Aluschta auf der Krim bekannt geworden, dass der Blogger und Herausgeber des Blatts “Ihre Zeitung”, Alexej Nasimow, vor Gericht kommt. Darüber berichtet der Journalist selbst auf seiner Facebook-Seite. Nasimow war am 4. Oktober 2016 bei der Übergabe von Geld festgenommen worden. Das Geld, so die Ermittler, sei eine Belohnung dafür gewesen, dass der Journalist Informationen nicht offengelegt hat. Nasimow ist im Gefängnis in Simferopol in einen Hungerstreik getreten, der bereits seit fast zehn Tagen andauert. Sein Anwalt sagte, die Behörden hätten erst am dritten Tag den Hungerstreik als solchen anerkannt. Sie würden versuchen, ihn zu ignorieren.

Energiereform: Für was zahlen die Ukrainer?

Die Nationale Regulierungskommission für Energie und kommunale Dienstleistungen hat eine Gebühr für den Anschluss an das Gasnetz beschlossen, die ab dem 1. April fällig ist. Diese Maßnahme war im Rahmen der Reform des Gasmarktes erwartet worden, da der Verbraucher einerseits für die Infrastruktur, also die Leitungen, und andererseits für das Gas selbst zahlen soll. Auch bisher wurde alles bezahlt, doch die eingenommenen Gelder wurden später automatisch verteilt.

Vorteile der Neuerung. Organisationen, die in der Gaswirtschaft tätig sind, werden Geld für die Wartung und Modernisierung erhalten. Und der Verbraucher wird (theoretisch) die Möglichkeit haben, auszuwählen, bei wem er das Gas kauft. Die gesamte Reform ist so angelegt, dass man den Gasversorger genauso leicht wechseln kann, wie einen Mobilfunkbetreiber. Allerdings ist der Gasmarkt selbst noch nicht soweit. Es ist auch unklar, wann er soweit sein wird.

Probleme der Neuerung. Für Besitzer von Privathäusern mit eigenem Kessel für Heizung und Warmwasserbereitung wird die durchschnittliche Jahresgebühr für den Gasverbrauch fast unverändert bleiben. Das ist mehr als die Hälfte aller Verbraucher in der Ukraine. Hingegen wird die durchschnittliche monatliche Rechnung für Bewohner von Mehrfamilienhäusern, die Gas für Kochherde verwenden und keine individuellen Gaszähler in ihren Wohnungen haben, um das Drei- bis Fünffache steigen. Das sind rund 40 Prozent aller Verbraucher. Dies führt zu sozialen Spannungen.

Wer besitzt die Gasversorgungsunternehmen? Mehr als 70 Prozent des Vertriebsnetzes, für das künftig eine feste monatliche Gebühr eingenommen wird, gehören der “Regionalen Erdgasgesellschaft” des Oligarchen Dmytro Firtasch, der derzeit in Wien unter Arrest ist. Ihm wird Bestechung bei der Erschließung von Titanvorkommen in Indien vorgeworfen. Zur  “Regionalen Erdgasgesellschaft” gehören offiziell 16 regionale Gasunternehmen. Weitere 12 Gasversorgungsunternehmen befinden sich im Besitz von Firtaschs Partnern oder seiner ehemaligen Manager. Zu den Nutznießern von Firtschs Gasgeschäft gehören der Abgeordnete des “Oppositionsblocks” Serhij Ljowotschkin sowie seine Schwester Julia, der Abgeordnete des “Oppositionsblocks” Iwan Fursin sowie der Fraktionschefs des “Oppositionsblocks”, Jurij Bojko. In diesem Jahr werden die Einnahmen durch die neue Gebühr auf 24,15 Milliarden Hrywnja geschätzt.

Kultur: Dokumentarfilm über Jamala

Am 6. April findet die ukrainische Premiere eines Dokumentarfilms über die Sängerin Jamala statt. Der Streifen “Jamala.UA” geht eine Woche später in den nationalen Verleih. Die Regisseurin des Films ist die Ukrainerin Anna Akulewytsch. Die Arbeit an dem Film begann, als noch unklar war, wer die Ukraine beim Eurovision Song Contest 2016 vertreten wird. Der Film deckt die Zeit der Vorbereitung auf den Wettbewerb und mehrere Wochen nach dem Sieg der Sängerin ab. Vom 4. bis 6. Mai wird der Film “Jamala.UA” im Rahmen der Veranstaltungen des Eurovision Song Contest in Kiew mit englischen Untertiteln gezeigt. (Trailer des Films)

Sport: Ukrainische Ringerinnen siegen bei der U-23-Europameisterschaft

Das ukrainische Team hat den ersten Platz in der Teamwertung bei der U-23-Europameisterschaft im Ringen im ungarischen Szombathely gewonnen. Die ukrainischen Ringerinnen gewannen fünf Medaillen: zweimal Gold, einmal Silber und zweimal Bronze. Gold bekamen Lilija Horyschina (bis 53 kg) und Tetjana Kit (bis 58 kg), Silber Ilona Semkiw (bis 48 kg) und Bronze ging an Oksana Hergel (bis 60 kg) und Iryna Pasitschnyk (bis 75 kg).

Nachfolgend eine Auswahl an englischsprachigen Interviews, Analysen und Videos zur Situation in der Ukraine

Reportagen

Ukrainischer Vize-Premierminister: Russland kann am Eurovision Song Contest teilnehmen, wenn seine Kandidaten nicht gegen ukrainisches oder internationales Recht verstoßen haben. Reportage von UNIAN.

Generalstabschef Muschenko: Russland plant eine Eskalation im Donbass. Reportage von UNIAN.

Ohne Make-up und Scheinwerferlicht: Am 6. April erscheint ein Dokumentarfilm über das Leben von Jamala (Susana Jamaladinowa), der Eurovision-Gewinnerin 2016. Reportage von The Day.

Wie es sich anfühlt, in der vom Krieg geschundenen Ostukraine gefangen zu sein: Eine Momentaufnahme des Alltags im ukrainisch-russischen Krieg. Reportage von Hromadske International.

Verwüstungen in der ukrainischen Stadt Balaklija nach der Explosion des größten Munitionslagers in Europa: Von zersprungen Scheiben bis zu verstreuten Munitionsteilen. Eine Momentaufnahme von Hromadske.

Meinungen

“Dampf ablassen”: Jewgenij Matjuschenko analysiert die Anti-Korruptions-Proteste in Russland, die Rolle russischer Oppositionspolitiker wie Nawalny und die Strategie der Regierung, die Kontrolle über die Situation nicht zu verlieren. Lesen Sie mehr bei UNIAN.

Analyse

Sollten Anti-Korruptions-Aktivisten ihr Vermögen offenlegen? Eine Analyse von Hromadske International.

Wochenbilanz von UNIAN: “Die Schulden des Janukowytsch, Firtaschs Profite und die Manöver der Sberbank”

Die französische Präsidentschaftswahl aus ukrainischer Sicht. Die Erfahrung der Ukraine zeigt, dass Meinungsumfragen durch den zugrunde liegenden Hass auf die herrschenden Klassen und Institutionen verzerrt werden können. Analyse von LB (Lewyj Bereg).

Hromadske erklärt das Verfahren zur Ernennung eines Rechnungsprüfers beim Nationalen Anti-Korruptions-Büro.